Thomas de Maizière bei Maybrit Illner Innenminister: Zu wenige Sicherheitskräfte mit Migrationshintergrund

Düsseldorf · In vielen Fällen werden politische Talkshows als Bühnen zur Selbstdarstellung der Gäste oder aber als Schlagabtausch mit populistischen Forderungen wahrgenommen. Innenminister Thomas de Maizière nutzte die Bühne bei Maybrit Illner jedoch, um ein nachvollziehbares Anliegen vorzutragen. Ebenso untypisch für Politiker in Talkshows: Die Forderung war gleichzeitig auch ein Eingeständnis der eigenen Versäumnisse.

 Thomas de Maiziére fordert bei Maybrit Illner mehr Sicherheitskräfte mit Migrationshintergrund.

Thomas de Maiziére fordert bei Maybrit Illner mehr Sicherheitskräfte mit Migrationshintergrund.

Foto: ZDF/Svea Pietschmann

In ihrer ZDF-Talkshow fragte Maybrit Illner ihre Gäste am Donnerstagabend "Feind im eigenen Land — Wer sind die Terror-Islamisten?". Im Studio waren Thomas de Maizière (CDU), Bundesinnenminister, Cem Özdemir (B'90/Die Grünen), Parteivorsitzender, Husamuddin Meyer, Gefängnis-Imam, Lamya Kaddor, Islamwissenschaftlerin und Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes sowie Guido Steinberg, Terrorismusexperte, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

Es wurde eher eine Diskussion um die Frage, warum es überhaupt radikale Islamisten gibt, die sowohl in Deutschland eine Bedrohung darstellen als auch als "Dschihad-Touristen" in Syrien und dem Irak. Ein Grund dafür, dass die Radikalisierung islamistischer Terroristen in mehreren Fällen nicht unterbunden werden kann, liegt nach Ansicht der Gäste auch an den deutschen Geheimdiensten und der Polizei.

Für Bundesinnenminister Thomas de Maiziére steht fest: "Wir haben Behörden mit wenigen Mitarbeitern mit Migrationshintergrund." So sei es schwer, in eine Szene hineinzukommen, die sich selbst nach außen abschottet. Und wie der Innenminister berichtete, sind Kreise dieser Szene größer als bisher angenommen. So musste er den Terrorismusexperten Guido Steinberg korrigieren, der davon sprach, dass 600 Islamisten aus Deutschland nach einem Aufenthalt im Kriegsgebiet in Syrien und Irak wieder nach Deutschland zurückgekehrt seien. Laut de Maiziére seien es mittlerweile sogar 650 Rückkehrer — eine Zahl, die er bisher noch nirgendwo bekanntgegeben hatte.

Mit den Ausführungen der Gäste zur islamistischen Szene waren schnell Parallelen zu anderen kriminell agierenden Gruppen gezogen. Laut Innenminister finden sich unter den radikalen Islamisten vor allem "Leute, die mit der Realität nicht klarkommen" und die einfache Antworten suchten. Es seien Charaktere wie man sie auch unter Hooligans, Rockern und Rechtsextremen finde.

Terror-Verdächtiger in Mönchengladbach gefasst
11 Bilder

Terror-Verdächtiger in Mönchengladbach gefasst

11 Bilder
Foto: Polizei

Neben dem Einsatz von V-Männern helfen nach Ansicht der Talkgäste vor allem Bildungsangebote in Schulen und Gefängnissen gegen Radikalisierung. Gefängnismitarbeiter aus NRW hatten in den vergangenen Tagen darauf aufmerksam gemacht, dass es kaum möglich sei, nachzuvollziehen, wie junge Muslime in den Haftanstalten von radikalen Meinungsmachern verführt würden. Gleichklingende Appelle hatte es auch nach dem Anschlag eines islamistischen Terorristen in Kopenhagen gegeben. Auch er hatte sich nach gleichlautenden Medienberichten zum Teil im Gefängnis radikalisiert.

Als positive Beispiele für die Arbeit gegen eine Radikalisierung von Muslimen standen bei Maybrit Illner der Imam Husamuddin Meyer und Lamya Kaddor, Lehrerin und Islamwissenschaftlerin. Doch die gute Arbeit von Meyer wirkt wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Laut Maybrit Illner ist er einer von nur zwei staatlich finanzierten muslimischen Gefängnisseelsorgern. Bei 15 Wochenstunden kann er kaum alle Gefängnisse in seinem Heimatbundesland Hessen betreuen. "Wenn ich manchmal nach zwei Wochen wieder in einem Gefängnis ankomme, ist es erschreckend, was man dann gefragt wird", sagt Meyer. Seine Erfahrungen aus den Gefängnissen kann Kaddor für die Schulen bestätigen. Die jungen Muslime, die sie in Dinslaken unterrichtet, seien oft in einem Zwiespalt, der sie zu wirren Vorstellungen vom Islam treibe. "Muslime werden oft als Täter dargestellt, gleichzeitig sehen sich die jungen Muslime oft auch als Opfer", sagte sie.

Meyer und Kaddor sprang in der Sendung Cem Özdemir zur Seite. "Wir brauchen mehr Lamya Kaddors und keine Leute, die in Hinterhöfen sitzen", sagt er. Er wolle Islamlehrer, die in Deutschland ausgebildet seien und keine, die von der Türkei ausgebildet und bezahlt würden.

Özdemir machte aber auch klar, dass es ganz ohne Polizeiarbeit wohl nicht ginge. Das hätte alleine der Einsatz der Polizei in Bremen gezeigt. Laut Thomas de Maiziére seien dort Moscheebesucher und Passanten deshalb durchsucht worden, weil es konkrete Hinweise auf "Probleme mit Waffen" gegeben habe, wie er es formulierte. Die Talkrunde war sich einig: Wenn eine solche Bedrohungslage vorliege, müssten auch Einschränkungen in der Privatssphäre in Kauf genommen werden. Dann sei es schon zu spät für Lehrer und Gelehrte.

(ac)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort