TV-Nachlese zu „Hart aber fair“ „Es wird ein Sommer der Überraschungen“

Köln · Die Sommerferien stehen vor der Tür, aber das große Flughafenchaos gibt es schon jetzt. Wie können die Probleme behoben werden? Und sollten sich Urlauber in diesem Sommer besser den Ärger sparen? Um diese Fragen ging es bei der Talkshow „Hart aber Fair“.

 Die Talkrunde bei "Hart aber Fair" am 20.06.2022 (Screenshot).

Die Talkrunde bei "Hart aber Fair" am 20.06.2022 (Screenshot).

Foto: ARD Mediathek

Das Thema der Talkshow am Montagabend war die Frage: „Flugausfälle, Personalmangel, Teuer Urlaub: Ist das Ferienchaos noch vermeidbar?“

Die Gäste:

  • Claudia Müller, Politikerin (B‘90/Grüne): Bundestagsabgeordnete, Koordinatorin der Bundesregierung für Maritime Wirtschaft und Tourismus
  • Matthias von Randow: Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL)
  • Amelie Fried: TV-Moderatorin und Buchautorin
  • Ute Dallmeier: Geschäftsführerin eines Reisebüros, Präsidiumsmitglied „Deutscher Reise-Verband“ (DRV)
  • Dirk Schümer: Europakorrespondent „Die Welt“
  • Wolfgang Schuldzinski: Vorstand der Verbraucherzentrale NRW - im Einzelgespräch

Darum ging‘s:

Um die nach der Corona-Pandemie angeschlagene Tourismusbranche, Personalmangel und Chaos an Flughäfen und gestiegene Preise

Die Talk-Highlights:

Am Freitag starten die Kostenpflichtiger Inhalt Sommerferien in Nordrhein-Westfalen - aber schon vor dem Start der Hauptsaison gibt es Chaos an den deutschen Flughäfen. Dabei sei noch nicht einmal das Niveau von Vor-Corona-Zeiten erreicht, sagt Ute Dallmeier, die mehrere Reisebüros führt. Der Buchungsstand liege im Vergleich bei 70 Prozent. Da kann es überraschen, dass die Flughäfen auf die Zahl der Passagiere offenbar nicht vorbereitet zu sein scheinen.

Grünen-Politikerin und Tourismus-Koordinatorin der Bundesregierung Claudia Müller rechnet mit „einem Sommer voller Überraschungen“. Bestimmte Entwicklungen seien nicht abzusehen. Aber die Flughäfen seien vorgewarnt und Fluggäste sensibilisiert, um beispielsweise frühzeitig am Airport zu sein oder online einzuchecken. Moderatorin und Autorin Amelie Fried möchte sich den Stress dennoch ersparen - sie hat sich sogar ein Hybrid-Auto angeschafft, um mit besseren Gewissen dieses Jahr mit dem Auto in den Italienurlaub zu fahren.

Die Fluggesellschaften hätten sich selbstverständlich auf den Sommeransturm vorbereitet, sagt Matthias von Randow. Moderator Frank Plasberg stellt dann aber die Frage, warum Airlines dann ausgerechnet jetzt hunderte Flüge streichen würden. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft erläutert, dass der Luftverkehr zwei Jahre lahmgelegt war. Personal hätte entlassen werden müssen, viele Menschen hätten sich neue Jobs gesucht, weil sie sich gefragt hätten, ob diese Branche ihnen noch eine Zukunftsperspektive biete. Die bestehenden Mitarbeiter seien aber motiviert, sagt von Randow: „Sie dürsten danach, den Reisenden zu helfen.“

Claudia Müller kann das Chaos mit Flugverspätungen und -ausfällen dennoch nicht verstehen, denn überall gebe es seit der Pandemie Personalprobleme. Als Beispiele nennt sie die Gastronomie oder das Hotelgewerbe. Das bestätigt Ute Dallmeier. In ihren Reisebüros sei niemand entlassen worden, Mitarbeiter hätten aber von sich aus gekündigt. „Es ist ein reines Krisenmanagement – wir machen seit drei Jahren nichts anderes als immer wieder neues Krisenmanagement und das überfordert den ein oder anderen.“

Welt-Korrespondent Dirk Schümer sagt, dass die Jobs in der Tourismus-Branche saisonal und befristet sind - und das sei das Problem. „Die Leute haben oft keine Wochenenden, keine Abende, die sind saisonal ganz stark gewollt in den Sommermonaten und dann ist wieder gar nichts. Das sind Menschen, die kann man nicht einfach hochfahren.“

Wie lässt sich das Personalproblem lösen? Man habe teilweise frühere Mitarbeiter zurückholen können und sich nach neuen Beschäftigten umgeschaut, sagt von Randow. Jedoch sei der „deutsche Arbeitsmarkt leer gefegt“, sagt der Luftfahrtbranchen-Chef. Deshalb werde auch im Ausland gesucht. Etwa 2000 Interessenten habe man in der Türkei gefunden. Damit die eingestellt werden könnten, bedürfe es einer Sondergenehmigung des Bundes. Claudia Müller bestätigt, dass sich bereits die zuständigen Ministerien damit beschäftigten. Für die aktuelle Sommersaison wird es aber wohl kaum noch reichen.

Ein großes Problem in diesem Reise-Sommer sind aber auch die Sicherheitskontrollen. Verantwortlich für die Sicherheit ist die Bundespolizei. Doch die Beamten führen die Kontrollen nicht mehr selbst durch, sondern private Sicherheitsunternehmen. Aber auch bei ihnen fehlt es an Personal. Die Ausbildung dauert lange, es gibt hohe Durchfallquoten und auch der Schichtdienst schreckt ab. Von Randow sagt, die Kontrollen müssen vor allem „sicher und effizient“ gemacht werden. Ein Vorschlag: Die Bundespolizei behält die Aufsicht über die Kontrollen, die Organisation dieser übernimmt aber der Flughafen, also Leute, die sich mit den Vorgängen auskennen. Das wird aber wohl auch erst im kommenden Sommer umsetzbar sein.

Chaos am Düsseldorfer Flughafen: Ein Rückblick auf die letzten Jahre - Fotos
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Chaos am Düsseldorfer Flughafen - ein Rückblick auf die letzten Jahre

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Foto: dpa/Henning Kaiser

Auch das Thema Annullierungen sorgt für Ärger. Wird ein Flug gestrichen, steht den Reisenden zumindest die Rückzahlung des Flugtickets zu. Von Randow betont, dass die deutschen Fluggesellschaften sich bemühten, die Kommunikation schnell und digital durchzuführen. Dallmeier erlebt in ihren Reisebüros jedoch oft, dass es langwierig und aufwendig ist, das Geld zurückzuholen. „Es gibt Airlines, die sich bemühen. Wir müssen aber auch einige Airlines verklagen“, sagt Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW. Für Fälle, in denen die Kommunikation mit den Fluggesellschaften scheitert, hat die Verbraucherzentrale NRW mit der Landesregierung die App „Flugärger“ entwickelt. Diese soll prüfen, ob ein Reisender Geld zurückbekommt, wenn zum Beispiel der Flug gestrichen, nicht erreicht wurde oder das Gepäck verschwunden ist. Die von der App errechnete Summe kann man dann von der Fluggesellschaft zurückfordern.

Sollte man in diesem Sommer überhaupt noch eine Flugreise planen? „Viele Flugreisen klappen. Leider, viele klappen auch nicht. Das muss schon jeder selbst entscheiden, welches Risiko er da eingeht“, sagt Schuldzinski. Für die Zukunft malt Schümer ein angesichts der steigenden Preise ein düsteres Bild: „Die Preise werden immer mehr gering verdienende Menschen herauskegeln.“

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