Wechsel bei den "Tagesthemen" Wickert geht, Buhrow kommt

Hamburg · Am Donnerstagabend war es so weit: Ulrich Wickert nahm seinen Abschied als "Tagesthemen"-Moderator. Tom Buhrow wird seinen Platz einnehmen. Nach 14 Jahren im Ausland, zwölf davon arbeitete er als Korrespondent in den USA, will der Rheinländer eine optimistische Grundhaltung mit nach Deutschland bringen.

Ulrich Wickert stellt man sich in seiner Freizeit am ehesten mit einem Glas französischen Rotweins vor. Mit Günter Grass und anderen Schriftstellern ist er befreundet. Er selbst schreibt auch Bücher, jongliert gerne mit den Namen großer Philosophen und kann fehlerfrei Rilke rezitieren. Wenn man so will, ist Wickert der typische Vertreter des alten Europas. Und jetzt, jetzt kommt Amerika.

Man kann das auch prosaischer ausdrücken. Nach 15 Jahren nimmt Wickert heute Abend seinen Abschied als Moderator der "Tagesthemen" und gibt den Stab weiter an Tom Buhrow. Der hat mit zweijähriger Unterbrechung die vergangenen 14Jahre in den USA verbracht, und es gibt Menschen, die finden, das merke man ihm an. Tatsächlich wirkt sein Moderationsstil im Vergleich zum gemächlichen Wickert ungleich schnittiger. Wird nun also alles anders in den hochseriösen "Tagesthemen"?

Glaubt man Buhrow - und es gibt keinen Grund, es nicht zu tun - , dann wird bei seiner Premiere am Freitagabend alles so sein wie immer. Das einzige, was er aus den USA nach Deutschland importieren werde, sei eine gewisse optimistische Grundhaltung. Soll heißen: Bei Buhrow erfährt man, was am Tag passiert ist - und dass sich die Erde am nächsten Tag weiterdreht.

Derartige Gelassenheit sagt man allerdings nicht nur Amerikanern, sondern auch Rheinländern nach. Tatsächlich wurde Buhrow vor 48Jahren in Troisdorf nahe Köln geboren, studierte in Bonn Geschichte und Politikwissenschaften und machte Karriere beim WDR. Dort brachte er es bis zum Chef vom Dienst der "Aktuellen Stunde", die er zudem moderierte. Auch privat fand er bei dem öffentlich-rechtlichen Sender sein Glück, in Gestalt der damaligen Volontärin Sabine Stamer, heute seine Frau und unter anderem Biografin von Inge Meysel und Daniel Cohn-Bendit.

Als Buhrow 1992 als ARD-Korrespondent in die USA ging, erfüllte er sich einen langjährigen Traum. Den nächsten großen Traum erfüllt er sich nun mit dem Wechsel zu den "Tagesthemen" - ein großer Schritt nach 14 Jahren im Ausland. An die Heimat muss er sich gewöhnen. Buhrow hat keinen Schimmer, wer Andy Borg ist, und als er vor Jahren in den USA vom "Ludergipfel" bei "Wetten, dass...?" erfuhr, reagierte er ratlos: Ludergipfel? Naddel? Wie bitte? Glücklich ist, wer unbelastet von derart nutzlosem Wissen durchs Leben gehen kann, doch dem Privatmann Buhrow stellen sich noch ganz andere Fragen. Seine beiden Töchter sind zwölf und neun Jahre alt - wie wird das sein, zum ersten Mal mit Familie in Deutschland zu leben?

Der Fernsehmann Buhrow hat sich dem alten Europa auf professionelle Weise genähert. Mit der Kamera ist er durch Deutschland gereist, die dabei entstandenen Stücke wird er seinen Zuschauern nicht vorenthalten. Mit denen möchte er auch chatten. Über ein Weblog denkt er nach. Ein bisschen werden sich die "Tagesthemen" und ihr Umfeld also doch verändern, vielleicht nähern sie sich in der Art der Präsentation sogar dem "heute journal" an: Mit Claus Kleber ist Buhrow befreundet, seit sie im Washingtoner ARD-Studio zusammenarbeiteten.

Und Ulrich Wickert? Wird Bücher schreiben, Reportagen drehen, seine Büchersendung fortsetzen, die dank des Grass-Spektakels ja schon ihre Premiere erlebte. Denkt man an ihn als den "Tagesthemen"-Moderator zurück, wird man sich an seine klare Sprache, seine nicht immer so klare Aussprache und seine Ironie erinnern - und an einen Skandal. Als er sich 2001 Gedanken über ähnliche Denkstrukturen bei George W. Bush und Osama bin Laden machte, forderte Angela Merkel seine Absetzung - vergeblich. Den Zeitpunkt seines Abschieds bestimmte er selbst: heute, 22.43 Uhr. Vor dem Wetter.

(Rheinische Post)
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