"The Biggest Loser" Zu dick aufgetragen

Düsseldorf · Auftakt der Abspecksoap: Nicht nur die Kandidaten haben mit ihrem Gewicht zu kämpfen, auch das Sat.1-Format leidet an einer übertrieben aufgeblähten Darstellung – irgendwo zwischen Fremdschämen und Tragik.

The Biggest Loser 2020: Die Kandidaten der Sat.1-Show
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"The Biggest Loser" 2020 - alle Kandidaten

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Foto: Sat.1/Arya Shirazi

Auftakt der Abspecksoap: Nicht nur die Kandidaten haben mit ihrem Gewicht zu kämpfen, auch das Sat.1-Format leidet an einer übertrieben aufgeblähten Darstellung — irgendwo zwischen Fremdschämen und Tragik.

Um es kurz zu machen: Die Auftaktfolge von "The Biggest Loser" war keine Werbung für den Rest der inzwischen zehnten Staffel. 205 Minuten Sendezeit überstrapazierten am Sonntagabend die Nerven der Zuschauer wie es selbst der schlechteste Kinofilm mit Überlänge nicht könnte.

Das Programm in Dauerschleife: Dicke Kandidaten in bloßstellenden Einspielern, traurige Schicksale und Hintergrund-Musik als Slapstick-Einlage. Mehr hatten diese dreieinhalb Stunden nicht zu bieten.

Im Münchner Olympiastadion mussten sich 50 Übergewichtige bei sportlichen Übungen beweisen, um einen der jeweils acht Plätze in zwei Teams zu ergattern. Zwischendurch schaltete Sat.1 immer wieder in ein Studio, wo die Kandidaten von Matthias Killing und Christine Theiss nach und nach erfuhren, ob sie beim Abnehm-Trip nach Andalusien dabei sind.

Nach einer halben Stunde Training im Stadion gab es die ersten Schreie, Tränen und Beinahe-Zusammenbrüche. Kniebeugen stellten die Teilnehmer vor eine beinahe unlösbare Aufgabe — die Gelenke auch nur ansatzweise zu bewegen, wollte bei den meisten nicht funktionieren.

Unterdessen kamen im Studio natürlich trotzdem Kandidaten weiter, aus den immer selben und beliebig austauschbaren Gründen. "Du hast diese Chance auf ein neues, besseres Leben verdient" — diesen Satz durfte sich am Sonntagabend wohl jeder Kilo-Sammler mindestens ein Mal anhören.

Nicht nur die Motivation seitens der Trainer, auch das, was die Kandidaten zu erzählen hatten, klang nach einer Weile sehr aufgewärmt. Mobbing in der Schule, Selbstzweifel, Fehlgeburten, der Tod eines geliebten Menschen, Selbstmordgedanken — im Einzelfall natürlich tragisch, für den Zuschauer in Dauerschleife aber auch nur bedingt zu ertragen.

Noch schlimmer als diese Wiederholungen war allerdings das, was der Sender anschließend mit diesen Menschen anstellte. Trotz der oft traurigen Schicksale präsentierte Sat.1 immer wieder Einspieler, die die Kandidaten nicht vor-, sondern bloßstellten.

Ein dicker Mann, der versucht sich in einen Sportwagen zu quetschen. Eine junge Frau, die kein Pferd findet, das sie tragen kann. Ein Vater, der nicht mehr in der Lage ist mit seinem Sohn Fahrrad zu fahren. Und reihenweise Übergewichtige, die sich erst mit Süßigkeiten aller Couleur auf Bett und Couch lümmeln, um dann in ihrer ganzen Fülle halbnackt in Gärten, Fitnessstudios und vor Badezimmerspiegeln zu stehen. Dazu lief für die Macher anscheinend "lustige" Hintergrund-Musik wie Willi Herrens Schlager "Ich bin der Mann hinter dem Bauch".

Wenn grade mal kein Fremdschäm-Moment, keine Bloßstellung und keine Tränen auf dem TV-Bildschirm zu sehen waren, konnte das nur eines bedeuten: Werbepause. In der ersten Dreiviertelstunde brachte Sat.1 beinahe unverschämte 20 Minuten Werbung unter — also fast die Hälfte der Sendezeit. Beworben wurden natürlich passenderweise Abnehm-Programme, fettarme Joghurts und das andere Extrem der Gewichts-Shows im TV: Germanys Next Topmodel.

Für die Kandidaten bleibt indes zu hoffen, dass sie in den nächsten Folgen besser wegkommen. Vielleicht schaffen sie es ja durch ihren Einsatz für ein positiveres Bild von sich selbst zu sorgen, als das, welches Sat.1 am Sonntagabend vermittelt hat. Denn abnehmen, um ein gesundes und lebenswertes Leben zu führen ist an sich ein hehres Ziel. Ob es allerdings so sinnvoll ist, solch eine Situation und das persönliche Schicksal von Sat.1 in der Öffentlichkeit ausschlachten zu lassen, sei mal dahingestellt.

(kron)
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