Vorschau auf den Bremen-“Tatort“ Große Themen, keine Zeit

Bremen · Die Ermittlerinnen überzeugen im Bremer „Tatort“. Doch der Fall schneidet zu viele Themen an und hat zu viel Personal. So bleibt vieles sehr oberflächlich.

 Im Hafen von Bremen wird die Leiche eines Arztes gefunden. Linda Selb (Luise Wolfram, links) und Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) ermitteln.

Im Hafen von Bremen wird die Leiche eines Arztes gefunden. Linda Selb (Luise Wolfram, links) und Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) ermitteln.

Foto: Radio Bremen/Michael Ihle

In seinem zweiten Fall wird das Bremer Ermittler-Trio in den Hafen gerufen. Dort liegt die Leiche des Arztes Björn Kehrer (Markus Knüfken), der offenbar zuerst mit dem Auto überfahren wurde, dann gab man ihm mit einer Eisenstange den Rest. Der Mediziner ist in der Stadt bekannt, er kümmert sich seit Jahren anscheinend selbstlos um Arme und Geflüchtete.

Zeugen gibt es keine. Die Besatzung eines Frachters, der in der Nähe des Fundorts vor Anker liegt, will nichts vom Mord mitbekommen haben. Schnell gerät aber die vorbestrafte Ann Gelsen (Anna Bachmann) unter Verdacht. Ihr vorerkrankter Bruder liegt im Koma, weil der dauergestresste Arzt den Jungen nicht rechtzeitig behandelt haben soll. Der Bruder ist nach einem Autounfall schwer beeinträchtigt. Gelsen saß im Gefängnis, weil sie den Fahrer des Unfallwagens erschlagen hatte. Heute ist sie mit der Tochter einer Zigarren-Fabrikantin liiert, was wiederum der Schwiegermutter in spe (Karoline Eichhorn) gar nicht gefällt.

Doch auch die Arzthelferin Kirsten Beck (Lisa Jopt) könnte Kehrers Mörderin sein. Immerhin war sie jahrelang unglücklich in Kehrer verliebt, und ihr Alibi ist unbrauchbar und traurig. Sie feierte ihren Geburtstag allein in der Küche mit einer Flasche Prosecco. Der dänische Kommissar Mads Andersen (Dar Salim) kämpft parallel noch an einer anderen Front. Ein junger Mann aus Kopenhagen verfolgt ihn seit Tagen in böser Absicht mit einem Teppichmesser. Der Sohn eines Kopenhagener Clan-Chefs will sich offenbar dafür rächen, dass Andersen seinen Vater hinter Gitter gebracht hat.

Autor Christian Jeltsch und Regisseur Oliver Hirschbiegel („Der Untergang“) verweben in „Und immer gewinnt die Nacht“ gleich mehrere Handlungsstränge miteinander und fahren entsprechend viel Personal auf. Und genau da liegt leider die Schwäche des Falls. Denn die großen Themen des Films – Liebe, Einsamkeit, Krankheit, Schuld, Rache – werden nur kurz angeschnitten. Die Figuren bleiben holzschnittartig, richtig hineinversetzen kann sich der Zuschauer bedauerlicherweise in niemanden. Dass (und dies ist wirklich nur milde übertrieben) alle drei Minuten eine der Hauptpersonen „Fuck“, „Fick“, „verfickt“ oder „ficken“ sagt, hilft wenig. Die Auflösung nach 90 Minuten könnte man dann wohlwollend als überraschend bezeichnen. Oder böswillig als wirr. Fast hat man den Eindruck, die Macher hätten selbst nicht mehr so genau gewusst, wie sie die vielen Handlungsstränge eigentlich zu einem halbwegs überzeugenden Ende bringen sollen.

Das ist auch deshalb schade, weil das Bremer „Tatort“-Team schauspielerisch glänzend harmoniert. Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) und Linda Selb (Luise Wolfram) liefern sich wieder kluge Wortgefechte und freunden sich beim Tee im Tiny House langsam an. Das Duo schafft einen wohltuenden Kon­trast zu den Altherren-Ermittlern beispielsweise in Köln oder München. Der Däne Dar Salim war erneut für die Action zuständig. In James-Bond-Manier prügelte er sich minutenlang mit russischen Seeleuten. Doch ob es ein Wiedersehen mit dem Dänen gibt, ist bislang unklar. Im nächsten Bremer Fall „Das Ende der Zuversicht“, der im kommenden Sommer zu sehen sein wird, ist der 44-Jährige nicht dabei. Das ist schade, aber immerhin: Im nächsten Fall gibt es vielleicht eine Hauptfigur weniger.

„Tatort: „Und immer gewinnt die Nacht“, Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

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