Karin Hollerbach-Zenz TV-Quote im digitalen Zeitalter

Obwohl Sendungen mehr in Mediatheken und über Streaming-Dienste gesehen werden, fließen diese Daten nicht mit ein.

Düsseldorf Die Art des Fernsehkonsums hat sich verändert. Viele Zuschauer machen ihr Programm selbst - mit Hilfe von Mediatheken oder Streaming-Diensten. Was heißt das für die Quotenerfassung? Ein Gespräch mit Karin Hollerbach-Zenz, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF), die die Quoten erhebt.

Hat sich das bisherige System der Quotenerfassung überholt?

Karin Hollerbach-Zenz Nein, überhaupt nicht. Die Nutzung von klassischem Fernsehen wird von der AGF seit über 25 Jahren gemessen und ausgewiesen - daran wird sich auch im digitalen Zeitalter nichts ändern. Natürlich wurde und wird unser Forschungsansatz immer aktuell gehalten und dazu kontinuierlich an technische Weiterentwicklungen des Fernsehens angepasst. Beispielsweise auf neue Empfangsmöglichkeiten ausgerichtet. So misst die AGF etwa seit 2009 auch die zeitversetzte Nutzung von TV-Inhalten oder den TV-Konsum außer Haus und seit über drei Jahren auch IP-TV.

Wie sieht es bei Videos aus?

Hollerbach-Zenz Auch auf die zunehmende Beliebtheit von Videoinhalten, die online abrufbar sind, hat die AGF reagiert. Hierfür haben wir einen eigenständigen Forschungsansatz parallel zur TV-Messung aufgebaut. Die dabei erhobenen Streamingdaten zeigen beispielsweise, wie oft der letzte "Tatort" oder "The Voice of Germany" über die Mediathek abgerufen wurden und welche Zuschauergruppen die Sendungen online gesehen haben.

Wie wird die TV-Quote heute erhoben?

Hollerbach-Zenz An der Erhebung der TV-Quote hat sich durch den Aufbau des Streamingansatzes nichts verändert. Von rund 5000 Testhaushalten mit über 10.500 Personen steht uns täglich die Messung ihrer Fernsehnutzung zur Verfügung. Die Teilnehmer melden sich über ihre individuelle Personentaste auf der Fernbedienung an, sobald sie fernsehen - und auch wieder ab. Die Daten werden tagesaktuell ausgewiesen und repräsentieren die gesamtdeutsche Bevölkerung.

Fließen die Zahlen der Mediatheken mit in die TV-Quote ein?

Hollerbach-Zenz Nein. Allerdings wird in Kürze die TV-Quote mit den Streamingdaten zusammengeführt und eine audiovisuelle Gesamtreichweite auf Formatebene ausgewiesen. Dies ist aber ein zusätzliches Feature. Es ändert sich nichts daran, dass auch künftig die TV-Reichweiten und die Streamingdaten vorrangig separat ausgewiesen werden.

Wird die Reichweite einer TV-Produktion nicht verzerrt wiedergegeben, wenn die Abrufe über Mediatheken nicht berücksichtigt werden?

Hollerbach-Zenz Nein, denn künftig wird beides möglich sein. So gibt es für einen Bewegtbildinhalt die TV-Reichweite, die Streamingdaten und die zusammengeführte audiovisuelle Gesamtreichweite. Damit kann jeder die Datenbasis wählen, die er wünscht.

Hat die Kombination von TV-Quote und Online-Quote möglicherweise Auswirkungen auf Werbepreise?

Hollerbach-Zenz Die AGF ist für die Messung und Ausweisung valider Leistungsdaten zuständig. Inwiefern sich die neuen Daten auf die Werbepreise auswirken können, müssten Sie bei den Vermarktungstöchtern der Sender erfragen.

Wie sieht es bei mobilen Geräten aus?

Hollerbach-Zenz Zur Messung der mobilen Nutzung läuft aktuell ein Pilotprojekt. Wir planen, mit der Ausweisung dieser Daten noch in diesem Jahr zu starten. Sie werden ebenso in die audiovisuelle Gesamtreichweite einfließen.

Welche Änderungen sind noch geplant (z. B. kostenfreie Veröffentlichung der Daten durch die AGF) des Projekts Videostreaming-Messung?

Hollerbach-Zenz Eines steht fest: 2016 wird unser Jahr der Bewegtbildforschung auf allen Plattformen und es wird viel passieren. So werden wir Daten zur mobilen Video-Nutzung bekommen und es wird die audiovisuelle Reichweite geben.

J. ISRINGHAUS FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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