Köln TV-Köche brutzeln seit 60 Jahren

Köln · Clemens Wilmenrod machte in den 50er Jahren den Anfang. Heute frönt keiner dem Trend so wie Vox.

Man muss schon ein bisschen älter sein, um sich an Clemens Wilmenrod zu erinnern. Die kulinarischen Meriten des Fernsehkochs umfassen den Toast Hawaii, das Arabische Reiterfleisch und die Gefüllte Erdbeere. Ungleich größer sind jedoch die Spuren, die der gelernte Schauspieler als Moderator hinterlassen hat. Laut Legende hat Wilmenrod einst die Kochshow erfunden, als ihm in den frühen 50ern angesichts der Nahaufnahmen in einem TV-Tierfilm durch den Kopf ging, dass die Zubereitung eines schmackhaften Gerichts womöglich noch spannender sein könnte. "Clemens Wilmenrod bittet zu Tisch" hieß die Reihe, die der NDR als Vorläufer der ARD ab 1953 elf Jahre lang zeigte. Seither vergeht gerade in den dritten Programmen kein Tag ohne Kochsendung. Menschen wie Sarah Wiener, Johann Lichter, Horst Lafer oder Tim Mälzer sind auf diese Weise ähnlich berühmt geworden wie Wilmenrod.

Kein Sender frönt dem Kochen jedoch so sehr wie Vox; die jüngste Kochsendung heißt "Game of Chefs", gesucht wird das Kochtalent des Jahres. Die erste Folge erzielte jedoch Quoten deutlich unter dem Senderschnitt: Durchschnittlich sahen gerade einmal 1,04 Millionen die zweistündige Ausstrahlung, womit ein viel zu schwacher Marktanteil von 3,3 Prozent einherging. Während die Show dank des Wettstreits jedoch einen gewissen sportlichen Reiz hat, haben die meisten anderen Kochsendungen nicht viel mehr zu bieten als Menschen, die eine Mahlzeit zubereiten und dabei vor allem viel reden. Aber was ist daran so spannend?

Um die Frage zu beantworten, muss Medienwissenschaftler Gerd Hallenberger ein wenig ausholen. Die Geschichte der Kochsendungen bestehe im Wesentlichen aus drei Etappen: "In den frühen 50er Jahren stand angesichts des Nahrungsmangels die Frage im Vordergrund, wie man aus den wenigen Lebensmitteln, die es zu kaufen gibt, dennoch schmackhafte Mahlzeiten zubereitet. Exotische Importe, wie sie für uns heute selbstverständlich sind, waren Mangelware; was auf den Tisch kam, musste reichlich sein und viele Kalorien enthalten. Im Wohlstandsjahrzehnt der 70er stand kalorienbewusstes Kochen im Vordergrund, die Rezepte wurden origineller, aber in den Fernsehsendungen ging es immer noch in erster Linie um die Zubereitung von Gerichten." Im Zeitalter des Single-Haushalts und der Mikrowelle sei Kochen Mittel zum Zweck und werde vor allem als "sozialer Event" mit der Familie oder mit Freunden betrachtet. "Die Nahrungsaufnahme, eigentlich ja das Ziel jedes Kochens, ist quasi nur noch ein willkommener Nebeneffekt."

Das spiegelt sich in den Sendungen wider: Kochen wird von der Talkshow bis zur Spielshow mit allen möglichen TV-Genres kombiniert. "Das perfekte Dinner" (Vox) ist Essen in einer Spielshow-Inszenierung. Kochshows, erklärt Hallenberger, "sind das Ergebnis eines klassischen und vertrauten Ausdifferenzierungsprozesses von Genres". Nach Ansicht des Medienwissenschaftlers steckt hinter den Kochshows der Hunger nach etwas Anderem: "Es gibt ja verschiedene Formen des Hungers, und einige sind durch die reine Nahrungsaufnahme nicht zu befriedigen, etwa das Bedürfnis nach Geselligkeit. Für beides steht ein Essen mit guten Freunden, für das man sich in der Regel Zeit nimmt."

(RP)
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