„Tatort“ aus Münster Undank ist der Welpen Lohn

Münster · Ablenkung vom Weltgeschehen bietet der außergewöhnlich überdrehte „Tatort“ aus Münster mit Axel Prahl und Jan Josef Liefers als Thiel und Boerne – und einem frechen Hund.

 Thiel (Axel Prahl, rechts) beschleicht ein ungutes Gefühl: Ist sein Quasi-Partner Boerne (Jan Josef Liefers) zu allem Überfluss auch noch unter die Verschwörungsgläubigen gegangen?

Thiel (Axel Prahl, rechts) beschleicht ein ungutes Gefühl: Ist sein Quasi-Partner Boerne (Jan Josef Liefers) zu allem Überfluss auch noch unter die Verschwörungsgläubigen gegangen?

Foto: dpa/Thomas Kost

Nach zwei Jahren Corona-Pandemie und mehr als einer Woche Krieg in Europa ist Ablenkung durch Unterhaltung maximal notwendig. Etwas Eskapismus von der Gesamtheit der schlimmen Nachrichten aus der Weltpolitik, Seuchenbekämpfung und womöglich auch dem eigenen Arbeits- und Privatleben. Wochenende heißt im Zweifelsfall: Zeit für Fußball oder Mord und Totschlag im Fernsehen. Letzteres mag man drollig finden oder zum Schulterzucken, seltsam oder gar geschmacklos – es ist, wie es ist. Und das Spektrum ist ja auch breit: Das eine Ende der Skala bildet das Genre „True Crime“, mit dem Extra-Gruselfaktor der meist reißerischen Nacherzählung tatsächlicher, mehr oder weniger lange zurückliegender Kapitalverbrechen. Das andere Ende markiert der berühmt-berüchtigte „Schmunzelkrimi“ à la „Mord mit Aussicht“, was man in nicht geringerem Maße entweder mögen oder verabscheuen muss; dazwischen ist nicht viel.

Der Sonntagabendkrimi oszilliert zwischen diesen Polen. Vor zwei Wochen erst kam der besonders düstere Dortmunder Fall „Liebe mich“, aber diesen Sonntag ist – zum Glück – das Kontrastprogramm angesagt: Zum 41. Mal ermitteln Thiel und Boerne, die unangefochtenen Könige des Quatsch-Krimis. Münster also. Eine Stadt vor unserer Zeit. Es wird absurd, abgedreht, albern – auf bunte, locker-leichte Art.

Boerne erwacht auf einer Bowlingbahn – modetechnisch und auch körperlich arg lädiert. Auf dem Heimweg folgen ihm zwei maximal mysteriöse Menschen. Und noch bevor der rigorose Rechtsmediziner die beiden identifizieren kann, wird er von Udo Kayser (Matthias Komm) als Geisel genommen, seines Zeichens Fleischer und Verschwörungsgläubiger. Thiel und Boer­ne sollen sterben, brüllt er, denn: „Ihr seid Kollaborateure der außerirdischen Besatzungsmacht!“ Neben einer Pistole hat er auch noch einen Sprengstoffgürtel dabei. Das Ganze filmt und sendet er natürlich im Livestream. „Ab heute wird das Volk der Erwachten zurückschlagen!“, faselt er.

Und die halbe Welt sieht zu, im neuen hippen sozialen Netzwerk „Bla“. Dort hat eine mysteriöse Figur namens „Der Prophet“ neben dem Geiselnehmer rund 15.000 weitere eifrige Jünger um sich geschart. Die Geheimagenten „Muster“ und „Mann“ (Daniela und Melanie Reichert) vermuten, dass Boerne dazu zählt – oder gar selbst der Anführer ist. Allen Tierfreunden sei verraten: Auch ein putziges Hündchen spielt eine wichtige Rolle. Das kecke Tier läuft Thiel zu, denkt aber nicht daran, sich vom geduldigen Kommissar domestizieren zu lassen. Man kennt das: Undank ist der Welpen Lohn.

 Die Geheimagenten Mann (Daniela Reichert) und Muster (Melanie Reichert).

Die Geheimagenten Mann (Daniela Reichert) und Muster (Melanie Reichert).

Foto: dpa/Thomas Kost

Das Drehbuch von Astrid Ströher, die einst an der Düsseldorfer Kunstakademie Malerei studiert hat, ist gelungen grotesk. Die Regie von Sven Halfar muss man mögen. Auf die Frage nach der größten Herausforderung antwortete er: „In der Inszenierung die Balance zu halten. Die Figuren in ihrem Dilemma ernst zu nehmen. Die Dialoge und Situationen haben oft dazu verleitet, über die Stränge zu schlagen. Für mich liegt in der Ernsthaftigkeit die Komik.“ Diese Aussage mag angesichts des Ergebnisses erstaunen; spätestens die beiden bizarren Agentinnen fallen völlig aus dem Rahmen. Aber was soll’s. Es ist ja nur ein Film.

Über die wenig lustigen Folgen des Verschwörungswahns in der echten Welt – namentlich bei Corona und im Krieg – reden wir ein andermal.

„Tatort: Propheteus“, So., 20.15 Uhr, Das Erste

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