London Autoshow "Top Gear" bald auf Netflix?

London · Nachdem die BBC Moderator Jeremy Clarkson gefeuert hat, ist die Zukunft der weltbesten Autosendung ungewiss.

Die besten Sprüche aus "Top Gear"
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Foto: afp

Es klingt absurd: Man muss keine Autos mögen, um sich für die PS-Show "Top Gear" zu begeistern. Es schadet nicht, aber es hilft nur bedingt. Denn das weltweit erfolgreiche BBC-Format konterkariert so ziemlich alles, was eine landläufige Autosendung auszeichnet. Rat für den nächsten Fahrzeugkauf sucht man hier vergeblich, es sei denn, das Interesse beginnt bei 300 PS und 100 000 Euro aufwärts. Bei "Top Gear" geht es einzig und allein um die Moderatoren und wie amüsant respektlos sie mit dem für viele Menschen heiligen Blechle umgehen. Allen voran Jeremy Clarkson, geistreich, unverschämt und politisch inkorrekt bis über manche Schmerzgrenzen hinaus. Auch ihn muss man nicht unbedingt mögen - die Show funktioniert trotzdem.

Funktionierte, muss man mittlerweile allerdings sagen. Denn die BBC hat ihre Drohung wahr gemacht und den vor rund zwei Wochen suspendierten Clarkson endgültig gefeuert. Der 54-Jährige soll einen Produzenten beleidigt und geschlagen haben. BBC-Generaldirektor Tony Hall erklärte, dass damit eine Linie überschritten sei und der Vertrag des Moderators nicht verlängert werde. Auch die Polizei sei eingeschaltet worden. Die Zukunft von "Top Gear" ist ungewiss; es heißt, dass 2016 ein Neustart möglich sei, vielleicht aber mit neuem Konzept und anderem Personal.

Angesichts der rund eine Million Fans, die die Online-Petition "BBC: Bring Back Clarkson" unterzeichnet haben, mutet das weltfremd an. Lebte die Show doch gerade von der Chemie unter den drei Gastgebern, dem wieseligen Richard Hammond, dem schöngeistigen James May und dem derben Schandmaul Clarkson. Die Drei von der Tankstelle agierten dabei wie eine Monty-Python-Truppe auf Rädern, nahmen sich bei jeder Gelegenheit gegenseitig hoch und verwandelten eine schnöde Auto-Show so in einen höchst unterhaltsamen Ego-Zirkus. Ernsthaft wurde kein Fahrzeug bewertet, für Alltagskarossen hatte das Trio nur Hohn und Spott auf Lager. "Wir alle wissen, dass kleine Autos gut für uns sind", sagte Clarkson etwa. "Das gilt aber auch für Lebertran. Und Jogging." Oder, über den BMW X3: "Wenn Sie klinisch verrückt sind, ich meine: Wenn Sie morgens aufwachen und denken, Sie seien eine Zwiebel. Dann ist das Ihr Auto." Und, als nur halb augenzwinkernder Beleg seines Klassenbewusstseins: "Ich verstehe Busspuren einfach nicht. Warum müssen arme Leute schneller ankommen als ich?"

Diese elitäre Haltung, gepaart mit einer Portion Größenwahn, sowie seine Missachtung jeglicher Autoritäten verschaffte ihm nicht nur die Verehrung vieler Fans - 350 Millionen Zuschauer sollen es weltweit gewesen sein - sondern eine wahrscheinlich ebenso hohe Anzahl erbitterter Gegner. Clarkson provozierte gerne, vielleicht auch aus Streitlust, und überschritt dabei Grenzen, etwa bei einem Dreh in Argentinien mit dem Auto-Kennzeichen "2H982 FKL", das argentinische Medien als Anspielung auf den Falkland-Krieg 1982 interpretierten. Die BBC tolerierte diese Entgleisungen bis zu einem gewissen Grad; die Show war zu erfolgreich, bekam 2005 sogar den TV-Preis "Emmy".

Trotz seiner Fehltritte - für die der Moderator angemessen bestraft werden müsste - wäre es freilich schade, wenn das "Top Gear"-Team vom Bildschirm verschwinden würde. In der schier unendlichen Masse gleichförmiger wie glattgebügelter Shows bot das Trio eben einen erfrischend irrwitzigen Blick auf die Dinge. Es heißt, dass der Streaming-Dienst "Netflix" Interesse zeigt, die Show zu übernehmen. Amerikaner lieben ja bekanntlich Autos.

(RP)
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