ARD-Talk mit Günther Jauch "Möchte Sebastian Edathy nicht mehr als Kollegen haben"

Berlin · Hans-Peter Friedrich, das Vertrauen in die Politiker, der Rechtsstaat, die Staatsanwaltschaft, die Glaubwürdigkeit der niedersächsischen Lokalpresse – die Liste der Verlierer im Fall Sebastian Edathy ist lang. Doch am Sonntagabend in der ARD dauerte es über 40 Minuten, bis über die eigentlichen Opfer gesprochen wurde.

Zitate zum Fall Sebastian Edathy
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Foto: Screenshot ARD

Hans-Peter Friedrich, das Vertrauen in die Politiker, der Rechtsstaat, die Staatsanwaltschaft, die Glaubwürdigkeit der niedersächsischen Lokalpresse — die Liste der Verlierer im Fall Sebastian Edathy ist lang. Doch am Sonntagabend in der ARD dauerte es über 40 Minuten, bis über die eigentlichen Opfer gesprochen wurde.

Am Sonntagabend stellte Günther Jauch die Frage: "Der Fall Edathy und die Folgen - Regierung in der Krise?" Eingeladen waren Wolfgang Bosbach (CDU, Vorsitzender des Innenausschusses des Deutschen Bundestages) Karl Lauterbach (SPD, stellvertretender Fraktionsvorsitzender) Wolfgang Kubicki (FDP, Fraktionsvorsitzender im Landtag von Schleswig-Holstein und Mitglied im Parteipräsidium), Georg Mascolo (Journalist) sowie die "Spiegel"-Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen.

Die Sendung begann mit einem Aufarbeiten der Sachlage, die die meisten Zuschauer ohnehin seit Tagen kennen: Der ehemalige Landwirtschaftsminister und ehemalig-ehemalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) trat zurück, weil er die SPD-Spitze darüber unterrichte, dass gegen den ehemaligen Abgeordneten Sebastian Edathy wegen des Verdachts auf Kinderpornografie ermittelt werde.

"Rechtsstaat der größte Verlierer"

Offenbar bekamen Edathy und sein Rechtsbeistand Wind von den Ermittlungen der Behörden. Doch wer plauderte? Diese Frage konnte auch bei Jauch nicht geklärt werden. Journalist Mascolo, der in dem Fall recherchiert, kam sogleich zu dem Schluss, dass "der Rechtsstaat der größte Verlierer" sei.

Die Großkoalitionäre Bosbach und Lauterbach erläuterten zunächst, wie ihre Reaktion ausfiel, als sie von dem Rücktritt Edathys erfuhren. Bosbach in Form einer SMS. Seine Schlussfolgerung: "Hier ist etwas faul." Und auch Lauterbach war "vollkommen überrascht". Einigkeit zwischen dem CDU- und SPD-Politiker herrschte auch beim Thema des zurückgetretenen Friedrich. Bosbach nahm ihn Schutz und erklärte, er "konnte doch nur Fehler machen". Lauterbach verspürte gar "eine ehrliche empfundene Dankbarkeit. Friedrich hat einen hohen Preis gezahlt, aber wir sind ihm sehr dankbar."

Immerhin war da ja noch Kubicki. Der scharfzüngige FDP-Mann versuchte es mit verbalen Attacken auf seinen Gegenüber Bosbach, mit juristischen Fachsimpeleien. So etwas wie diesen Fall Edathy habe er noch nie erlebt. Bosbach und er zofften sich um die Auslegung von juristischen Ausdrücken. Spätestens da wurde klar: Seit Ende vergangenen Jahres haben Parteien und Staat in einer Grauzone agiert, und "das dürften sie nicht", folgerte auch Mascolo. "Wir sind sonst in einem Putin-Land", polterte Kubicki.

Polit-Profis plaudern nicht

Natürlich wurde auch über die Rolle von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann gesprochen. Bosbach warf dem Genossen vor, er habe BKA-Präsident Jörg Ziercke am Telefon zum Geheimnisverrat verleiten wollen. Zudem soll er Friedrichs Rücktritt mit ausgelöst haben. Der Oppositionelle Kubicki erklärte wenig überraschend, dass die SPD sich einen Gefallen tue, wenn "sie Oppermann aus dem Rennen nimmt." Natürlich war Lauterbach zur Stelle. Kein Polit-Profi, so die Ausführungen des Gesundheitspolitikers, würde so sensible Gespräche herausposaunen.

Nach über 40 Minuten durchbrach Gerichtsreporterin Friedrichsen die Debatte mit einer sehr menschlichen Frage. Juristisch sei Edathy womöglich nichts anzuhaben, weil die Fotos von nackten, minderjährigen Jungen, die der SPD-Mann in Kanada bestellt hatte, in Deutschland strafrechtlich keine Relevanz haben.

Aber moralisch? Wolle man tatsächlich einen Mann im Bundestag haben, der sich in seiner Freizeit Fotos und Videos von nackten Minderjährigen anschaut? Ja, hier müsse zwischen moralischer und strafrechtlicher Frage getrennt werden, entgegnete auch Moderator Jauch.

"Edathy einer der klügsten Leute"

Die Sendung bekam — wenn auch nur kurz — eine andere Wendung. Das Leid der abgelichteten Kinder stand im Vordergrund, denn sie seien die eigentlichen Opfer und Verlierer. "Nein, ich möchte ihn nicht mehr als Kollegen haben", fällte Lauterbach das Edathy-Urteil über "einen der klügsten Leute im Ressort". Und auch Bosbach zeigte sich forsch, als es um den Gemütszustand Edathys ging. "Für die Kinder interessiere ich mich mehr."

Wenige Minuten vor Sendeschluss fiel Jauch dann auf einmal der Titel der Sendung wieder ein: "Regierung in der Krise?" Nein, diese Bedenken wischten Bosbach und Lauterbach beiseite. "Der Sturm wird sich legen", sagte Lauterbach. Zumal sich sich doch nahezu alle Beteiligten "gesetzeskonform verhalten" hätten. Wenn auch in einer Grauzone.

(nbe)
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