Fall Amthor Thema bei Lanz „Junge, das tut man nicht“

Düsseldorf · Wolfgang Bosbach hält mit seiner Meinung über die Lobby-Arbeit von seinem CDU-Parteikollegen Philipp Amthor nicht hinterm Berg. Hendrik Streeck spricht über Lernkurven und Pragmatismus.

 Markus Lanz diskutiert im ZDF mit Hendrick Streeck, Wolfgang Bosbach, Karoline Preisler und Joshua Kwesie Aikins.

Markus Lanz diskutiert im ZDF mit Hendrick Streeck, Wolfgang Bosbach, Karoline Preisler und Joshua Kwesie Aikins.

Foto: Screeenshot ZDF/Screenshot ZDF

Darum ging es

Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach straft das Verhalten seines jungen Parteikollegen Philipp Amthor als ungehörig ab. Virologe Hendrik Streeck erklärt, warum sich Viren ausgerechnet in Schlachthöfen gut verbreiten können. Die Runde spricht über Corona-Hetze, Rassismus und die Polizei.

Die Gäste

  • Wolfgang Bosbach, CDU-Innenpolitikexperte 

  • Hendrik Streeck, Virologe

  • Karoline Preisler, Juristin
  • 
Joshua Kwesi Aikins, Politologe und Menschenrechtsaktivist

Der Talkverlauf

Wolfgang Bosbach sagt, wie überrascht er vom Fehler seines Parteikollegen Philipp Amthor war, der derzeit wegen Lobby-Arbeit in der Kritik steht. “Es gibt im Leben ja nicht nur zwei Kategorien: erlaubt und verboten”, so der Innenpolitiker. “Es gibt auch die Kategorie “Das tut man nicht.’” Es sei nichts dagegen einzuwenden, wenn man sich als Politiker dafür einsetze, dass eine Firma, die Produkte zu künstlicher Intelligenz entwickelt, in Deutschland Fuß fassen könne. Problematisch sei aber, wenn ein Bundestagsabgeordnete dadurch persönliche Vorteile habe - etwa indem er später durch seine Aktienoptionen Gewinne mache.

“Wir brauchen nicht nur künstliche Intelligenz, wir brauchen auch natürliche Intelligenz”, klagt Bosbach. “Ich muss doch eigentlich nicht erst in die Verhaltensvorschriften für Abgeordnete gucken, um zu sehen: ich kann doch nicht des eigenen wirtschaftlichen Vorteils zuliebe eine Verbindung herstellen zwischen einem Unternehmen und der Politik.”

Zu klären, ob es um Bestechlichkeit oder Bestechung gehe, überlässt Bosbach gern den Strafverfolgungsbehörden. “Mir geht es um den politischen Eindruck, der erweckt wird, innerhalb des Politikbetriebes und gegenüber der Öffentlichkeit”, sagt er, denn die habe Politiker ja ohnehin latent im Verdacht, eigene wirtschaftliche Interessen vor dem Interesse des Bürgers zu sehen. “Das schadet dem Ansehen der gesamten Politik.”

Lanz gibt ihm recht. Es sei fatal wenn der Eindruck entstehe, man müsse nur gerissen genug sein, sich haarscharf an der Grenze des juristisch Möglichen bewegen nach dem Motto: “Dann kann dir nix passieren.”

Genau diese Haltung, stößt Bosbach übel auf. “Das hängt wahrscheinlich auch mit der Erziehung zu tun. Meine Mutter würde auch heute noch zu mir sagen “Junge, das tut man nicht.” Als Mandatsträger des Bundestages müsse man selbst die Antenne haben, zu wisen was geht und was sich einfach nicht gehöre.

Vom Virologen Hendrik Streeck will Lanz wissen, wie er die Vorgänge in der Großschlachterei Tönnies beurteilt, wo ein großer Coronavirus-Ausbruch festgestellt wurde. Für Streeck zeigt der Vorfall “die Launen der Natur”. Zugleich könne man aus dem Ausbruch sehr viel lernen. Aufgefallen sei die hohe Infektionsrate bei einer Routineuntersuchung, nicht im Krankenhaus, daher handle es sich um eher milde Symptome bei den Erkrankten. Zweitens sei für den Lernerfolg interessant, dass wieder eine Schlachterei betroffen sei. “Wir wissen, das ist es kalt und laut und man muss schreien”, führt Streeck aus. “Und wir wissen, dass sich durch Kälte auch Aerosole, Viren und Feuchtigkeitströpfen viel länger in der Luft halten können und dadurch eine bessere Übertragung stattfinden kann.”

Man müsse nun abwarten und die Ergebnisse aufarbeiten, könne aber davon ebenso lernen wie von anderen, älteren Coronaviren, mit denen der Mensch schon seit Jahrhunderten Kontakt hat. Wichtig sei außerdem zu realisieren, dass das Virus vermutlich nicht verschwinde. “Wir sind keine Insel”, sagt Streeck, “es wird Teil unseres Alltags werden.” Wichtig sei zu lernen damit umzugehen. Daraus dass zehn Prozent der Infizierten für 80 Prozent der Ausbrüche verantwortlich sei folgert er, dass sinnvoll bleibt Großveranstaltungen vorerst zu meiden, vor allem in geschlossenen Räumen.

Zu Lanz Frage, ob das neuartige Coronavirus denn nun ein Killervirus sei oder nicht, hält sich der Virologe bedeckt: “Es ist eine Gratwanderung, wir müssen es ernst nehmen, dürfen es aber nicht überdramatisieren”, rät Streeck. Die situative Entscheidung von der Regierung zu sagen: “Wir hauen da mit ‘nem Hammer drauf und stoppen alles” sei richtig gewesen. Nach den bisherigen Erkenntnissen könne man aber - ohne es zu bagatellisieren - anfangen, “einen pragmatischeren Blick darauf zu werfen.”

Mit Pragmatik in der Bevölkerung wäre vermutlich auch der Mecklenburgerin Karoline Preisler geholfen, die bereits vor zweieinhalb Monaten bei Lanz zu Gast war und über den schweren Verlauf ihrer eigenen Covid-19 gesprochen hatte. Seither spürt sie außer körperlichen Nachwirkungen - ihr fallen die Haare derzeit büschelweise aus - vor allem die sozialen Folgen der Erkrankung. Wie man ihre zeitweilig begegnet sei, habe die Juristin daran erinnert, dass “die Hexenverbrennungen noch nicht so lange her” seien.

Sie wurde nach überstandener Quarantäne im Supermarkt als Virenschleuder beschimpft, in sozialen Netzwerken als jene gebrandmarkt, “die die Seuche in die Stadt gebracht” habe. Auch ihre Kinder seien von anderen Kindern ausgegrenzt worden. Auch da sei offenbar dringlich noch ein Lernprozess nötig.

Zum Schluss lässt Markus Lanz noch einmal den “halb verunglückten Satz” von SPD-Politikerin Saskia Esken diskutieren. Joshua Kwesi Aikins findet, dass Wort “latent” führe auf die falsche Fährte. Andererseits wäre verwunderlich, wenn man sagen könne, die Polizei sei völlig frei von Rassismus. Anschauen müsse man sich nach Ansicht des Politologen die “institutionell verankerte Form von Rassismus.“ Stereotype Zuweisungen sorgten für Spaltungen und hätten möglicherweise auch damit zu tun, dass die rechtsnationale NSU so lange unbehelligt Gewalttaten verüben könnten.

Bosbach hat an Eskens Worten vor allem gestört, dass sie einen Bezug zur US-Polizei hergestellt hat, was er für ungerechtfertigt hält: “Ich habe Vertrauen zu unserer Polizei.”

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