Tatort "Söhne & Väter" Familie ist die kleinste Terrorzelle

Düsseldorf · Im Tatort "Söhne & Väter" aus Saarbrücken ging es um einen Schülerstreich, der schief ging. Neben einer verunstalteten Leiche ist ein toter Schüler im Leichenhaus gefunden worden. "Familie ist die kleinste Terrorzelle" bleibt als Erkenntnis dieses Krimis. Und: Kinder können so undankbar sein. Unsere Schnellkritik.

Szenenbilder aus dem "Tatort: Söhne & Väter"
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Szenenbilder aus dem "Tatort: Söhne & Väter"

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Foto: SR/Manuela Meyer

90 Minuten in 90 Zeichen? Frau bringt ihren Ehemann aus Liebe zu ihrem Sohn um - willkommen in der Patchwork-Hölle.

Was war gut? Regisseur Zoltan Spirandelli wollte sich in "Söhne und Väter" einem Thema widmen, das vom Zeitgeist nicht so naheliegend ist wie Asyl oder Flucht, das aber eine der elementarsten Beziehungen ist, die es gibt. Er jedenfalls kenne keinen einzigen, der nicht in irgendeiner Weise ein Paket mit sich herumschleppt, das mit der Eltern-Kind-Beziehung zu tun hat. Das ist mal eine Ansage. Die meisten Tötungsdelikte (rund 95 Prozent) sind Beziehungstaten, deshalb war das Thema gut gewählt. "Familie ist die kleinste Terrorzelle" bleibt als Erkenntnis dieses Krimis. Und: Kinder können so undankbar sein.

Was war weniger gut? Drei Freunde, Pascal, Karim und Enno, sind in ein Bestattungsinstitut eingebrochen und haben den Leichnam ihres Lehrer geschändet. Enno wird später erfroren in der Kühlkammer gefunden. Später stellt sich heraus: Der Lehrer war Karims Stiefvater, der an einem Herzinfarkt starb, den seine Frau mit Medikamenten herbeigeführt hat. Für Ennos Tod war eine Ex-Gebliebte des Lehrers verantwortlich, die aus Wut über die Schändung den Jungen der Kälte aussetzte - ziemlich viel von allem.

Zudem gab es einige Vater-Sohn-Beziehungen in diesem "Tatort", wobei die des Kommissars Jens Stellbrink (Devid Striesow) zu seinem Sohn Moritz, den er lange nicht gesehen hat, zum Glück im Hintergrund blieb. Die übrigen blieben aber klischeehaft: Der Alleinerziehende, der seinen Sohn schlägt; der Vater, der reich geheiratet hat, seinen Sohn unter Leistungsdruck setzt und ihn spüren lässt, wie enttäuscht er von ihm ist; der Patchworkvater, der alles daran setzt, seinen Stiefsohn schlecht dastehen zu lassen. Und der Koch Jean Carlinó (Jophi Ries), der kriminell war und aus unklaren Motiven zu Karims Ersatzvater wird. Außerdem ist Stellbrink ein kriminalistischer Tausendsassa. Pöckchen identifiziert er sofort als Zeichen für eine Schlafmittel-Vergiftung, später findet er den Abdruck des richtigen Lippenstifts.

Stimmt die Löwen-Theorie? Karim, der sich von seinem Stiefvater schlecht behandelt fühlt, führt an, er habe von Beginn an keine Chance bei ihm gehabt, weil er nicht sein leibliches Kind sei. Er zieht einen Vergleich zum Tierreich, in dem ein männlicher Löwe alle Jungtiere tötet, wenn er die Herrschaft in einem Rudel übernimmt. Laut Evolutionsbiologen wollen sie ihr eigenes Erbgut weitergeben. Dem Nachwuchs eines anderen Männchens beim Überleben zu helfen, bringt deshalb nichts und verschwendet nur Energie.

Wie viel Lokalkolorit gab es? Sehr viel. Es wurde Saarländisch gebabbelt, der Kommissar kochte Bratkartoffeln mit Lyoner. Und Kommissar-Sohn Moritz schwärmte Polizistin Mia vor, die sein Vater als Abholdienst für ihn organisiert hat, Vancouver sei "the coolest place on earth". Mia entgegnet: "Warte mal ab, bis du Saarbrücken kennengelernt hast!" Entweder besitzen die Drehbuchautoren Spirandelli und Michael Vershinin Selbstironie oder sie neigen zu Selbstüberschätzung. Selten so gelacht über einen Vergleich.

Hat es der Saarbrücker "Tatort" besonders schwer? Ja. Nicht nur die Saarländer fremdelten anfangs mit dem verschrobenen Kommissar Stellbrink, der in Gummistiefeln und Friesennerz durchs kleinste deutsche Bundesland stapfte. Sie vermissten "ihren Palu", dem Rest der Republik machten es die Drehbuchautoren nicht leicht. Aber der sechste Fall gehörte zu den besseren aus Saarbrücken. Er war zumindest die ersten 75 Minuten halbwegs spannend, und es gab ein paar gute Gags zum Schmunzeln.

Der beste Dialog Karim warnt seinen Freund Pascal durch einen Anruf, dass bald die Polizei bei ihm auftauchen werde. Stellbrink fährt vor mit seinem Roller. "Hier ist nur so ein Opa mit einem Roller", sagt Pascal. "Der ist das", bestätigt Karim. "Haben die kein Geld für Autos?", fragt Pascal.

Der beste Spruch "Renate, das war jetzt unverhältnismäßig", sagt Pascals Duckmäuser-Vater Rudi zu seiner matronenhaften Ehefrau Renate Weller, nachdem diese mit ihrem Jagdgewehr das Motorrad des Sohnes in die Luft gejagt hat

(mso)
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