Geburtstags-Show von Thomas Gottschalk Warum der Busencasting-Shitstorm wichtig war

Berlin · Nicht bloß ein weiterer Shitstorm – der Protest gegen eine Showidee in Thomas Gottschalks Geburtstagssendung könnte das Fernsehen besser machen.

Thomas Gottschalk feiert mit Lena Gercke, Michelle Hunziker und Günther Jauch
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Gottschalk feiert Geburtstag mit Gercke, Hunziker und Jauch

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Foto: dpa, car bsc

Nicht bloß ein weiterer Shitstorm — der Protest gegen eine Showidee in Thomas Gottschalks Geburtstagssendung könnte das Fernsehen besser machen.

Der Teil der Thomas-Gottschalk-Geburtstags-Show, über den am meisten diskutiert wurde, war am Montagabend auf RTL gar nicht zu sehen. Er war schlicht an der Umsetzung gescheitert. Eine Castingagentur hatte via Mail für die Sendung Frauen gesucht, die sich für eine Wette zwischen Thomas Gottschalk und Hugo Egon Balder den BH zerschneiden lassen sollten, um mit Filmszenen beklebte Brüste zu präsentieren. Nicht nur das Anliegen im Allgemeinen, sondern einige Formulierungen im Speziellen sorgten dafür, dass sich die von der Zeitschrift Missy bei Facebook geteilte Mail der Agentur rasch im Netz verbreitete. So stand dort geschrieben: "Aufgabe ist es, etwa 20 Minuten lang auf der Bühne zu stehen und hübsch auszusehen."

Es gibt zwei Möglichkeiten, auf einen Shitstorm zu reagieren. Die eine ist, den Shitstorm zu kritisieren. Entweder, weil doch eigentlich nichts dabei ist — Brüste, meine Güte, wer regt sich denn darüber heutzutage noch auf? — oder einfach, weil der Shitstorm ein Shitstorm ist und als solcher häufig mit Kanonen auf Spatzen schießt. Diese asymmetrische Kriegsführung lässt den Shitstorm schnell unsympathisch wirken, sei das Anliegen auch noch so gerechtfertigt. Da wirken dann die eigentlichen Täter — in diesem Fall die Macher der Show, die Agentur — schnell wie Opfer.

Es gibt aber auch eine andere Möglichkeit, zumindest in der Gottschalk-Angelegenheit: Anzuerkennen, dass Shitstorms Gutes bewirken können. Sie haben zwar auch die Macht, Unschuldige zu treffen und Existenzen zu gefährden, schließlich hat es schon genug Privatmenschen getroffen, die sich bloß unüberlegt geäußert hatten. Aber gerade in der Medienbranche, in der das Verantwortungsbewusstsein groß genug sein sollte, um nichts Unüberlegtes zu tun, könnte der Shitstorm Qualität sichern oder zumindest Shit verhindern. Wenn Fernsehmacher den eventuellen Shitstorm im Hinterkopf haben, der sogar schon vor der Ausstrahlung aufkommen kann, werden sie sich zweimal überlegen, ob sie ihre Quatschidee wirklich bringen wollen. Es ist ja ohnehin erstaunlich, dass es im Jahr 2015 mindestens ein Mensch für eine sendbare Idee hielt, Frauen Filmszenen auf die Brüste zu kleben, selbst wenn es eine Anspielung auf Hugo Egon Balders "Tutti Frutti" sein soll.

Natürlich gilt die Kunst- und Meinungsfreiheit auch für miese Ideen. Aber wer eine solche hat, der sollte dann wenigstens so sehr davon überzeugt sein, dass er dafür Gegenwind in Kauf nimmt. In den meisten Fällen wird ihm dann, wenn er sich die Sache noch mal durch den Kopf gehen lässt, klar werden: "Eigentlich war ich nur zu faul, um auf einen vernünftigen Einfall zu warten." Ist er von seinem Mist allerdings weiterhin überzeugt, dann sollte es für ihn kein Problem sein, den auch notfalls öffentlich zu rechtfertigen. Er hielt es schließlich auch für angebracht, seine Idee öffentlich zu zeigen.

Doch RTL musste gar nicht beweisen, wie sehr oder eben nicht es von der Idee überzeugt war. Weil sich auf die Schnelle keine Frauen fanden, die ihre beklebten Brüste in die Kamera halten wollten, fiel der Programmpunkt ohnehin aus. Hoffentlich lag das nicht nur an der Kurzfristigkeit der Anfrage. Das wäre ein gutes Zeichen. Wenn Fernsehleute miese Ideen haben, aber sich keiner für die Umsetzung hergibt, braucht es nicht mal einen Shitstorm.

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