"Tatort: Wer bin ich?" im Schnellcheck Der Mörder ist manchmal der Schauspieler

Düsseldorf · Revolutionäre Idee, so massenkompatibel wie möglich umgesetzt: In "Wer bin ich?" spielt Ulrich Tukur eine ganz besondere Doppelrolle. Ein wenig "Tatort", viel "Tatort"-Parodie – schön.

Szenen aus dem Murot-"Tatort: Wer bin ich?"
8 Bilder

Szenen aus dem Murot-"Tatort: Wer bin ich?"

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Revolutionäre Idee, so massenkompatibel wie möglich umgesetzt: In "Wer bin ich?" spielt Ulrich Tukur eine ganz besondere Doppelrolle. Ein wenig "Tatort", viel "Tatort"-Parodie — schön.

90 Minuten in 90 Zeichen

Tukur spielt Murot — und Tukur, der Mörder "gespielt" haben soll, statt Murot zu spielen.

Darum geht es

"Wer bin ich?" ist ein Film im Film: Tukur spielt neben Murot auch den Schauspieler Ulrich Tukur — der nach einem Besäufnis am Set des Mordes verdächtigt wird. Das Opfer ist ein Regieassistent, der am Abend fast 80.000 Euro im Casino gewonnen hatte. Geld, das Murot in seinem Hotelschrank findet. Mehr Hintergründe.

Experten-Diagnose

"Ich könnt' am Tresen, wenn ich wollte, diese Welt retten. Doch das will ich nicht — ich will nur Doppelkorn." Stammt nicht aus dieser "Tatort"-Folge, sondern von den Ironikern des Deutschrap, der Antilopen Gang. Hätte die Figur Tukur an der Bar diese Ambitionslosigkeit überwunden, die sich der Schauspieler Tukur nicht nachsagen lassen muss, wäre er am nächsten Morgen nicht mit Filmriss aufgewacht und kaum als Mörder verdächtigt worden. Oder hätte sogar jemanden retten können — nicht die ganze Welt, aber Christoph, den armen Assistenten der Aufnahmeleitung, indem er ihn überredet hätte, ins Bett zu gehen.

Dialog für die Ewigkeit

Tukur erzählt Wolfram Koch, Darsteller des Paul Brix im Frankfurt-"Tatort", vom Tod des 19-Jährigen und dass die Polizei ihn vernehmen werde.

Wolfram Koch: "Das ist hart. Boah, puh, das ist wirklich hart."

Ulrich Tukur zieht nur eine Grimasse, die Bitterkeit und Ohnmacht ausdrückt.

Koch: "Hör mal zu, Uli, was anderes: Wenn du jetzt schon mit der Polizei zu tun hast... Kannste die mal fragen, ob die immer mit beiden Händen schießen oder zur Not auch nur mit einer? […] Was meinste, Uli? Komm ey, das sieht doch cooler aus mit einer Hand!?"

Die Verwandlung

Der echte Ulrich Tukur wird regelmäßig für Herbert Grönemeyer gehalten. Der Schauspieler Tukur, den dieser echte Ulrich Tukur in "Wer bin ich?" darstellt, erinnert überraschenderweise zunehmend an — Daniel Craig. Ohne Bizeps, Trizeps, Sixpack und was man sonst noch so an aufmerksamkeitsheischenden Muskeln haben kann (wie eine Oben-ohne-Aufnahme zweifelsfreier beweist, als man wissen wollte). Mit umso mehr Augenringen, Blässe, verzweifelter Wut und Paranoia.

Will ich auch haben

78.440 Euro wie Christoph Marquardt — aber nur gekoppelt mit der Disziplin, sie bei einer Bank einzuzahlen, bevor die Sicherheitsleute des Casinos oder sonstwer sie mir klauen können.

Der "Tatort”-Chic

Sascha Nathan schafft es, als Ermittler Kugler Hemden und Pullover zu tragen, die es an Hässlichkeit mit seinem Schnörres aufnehmen können. Martin Wuttke ist seit dem Ende des Leipzig-"Tatort" so abgebrannt, dass er nicht mehr duschen kann. Der für den "Tatort" verantwortliche HR-Redakteur Jens Hochstätt (Michael Rotschopf) ist ein selbstbesoffener, pseudojovialer Hipster mit Hornbrille. Und Barbara Philipp, die sonst Murots Assistentin Magda Wächter spielt, trägt schlimme Ugg-Hausschuhe zur Jogginghose, kann sich den Namen des Toten nicht merken und vögelt den jungen Tonmann. Die Liste der erkannten und freudig abgearbeiteten Klischees ließe sich noch seitenlang fortsetzen, bis hin zu Feinheiten der Film- und Feuilletonsprache. Die unzähligen dankbaren Vorlagen werden verwandelt auf eine Art, die man, bei dieser Institution und diesem Sendeplatz, wohl mutig nennen kann.

Sätze zum Mitreden

"Und du schaufelst dir das Biergulasch rein, Biergulasch rein, Biergulasch rein…"

Justus von Dohnányi als Regisseur Justus von Dohnányi erklärt Tukur eine Szene auf eine Art, die förmlich nach einem Autotune-Remix schreit. Zum Glück hat sich daran nicht der Hessische Rundfunk versucht. Dass der am Ende einer Selbstbeweihräucherung für diesen "Tatort" voller Seitenhiebe gegen Münster-"Tatort"-Fans ein Biergulasch-Rezept anbietet (sogar als PDF-Datei!), ist mehr als ausreichend.

(tojo)
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