Wiener „Tatort“-Folge „Pumpen“ Eine „Eitrige“ an der Bude und viele Muskeln

Wien · Die „Tatort“-Saison ist eröffnet: Der Wiener Fall „Pumpen“ lässt noch Luft nach oben, es war ein klischeehafter Fall. Nur Bibi Fellner (Adele Neuhauser) stach hervor, sprang sie doch dem Tod von der Schippe.

 Muskelberge vom Balkan: Ermittelt wird in einem Fitnessstudio.

Muskelberge vom Balkan: Ermittelt wird in einem Fitnessstudio.

Foto: ARD Degeto/ORF/Allegro Film/Hube/ARD Degeto/ORF/Allegro Film/Hubert Mican

Darum ging’s Ein Mann wird von einem Zug zerfetzt. Auf den ersten Blick eine Selbsttötung, doch der Lokführer sagt, der vermeintlich Lebensmüde habe versucht zu fliehen. Die Rechtsmedizin findet ein Narkosemittel. War wohl doch ein Mord, der die Wiener Kommissare Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) in ein Fitnessstudio führt. Dort hat Iovan Savic viel trainiert und vermutlich auch gedealt. Der James-Bond-Fan war offiziell arbeitslos und leistete sich trotzdem einen Aston Martin.

Darum ging es wirklich Natürlich liegt der Schluss nahe, dass die Muskelpakete in dem Studio nicht mit Hanteln, sondern mit illegalen Medikamenten geformt werden. In diese Richtung traben die Kommissare auch zunächst los. Nur um dann festzustellen, dass es sich um einen großen Sozialbetrug handelt. EU-Bürger ohne österreichische Staatsbürgerschaft und mit Hauptwohnsitz Wien beziehen Grundsicherung und müssen davon einen Großteil an eine Bande abgeben, zu der Savic gehörte. Außerdem werden mit gestohlenen e-cards, ähnlich der deutschen Krankenversicherungskarte, unberechtigterweise Patienten aus Osteuropa behandelt, die zu Dutzenden in Bussen herangekarrt werden.

Wie war’s Das große Feuerwerk zur Rückkehr aus der Sommerpause war der Fall „Pumpen“ nicht: zu klischeehaft die Handlung und zu wenig plausibel das Ende. Dass sich der Ex-Polizist Rainer Kovacs (Anton Noori), der nun als Kaufhaus-Detektiv arbeitet, am Schluss als Mörder herausstellt, bleibt arg oberflächlich. Er rächt seine Frau, die bei einer OP wegen gefälschter Daten auf einer E-Card einen Schlaganfall erlitt, und tötet deshalb zwei Bandenmitglieder. Warum er sich zu diesem Schritt entschließt, bleibt wie sein Charakter im Dunkeln. Eisner sagt nur einmal, der Kovacs habe ein starkes Gerechtigkeitsgefühl. Ansonsten sind die Muskelpakete etwas tumb, die Osteuropäer arm oder kriminell. Das kann das Wiener Team besser – mit mehr Witz und Raffinesse.

Das Highlight Adele Neuhauser steht in dieser Folge als Bibi im Mittelpunkt. Sie ist verliebt und fühlt sich dann derbe von ihrem Franz in die Irre geführt. Dann springt sie noch dem Tod von der Schippe. Sie leidet so eindringlich an ihrem Herzschmerz, durchlebt die große Verzweiflung eines Nahtod-Erlebnisses und lässt sich wie immer von Moritz trösten.

Der schönste Dialog Bibi taucht am Tatort auf und bittet einen Polizisten: „Gibt’s einen Kaffee?“ „Da müsste ich zaubern können.“ „Dann mal hokuspokus.“

Wienerisch für Anfänger Die Kieberei ist die Polizei, die Kieberer die Polizisten – das wissen die Wien-Fans schon. Die Vokabel „eine Eitrige“ aber ist neu. Die gibt es an der Wurstbude, steht für eine Käsekrainer, aus der der warme Käse gelblich herausfließt. Sie aus wie ... – eben. Die Kommissare gönnen sich eine nach dem Leichenfund. Scheinen abgehärtet zu sein.

Die Aufreger-Szene Wäre nur früher eine gewesen. Bibi lässt in einer Szene die Hüllen fallen und läuft oben ohne unter die Dusche. Adele Neuhauser sagt, es sei ihr nicht leicht gefallen, aber Nacktheit stehe für Verletzlichkeit und Freiheit – das passe zu Bibi. Eine Premiere war es nur für sie persönlich, nicht für die „Tatort“-Reihe. Der Bremer Kommissar Stedefreund zog 2017 zum Beispiel auch schon blank.

Die Ekel-Szene Arg unappetitlich war die zerstückelte Leiche auf dem Obduktionstisch. Die Frage, ob ein Körper von einer Bahn so sauber zerteilt werden kann, verbietet sich. Das muss man nicht sehen. Und daher auch nicht zeigen.

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