"Tatort" aus Münster Thiel und Boerne - endlich ein Paar

Münster · Der Münsteraner "Tatort" erklimmt neue Höhen der Albernheit - auf Kosten der letzten Logik. Das kann nicht die Lösung sein.

Münster Tatort: Boerne und Thiel als schwules Paar
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Boerne und Thiel als schwules Paar

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Die Macher des Münsteraner "Tatorts" geben ja angenehmerweise schon länger nicht mehr vor, an plausiblen Fällen interessiert zu sein. Die dadurch eröffneten Freiräume wissen sie meist für amüsanten Klamauk zu nutzen - doch weil die Macher von "Erkläre Chimäre" ein seltsames Bild sowohl von Logik als auch von ihrem Publikum haben, dürfte diese Folge auch für eingefleischte Fans nur schwer verdaulich sein.

Das Wichtigste wird direkt am Anfang geklärt: Die ewige Assistentin Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) ist zur Kommissarin befördert worden. Pathologe Boerne (Jan Josef Liefers) rettet Kommissar Thiel (Axel Prahl) per Luftröhrenschnitt mit einem gemeinen Obstmesser das Leben. Und entbindet ihn davon, ewige Dankbarkeit zeigen zu müssen, wenn die beiden gemeinsam glaubhaft vortäuschen können, ein glückliches Ehepaar zu sein - damit Boerne in der Erbfolge seines vermögenden schwulen Patenonkels Gustav (Christian Kohlund) aufsteigt.

So weit, so gut: Es ist angerichtet. Als der brasilianische Lover des karibischen Lebemannes ermordet wird, ist die Vorfreude darauf groß, wie sich das Personal durch einen abstrusen Fall schnöselt und stichelt, grummelt und kalauert. Spürbar getrübt wird der Spaß allerdings dadurch, dass in dieser Geschichte völlig ohne Not noch die letzten Logik-Reste geopfert und die Zuschauer auch auf das Offensichtlichste hingewiesen werden.

Wenn Boerne eine Anspielung macht, muss Thiel sagen, dass er "die Anspielung durchaus versteht". Wenn Nadeshda ein Video vorspult, muss sie sagen "Ich spul' mal vor". In Boernes Charakter mag es angelegt sein, Blut als "Blut" zu präsentieren, doch die praktisch veranlagte Nadeshda hat keinen Grund, dasselbe zu tun. Ehrensache, dass sie auch gleich drei Mal sagt, dass das Ermittler-Duo nicht weglaufen soll, wenn sie noch etwas Wichtiges sagen will: "Nee, stopp! Stehen bleiben! Nicht so schnell!" Das Schultheater-Niveau dieser Dialogfetzen passt immerhin zu den holzschnittartigen Nebencharakteren (böser Weinhändler, böser spätpubertärer Junkie, böser Arzt).

Noch ärgerlicher: In diesem Münster sind Raum und Zeit so flexibel, dass es eine prima Kulisse für eine "Star Trek"-Folge abgäbe. Hier kann man aus einem fahrenden Auto springen und exakt neben der Tür zum Liegen kommen - Reaktionszeit des Fahrers und Bremsweg sind gleich null. Hier ist eine zugeknallte Tür ein unüberwindbares Hindernis auf der Suche nach einem polizeibekannten Mordverdächtigen. Und wenn der sturzbetrunken bei seinen Eltern auftaucht, braucht sein wütender Vater ewig, um ihn zu fassen zu bekommen - exakt so lange, bis Thiel eintrifft.

In diesem Münster kann man Menschen in die Aa werfen, die dort auf wenigen Metern um ein Haar ertrinken, ohne dass es jemand mitbekommt, und in Ruhe davonfahren. Und einem Oberarzt kann man so überzeugend erzählen, dass ein Patient im künstlichen Koma jeden Moment vernehmungsfähig sein wird, dass der wie beabsichtigt loseilt, um den Armen unverzüglich eigenhändig abzumurksen.

Das alles ist kein Weltuntergang - aber kontraproduktiv: der Kulisse täte Plausibilität unheimlich gut, damit die Grotesken umso besser zur Geltung kommen. Stattdessen verfestigt sich der Eindruck, dass Laurel und Hardy seit Neuestem in Münster leben. Bei allem Augenrollen über immer mehr "verkopften Psycho-Quatsch" im "Tatort": Das kann nicht die Lösung sein.

"Tatort: Erkläre Chimäre", ARD, So., 20.15 Uhr

(RP)
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