Neue Folge aus Wiesbaden „Tatort“ mit Tukur am Tiefpunkt

Wiesbaden · Der achte Experimental-„Tatort“ mit Ulrich Tukur ist actionreich – und schwer misslungen. Unsere Vorab-Kritik.

 Alles Schlechte kommt von draußen: LKA-Ermittler Felix Murot (Ulrich Tukur).

Alles Schlechte kommt von draußen: LKA-Ermittler Felix Murot (Ulrich Tukur).

Foto: dpa/Bettina Müller

Viele Krimi-Fans fremdeln mit jedem Tukur-„Tatort“, aus Prinzip. Die Filme sind zu anders, zu abgedreht. In einer Folge spielte Ulrich Tukur nicht nur LKA-Mann Felix Murot, sondern auch sich selbst, den Schauspieler – weil seine Figur gegen ihren Darsteller ermittelte. In der im Februar ausgestrahlten Episode war Murot in einer Zeitschleife gefangen – und erlebte eine Geiselnahme so häufig, dass er sie zwischendurch einfach mal schwänzte und stattdessen Tretboor fuhr, mit Eis am Stiel und Flaschenbier. Diesem Kritiker gefallen die bisherigen Fälle, er findet sie mutig bis brillant. Bei der aktuellen Produktion allerdings stimmt praktisch nichts.

„Angriff auf Wache 08“ krankt daran, dass er viel zu viel will. Im Kern ist er eine Hommage an John Carpenters Action-Thriller „Assault – Anschlag bei Nacht“ von 1976 und dessen Inspiration, den Western „Rio Bravo“ mit John Wayne von 1959. Nun hätte man sich einen dieser Klassiker aussuchen und die Handlung aus L.A. oder dem Wilden Westen ins Hessen des Jahrs 2019 verlegen können. Das wäre eine hervorragende Idee gewesen und allemal Herausforderung genug.

Stattdessen muss man als Zuschauer ernsthaft befürchten, dass das Drehbuch für diesen Film von Til Schweiger stammt oder von einer künstlichen Intelligenz, die zaghafte erste Experimente mit dem Texteschreiben macht. Selbst in dieser Vorab-Kritik kann, ja muss man Folgendes verraten: Der titelgebende Angriff auf eine zum Museum umgerüstete Polizeistation ereignet sich in der Pampa vor Offenbach. Als Rache für den Tod von gleich drei Clan-Chefs, die ein SEK der Polizei nonchalant exekutiert hatte. Vor dem Angriff der Gangster-Horden allerdings ereignet sich dreierlei: Murot besucht einen alten Freund, der in das Polizeimuseum zwangsversetzt wurde. Zeitgleich strandet dort ein misslingender Gefangenentransport, und parallel trifft auch noch ein Mädchen ein, das vor den abstrus schwer bewaffneten Gangstern problemlos fliehen konnte. Außerdem bricht eine Sonnenfinsternis herein. Praktisch alle Charaktere sind Karikaturen ihrer selbst, auch Murot und seine treue Assistentin Magda Wächter sind plötzlich schlimm verständnisschwach.

Oh, und ein Kannibale kommt auch noch vor. Kein Scherz. Am Schlimmsten aber ist der nervtötende Erzähler Ecki, ein selbstverliebter Privatradio-Moderator, der jede einzelne Silbe überbetont und offenbar 24-Stunden-Schichten schiebt. Dass diese Figur niemand lebensnäher gestaltet hat, was ihr immens gut getan hätte, liegt daran, dass sie von Clemens Meyer gespielt wird. Und der hat – gemeinsam mit Thomas Stuber – das Drehbuch verfasst.

Mit diesem Film wollten die beiden preisgekrönten Künstler offenbar den Beweis antreten, dass die Synthese von allem möglichen gelingen kann: Krimi-Komödie, Action-Thriller und Hollywood-Persiflage werden hier vermengt, dazu Western und Zombiefilm. Es geht um Männerfreundschaft und Frauenpower, den Zuschauer erwarten viel Blut und noch mehr BRD-Geschichte. Alles in allem ein Mahnmal für die Grenzen ebendieser Vereinbarkeit beliebiger Genres und Stimmungen.

In „Angriff auf Wache 08“ imponieren einem nur Masken- und Bühnenbildner sowie die Größe der Logiklücken. Kaum eine Pointe zündet, und seltener noch vermitteln die Protagonisten ein Gefühl von Sorge oder gar Todesangst. Dafür stehen sie schlicht viel zu lange viel zu entspannt und viel zu verwundbar vor den Fenstern in der bestens belager- und beschießbaren Wache, und erzählen einander von früher. Die bereitliegenden Helme und Schutzschilde ignorieren sie, die schusssicheren Westen ziehen sie nach einmaligem dramatischen Gebrauch wieder aus. Sind ja auch unbequem.

„Tatort - Angriff auf Wache 08“, So., Das Erste, 20.15 Uhr

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