USA-Talk bei "Maybrit Illner" Wenn das Wort „Befürchtungen“ nicht mehr passt

Düsseldorf · Die USA sind für die Talkrunde bei „Maybrit Illner“ nicht nur wegen des Wahlkampfes ein spannendes Thema. Die Gäste schauen auch auf tieferliegende Vorstellungen von Gesellschaft und Demokratie.

 Die Talkrunde bei „Maybrit Illner“ am 1. Oktober 2020.

Die Talkrunde bei „Maybrit Illner“ am 1. Oktober 2020.

Foto: ZDF

Bei „Maybrit Illner“ diskutieren die Gäste am Donnerstagabend zum Thema „Wahl, Wut, Verschwörung – was, wenn Trump bliebe?“

Die Gäste:

  • Sigmar Gabriel, Ex-Außenminister
  • Marina Weisband, Publizistin
  • Claus Kleber, Journalist
  • Jana Puglierin, Politikwissenschaftlerin
  • Peter Rough, Politikberater und Parteimitglied der Republikaner

Darum ging’s:

Gut einen Monat vor der Präsidentschaftswahl in den USA versuchen die Talkgäste, Hintergründe für die Stimmung in den USA zu finden. Dabei hilft auch ein US-Republikaner.

Der Talkverlauf:

Seit Jahrzehnten hat der TV-Journalist Claus Kleber über die Präsidentschaftswahlen in den USA berichtet, aber nun, so sagt er, müsse er ein Wort finden, das schlimmer sei als ‚Befürchtungen‘“. Eine etwaige Wiederwahl Donald Trumps sieht er dabei nicht als das schlimmste Szenario – sondern einen Zusammenbruch des gesellschaftlichen Systems. Als ein Indiz für einen unzivilisierten Umgang des US-Präsidenten mit dem Wahlergebnis sieht er etwa in dessen Weigerung, den Einsatz von Mitteln wie der Mobilisierung bewaffneter Milizen auszuschließen.

Da wiegelt der US-Politikwissenschaftler Peter Rough ab, der Mitglied der republikanischen Partei ist. „Wir sind ja nicht in Mali“, sagt er. „Was soll er denn tun, sich einbunkern?“ Er erinnert daran, wie wichtig bei den Geschäften des US-Präsidenten dessen Image und Name ist. Deshalb hält Rough die Vorstellung für absurd, Trump würde sich mit bewaffneten Banden in den Kampf gegen den Staat begeben – der Imageverlust würde seiner Marke zu sehr schaden. Rechtsextreme Gewalt in den USA besorgt Rough zudem weniger als Sachbeschädigungen durch Linksradikale.

Doch damit kommt er nicht durch. Die Publizistin Marina Weisband sagt, es sei eine Strategie der Republikaner, ein Äquivalent zu suggerieren zwischen den Menschen, die Sachbeschädigung begehen aus Wut darüber, dass Menschen in ihren Betten von Polizisten ermordet werden, und jenen Menschen, die losziehen und andere für das töten, wer sie sind, wie sie geboren wurden.

Kleber führt an, dass er bereits vor 30 Jahren in den USA Filme über Gruppen gemacht habe, die am Wochenende mit scharfen Waffen im Wald dafür üben, einen „Unrechtsstaat“ zu stürzen. „Es ist eindeutig so, dass rechts-nationale Kräfte in den USA besser organisiert, bewaffnet und geübt sind.“ Deshalb sehe man die rechtsextreme Gruppe „Proud Boys“ bei Demonstrationen auch besser bewaffnet aufmarschieren als die Polizeieinheiten.

Warum solche Kräfte in den USA Zulauf finden, beschäftigt die Runde für eine Weile; sie sind einig, dass dies keine neue Entwicklung ist. Ex-Außenminister Sigmar Gabriel glaubt: „Schon Obama wurde als jemand gewählt, der gegen das Establishment ist.“ An Rough gerichtet, besser gesagt, „an den Politikwissenschaftler, als der Sie ja eingeladen sind“, zeigt sich Gabriel entsetzt über die Leichtigkeit, mit der er über etwas hinweggehe, das „Grundlagen unserer demokratischen Verfasstheit berührt“: Dass der US-Präsident keine klare Antwort auf die Frage gebe, ob er ein Wahlergebnis akzeptiere oder nicht.

Rough wiegelt ab. Er habe ja nur die Reaktionen wiedergegeben, sagt er. Er sähe das nicht mit Leichtigkeit, und im Übrigen habe Trump nicht die Mittel, das Wahlergebnis zu ignorieren. „Wenn es aus ist, ist es aus“, sagt der Republikaner.

Doch die Politikwissenschaftlerin Jana Puglierin erinnert ihn an die Bedingungen: „Das stimmt nur bei einem eindeutigen Ergebnis.“ Stattdessen könnten Monate vergehen, ehe das Wahlergebnis bekannt ist, einhergehend mit einer Chance für Trump, die Auszählung zu hinterfragen, und allmählich die Glaubwürdigkeit der Wahl zu untergraben.

Weitere Trumpsche Skandale würden da nach Ansicht der Talkrunde auch nichts ändern. „Durch Entlarvung ist er völlig unverwundbar“, sagt die Publizistin Marina Weisband. Was Trump sage, ziele darauf ab, den Status Quo zu zerstören. Und in den USA fehlten beiden Parteien die Antworten auf die Fragen des 21. Jahrhunderts. Was dagegen helfe, sei eine Gegenansage – eine Vision: So wollen wir die Welt. Auf dieser Idee beruht auch Weisbands Hoffnung. „Wir leben in einer Zeit der internationalen Innenpolitik“, so Weisband. Wenn sich rechte Hassgruppen unter anderem über soziale Medien bis nach Deutschland verständigen könnten, dann könnte die Weltgemeinschaft sich auch mit einer positiven Vision zusammentun.

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