TV-Talk mit Maybrit Illner „Die Auto-Industrie tanzt der Politik auf der Nase herum“

Düsseldorf · Das Diesel-Paket der Regierung war am Abend Thema bei Maybrit Illner im ZDF. Begeisterung kam über die Pläne zu Rabatten und Nachrüstung nicht auf. Die Gäste kritisierten vor allem die Autohersteller, die Verbesserungen endlich ernster nehmen müssten.

 Die Runde bei Maybrit Illner.

Die Runde bei Maybrit Illner.

Foto: Screenshot/ZDF

Das Thema

Die Bundesregierung hat ihr Diesel-Konzept vorgelegt, das Umtausch und Nachrüstung vorsieht und weder Steuerzahler noch Dieselfahrer belasten soll. Wer seinen alten Wagen mit der Abgasnorm Euro 4 oder 5 abgibt und dafür ein saubereres Fahrzeug - neu oder gebraucht - kauft, soll von den Herstellern eine Prämie bekommen. Maybrit Illner wollte am Abend im ZDF von ihren Gästen wissen: Werden die Hersteller mit einem Konjunkturprogramm belohnt, statt für Fehler bestraft? Ist die Politik ein weiteres Mal vor den Konzernen eingeknickt?

Die Gäste

  • Annalena Baerbock, Parteivorsitzende, Bündnis 90/Grüne
  • Bernd Althusman, stellv. Ministerpräsident Niedersachsen (CDU) und Mitglied im VW-Aufsichtsrat
  • Florian Pronold, Staatssekretär im Bundesumweltministerium, SPD
  • Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft
  • Klaus Müller, Vorstand der Verbraucherzentralen
  • Uwe Hochgeschurtz, Vorstandsvorsitzender der Renault Deutschland AG
  • Matthias Schmitz, VW-Diesel-Geschädigter

Der Frontverlauf

Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer steigt hart ein. Er nennt den Diesel-Kompromiss der Bundesregierung ein “halbgares Konzept”, mit dem sich die Bundesregierung nun nach drei Jahren an die Öffentlichkeit wage. Man hätte die Autobauer früher einbeziehen müssten. „Wenn man von vornherein überlegt hätte, wie man Hardware-Nachrüstungen umsetzen könnte, wäre man heute viel weiter.“ Dass diese Nachrüstung wirklich ins Laufen komme, bezweifelt er.

Auch der Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock fehlen gesetzliche Regeln für eine Hardware-Nachrüstung, für deren Kosten ihrer Ansicht nach die Konzerne aufkommen sollten. Es müssten „politische Leitplanken“ gesetzt werden. „Seit drei Jahren wissen wir, dass ein Betrugsfall vorliegt”, sagt sie in Anspielung auf die Schummelsoftware, die Abgaswerte verfälscht hat. „Jetzt so zu tun und zu sagen: 'Ach nee, so richtig betrogen haben wir nicht', geht vollkommen an der Realität vorbei“, schimpft die Grüne, für die das Problem nicht nur eine Frage von sauberer Luft ist. Sie beklagt einen „massiven Vertrauensverlust in die Demokratie“ und klagt: „Die Automobilindustrie tanzt der Politik auf der Nase herum.“

Ein Vertreter der deutschen Automobilindustrie sitzt nicht in der Runde, zwar habe sich das ZDF „die Finger wund telefoniert“, aber niemand habe sich gefunden, bedauert Moderatorin Illner. SPD-Mann Pronold hat dafür kein Verständnis. Die Automobilindustrie habe sich ins eigene Fleisch geschnitten, nun gingen die Verkaufszahlen zurück. „Ich verstehe nicht, warum Vertreter der deutschen Automobilindustrie sich nicht hierher trauen und sich dem Mist stellen, den sie angerichtet haben.“

Getraut hat sich Bernd Althusman, CDU-Politiker und Mitglied im VW-Aufsichtsrat, und er stimmt zu: Das Wiederherstellen von Vertrauen sei jetzt wichtig. VW sei ja auch bereit, den Kunden mit Umtauschprämien entgegenzukommen. Der Konzern werde auch bei der Hardware-Nachrüstung mit einsteigen - allerdings erst, wenn die anderen deutschen Hersteller dazu auch bereit seien.

Verbraucherschützer Klaus Müller hat für diese Haltung kein Verständnis: „Da versteckt sich einer hinter dem anderen. Wenn VW voranginge, würden die anderen nachziehen.“ Auch Kunden wie Matthias Schmitz im Publikum, der kürzlich 38.000 Euro für einen VW Tiguan mit Dieselmotor ausgegeben hat, überzeugt das nicht. Er will den Konzern verklagen und bis dahin dem Beispiel der Firmen folgen: „Das Problem aussitzen.“

Uwe Hochgeschurtz, Vorstandsvorsitzender von Renault Deutschland, verteidigt die Rabatte, die sein Konzern anbietet: Je nach Fahrzeug können Kunden zwischen 2.000 und 10.000 Euro bekommen, letztere Summe, wenn sie ein Elektroauto kaufen. „Das ist die schnellste Lösung, sofort saubere Autos auf die Straße zu bekommen.“

Maybrit Illner fragt sich, warum die Konzerne eigentlich keine sonderliche Angst vor Verlusten durch verärgerte Reaktionen ihrer Kunden hätten. Für den Autoexperten Dudenhöffer ist diese Vertrauenskrise kein sehr starkes Motiv für die Konzerne: „In China werden 25 Millionen Autos verkauft, in Deutschland drei Millionen.“

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