ARD-Drama War Vera Brühne unschuldig?

München (RPO). Zu Ostern rollt die ARD das Drama um Vera Brühne, die wegen Anstiftung zum Doppelmord 1962 zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, wieder auf. Und spinnt so die Legende vom angeblichen Justizirrtum fort.

Der Film Vera Brühne
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Es sind viele schuldig geworden an Vera Brühne: die Medien, das Volk, auch die Angeklagte an sich selbst. Ob aber auch die Justiz, ist durchaus fraglich.

Da sind zunächst die Medien, die ihrem Publikum vorab hemmungslos von Geldgier und einem angeblich lockeren Sexualleben der Tatverdächtigen berichteten, danach sie belastende Indizien als unumstößliche Tatsachen hinstellten.

Und all dies zu Anfang der 1960er-Jahre, zu einer Zeit also, als sexuelle Praktiken noch ein Tabu der bundesdeutschen Gesellschaft waren. Was Wunder also, dass das Urteil schon feststand, bevor die Angeklagte 1962 vor Gericht erschien: Da schrie das Volk, in dessen Namen erst noch Recht gesprochen werden sollte, schon zu Beginn: "Schuldig ist sie, die Hexe!"

Zuchthaus lebenslang

Nach fünfwöchiger Verhandlung schloss sich das (damals mit sechs Laien und drei Berufsrichtern besetzte) Schwurgericht München II dieser Meinung an, verurteilte die 51-jährige Schwabinger Lebedame Vera Brühne wegen Anstiftung zum Doppelmord und ihren Bekannten Johann Ferbach wegen der Ausführung des Verbrechens an dem Münchner Arzt Otto Praun und seiner Haushälterin Elfriede Kloo zu lebenslangem Zuchthaus, dem damals noch üblichen Strafmaß.

Zweimal rief die Brühne nach der Urteilsverkündung: "Ich bin doch unschuldig!" Und prompt machten die Medien überwiegend kehrt. Fortan galt der Schuldspruch landauf, landab als "Justizirrtum". Es gab keine Geständnisse der Angeklagten im Prozess, die Indizienkette war löcherig und die Verhandlungsführung wirkte voreingenommen, doch das Urteil war exzellent begründet: Es hielt zwei Revisionsanträgen, acht Wiederaufnahmebegehren und zahllosen Rechtsbeschwerden Stand. Noch heute wirkt es auf unvoreingenommene Leser bestechend logisch.

Zur "Wahrheitsfindung" berufen

Das hat der Legendenbildung um Brühne und Ferbach nie geschadet. Prozess und Urteil fanden eine bis heute ungebrochene Publizität. Illustrierte, Magazine und Boulevardpresse setzten immer kühnere Konstruktionen eines möglichen Tatablaufs und denkbare Hintergründe in die Welt. Kriminalroman-Autoren und Psychologie-Professoren fühlten sich zur "Wahrheitsfindung" berufen. Angebliche Zeugen beschworen Unmöglichkeiten, Gerichtsmediziner errechneten als Folge überaus schlampiger Tatort-Ermittler — auch sie Schuldige — neue Todeszeitpunkte.

Noch- und Ex-Geheimdienstler versuchten, mit immer abenteuerlicheren Konstruktionen die Waffenschieber-Theorie des Ferbach-Verteidigers Pelka zu untermauern. Vergeblich: Die Verurteilten blieben in ihren Zellen. Ferbach starb dort 1970 an einer Verengung der Herzkranzgefäße; die Brühne saß, als Gefangene Nr. 989 in der Frauenhaftanstalt Aichach unbeugsam ihre Unschuld beteuernd, bis 1979 ein, ehe Ministerpräsident Franz-Josef Strauß — der nach Ansicht mancher Autoren womöglich selbst in Hintergründe des Waffenhandels verstrickte Gnadenherr — dem 20. Gnadengesuch für sie stattgab.

Gelogen, dass sich die Balken bogen

Vera Brühne starb 2001 in München — als 91-Jährige und als "Justizopfer". Zweifellos war sie selbst an ihrem Schicksal zumindest mitschuldig — selbst wenn sie an dem Doppelmord unschuldig gewesen sein sollte. Denn sie bestritt vor Gericht wortreich nahezu alles, was sie belastete, auch Unbestreitbares wie ihre Beziehung zu dem ermordeten Arzt, weil das ihren Erbanspruch hätte gefährden können. Sie wurde vor Gericht ein ums andere Mal widerlegt, doch sie log weiter, dass sich die Balken bogen.

Der Vorsitzende Seibert sagte in der Urteilsbegründung, ihre Versuche, sich durch Fälschungen, Zeugenbeeinflussungen und Bestechungen ein Alibi zu verschaffen — "zu einer Zeit, als noch nicht der Schatten eines Verdachts auf ihr ruhte" —, hätten nur eine einzige Erklärung zugelassen: "Sie rechnete bereits damals damit, eines Tages mit dem Mord in Verbindung gebracht zu werden."

Das ließ und lässt nur einen Schluss zu: Sie war (Mit-)Täterin. Selbst die angesehene Gefangenenbetreuerin Birgitta Wolf sagte nach Jahren der Haft über ihre Mandantin Brühne, sie sei zumindest mitschuldig am Urteil gegen sich — selbst wenn sie unschuldig sei. All das hat der Legendenbildung nicht geschadet.

(RP)
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