Hamburg Zweiter Schweiger-"Tatort": Tutdaswääh

Hamburg · Der NDR präsentiert am Sonntag den "Tatort" mit den meisten Leichen. Viel mehr Handlung hat "Kopfgeld" auch nicht.

"Kopfgeld": Der neue Til-Schweiger-Tatort
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Natürlich wird auch der zweite Hamburg-"Tatort" mit Til Schweiger eine tolle Einschaltquote haben. Und wer Til Schweiger in Action-Rollen gut findet, wird die Folge "Kopfgeld" sogar super finden. Dagegen spricht nichts. "Kopfgeld" ist lediglich wie schon Schweigers erster Auftritt im ARD-Sonntagskrimi kein "Tatort". Schweiger und seine Freundesfreunde haben den "Tatort" lediglich als Produktionshülle mit einem Budget von 1,5 Millionen Euro gekapert, um eine Art "Alarm für Cobra 11" mit weniger Autos, aber mehr Geballer und noch mehr Toten abzuliefern.

In dem bisschen Handlung der Folge geht es um zwei rivalisierende Clans, die türkischen Bürsums und die kurdischen Astans, die um den Hamburger Drogenmarkt kämpfen. Die Bürsums kommen im gesamten Film nur als Leichen vor: In Minute 29 liegen die ersten drei tot in einer Disco, in Minute 35 werden die nächsten drei tot aus dem Hafenbecken gefischt. Und so geht das munter weiter. Inhaltlich findet das Schweiger-Team sie so unwichtig, dass die Rollennamen und Darsteller nicht einmal in der Besetzung aufgeführt werden.

Wie immer in Schweiger-Filmen, ist die unfreiwillige Komik die schönste: In Minute 1.30 kommt Schweigers Gesäß im Bett mit der Staatsanwältin groß ins Bild. Es ist beeindruckend, dass diesem Körperteil mehr Ausdruckskraft innewohnt als seiner Gesichtsmimik. Vielleicht ist sein Gesicht aber auch einfach eingeschlafen, so wie ein Fuß, wenn man falsch gesessen hat. Das würde die Schmerzensfalten erklären, wenn er gelegentlich versucht, den Ausdruck leicht zu ändern, es aber dann doch lieber lässt; der "Tatort" als Schweigersches "Tutdaswääh".

Schweigers angeblicher Hauptkommissar Nick Tschiller ist ein notorischer Gewalttäter, der Rechtsstaatlichkeit nicht weniger verachtet als der kriminelle Drogen-Clan. Ein "Friedensrichter" des Astan-Clans ist in Tschillers Wohnung eingebrochen und hat in "nicht-öffentlicher Verhandlung" einen Folter-Mord begangen. Die Leiche wickelt er in Tschillers Teppich. Der Dialog dazu: "Brauchst Du den Teppich wieder?" "Nee", sagt Tschiller, "schenk ich Dir." Als Tschiller das zerschlagene Gesicht der Staatsanwältin sieht, ist seine erste Frage: "Ist sie vergewaltigt worden?" Und dann beginnt sein Rachefeldzug. Schließlich wurde seine Ehre befleckt. Dass der Krimi vor leider üblichen handwerklichen Fehlern (Fahrten bei Tag enden im Dunkeln, zwischen den Szenen gibt es Anschlussfehler aller Art) strotzt, fällt angesichts seines Inhalts kaum noch ins Gewicht.

Insgesamt gibt es in den 90 Minuten 19 Leichen, die ins Bild gerückt werden. 13 von ihnen sind aufgefundene Leichen, sechs sterben vor laufender Kamera. In keinem der bisher rund 900 "Tatort"-Produktionen gab es mehr Tote, in den meisten dafür so etwas wie eine halbwegs nachvollziehbare realistische Handlung. Wenn der ARD die Schweiger-Quote so wichtig ist, sollte sie ihm dafür ein Format geben, in das er passt.

"Tatort", ARD, So., 20.15 Uhr.

(RP)
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