So wird der „Tatort: Väterchen Frost“ Frohes Fremdschäm-Fest
Münster · Im vorweihnachtlichen Münster kämpfen Thiel und Boerne um die entführte Nadeshda. Als Zuschauer ringt man derweil mit einer Handvoll haarsträubender Klischees.
Das Publikum will Thiel und Boerne, und deshalb kriegt es sie. Zum dritten Mal in diesem Jahr, aber wieso auch nicht? Der letzte Münsteraner Fall „Lakritz“ Anfang November war charmant. Mit „Väterchen Frost“ erwartet man also frohgemut eine launig-leichte Weihnachts-Witzelei, die niemandem weh tut und ein bisschen wärmt. Film gewordenen Glühwein mit einem Schuss Romantik.
Los geht es auch tatsächlich wie üblich: So übertrieben wie irgend möglich schnupft und schnieft ein gesamter Gerichtssaal, damit das Urteil in einem Mordprozess in allerletzter Sekunde doch noch verschoben wird. So entsteht die Ausgangslage nicht nur für Frotzeleien von Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann) auf dem Weihnachtsmarkt. Auch und vor allem kann jetzt Thiels treue Assistentin Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) ideal entführt werden – sozusagen für einen guten Zweck, nämlich damit das Duo den Fall noch einmal aufrollt. Am Handy mahnt der offenbar russischstämmige Kidnapper: „Wir chaben Ihre Kollegin. Sie chaben Arbeit nicht gut gemacht, Cherr Kommissar. Sie chaben bis Weihnachten Zeit, die Wahrhcheit cherauszufinden. Keine Tricks, keine große Polizei. Sonst wir Frau wehtun!“ Also machen sich die beiden ans Werk – Thiel mehr, Boerne grandios wenig besorgt um Nadeshdas Wohlergehen.
Die kitschig-trubelige Vorweihnachts-Atmosphäre, in der all das stattfindet, ist nett inszeniert, und Thiels Hippie-Vater jault dazu: „In der Stadt sollte man Terror-Alarm ausrufen… Konsumterror-Alarm!“ Die gewohnte Ware vom Münsteraner Krimikomödien-Fließband, die sich der Beurteilung entzieht, was ja auch kein Drama ist.
Leider jedoch begehen die Macher den Fehler, zu große Fässer aufzumachen. Statt um die Einsamkeit von Thiel und Boerne sowie um die Kuppelversuche von Nadeshdas Großfamilie geht es um Giftmorde, abgeschnittene Körperteile und Grabschändung. Viel organisiertes Verbrechen, garniert mit schlechten Alptraum-Szenen. Regisseur Torsten C. Fischer hat eine „romantische Erzählfärbung gesucht“; gefunden hat er sie leider nicht.
Besonders unangenehm: die Verbrecher, die Unheil über das idyllische Münster bringen, sind gruselige Karikaturen von Ausländern. Vom russischen Entführer (liebt Wodka, hasst Schwule) bis zum Killer (verschlagen, Fistelstimme, furchtbar falsch gebräunt). Selbst ein Taschendieb, der nur sekundenlang auftaucht, muss „Kurwa!“ rufen, damit Thiel brüllen kann: „Scheiße, ein polnischer Taschendieb!“. Kein einziger Mensch mit Migrationshintergrund wird das witzig finden. Und das liegt nicht daran, dass „Ausländer“ keinen Humor haben.