„Tatort“-Nachlese: „Murot und das Murmeltier“ Murots unendlicher Spaß mit Schusswaffen

Wiesbaden · Bill Murray lässt grüßen: In der Wiesbadener „Tatort“-Folge "Murot und das Murmeltier" lebt der Kommissar in einer Zeitschleife. Die Macher gönnen Schauspieler Ulrich Tukur wieder eine große Spielwiese.

 Ulrich Tukur als Felix Murot.

Ulrich Tukur als Felix Murot.

Foto: dpa/Bettina Müller

Worum ging’s? Felix Murot (Ulrich Tukur) schreckt aus dem Schlaf hoch, weil sein Klapphandy klingelt. Seine Assistentin Magda Wächter ist dran: „Entschuldigen Sie die frühe Störung, aber wir haben hier ’ne Geiselnahme in einer Bank. Genaues weiß man nicht...“ Im Schlafanzug stolpert Murot ins Bad, ärgert sich über den Nachbarn, der allzu laut Musik hört, zieht sich an, fährt zum Tatort... und irritiert alle dort bereits anwesenden Polizisten mit seiner allzu forschen Art: Eigentlich wisse man ja schon „alles“, schwadroniert er. „Ist doch Routine! Geiselnehmer... kennste einen, kennste alle!“

Als die Bankräuber fordern, ein Ermittler solle zu ihnen kommen, schnappt sich Murot munter eine Weste und marschiert los: „Bis gleich!“ Man muss ihn für betrunken halten oder für einen selbstverliebten Idioten, oder für beides. Aber Murot weiß bloß, woran er ist – weil er diesen Tag schon einmal erlebt hat und sich an vieles erinnert. Diese Selbstsicherheit macht ihn unvorsichtig. Nach rund zwölf Minuten hat er vermeintlich beide Geiselnehmer entwaffnet und alle Geiseln befreit – doch dann wird er trotzdem erschossen. Schreiend wacht er auf. Sein Handy klingelt, Wächter ist dran: Eine Geiselnahme...

Worum ging es wirklich? Darum, Ulrich Tukur die bislang größte Spielwiese von allen zu verschaffen – und das will was heißen nach Murots Debatten mit seinem Hirntumor, einem Rachewestern-Epos mit mehr als 50 Toten sowie dem verstörenden Suizid-Schocker „Es lebe der Tod“ von November 2016, von dem man sich bis heute erholen musste.

War das eine One-Man-Show? Bei allem Respekt für Tukur: Nein. Applaus gebührt neben der anonymen Hundertschaft hinter der Kamera insbesondere Christian Ehrich für seine Darstellung des wahnsinnigen Geiselnehmers Stefan Gieseking sowie Dietrich Brüggemann (Tatort: „Stau“). Der schrieb nicht nur das Drehbuch, sondern führte auch selbst Regie führte und komponierte die herrliche Musik.

Was war herzzerreißend? Murots leerer Blick ganz am Ende. Dieser Mann ist so abgrundtief traurig, dass er sich nicht einmal darüber freuen kann, dass er gerade eine Geiselnahme unblutig beendet hat. Und er ist zu müde, um sich zu fragen, was ihm da eigentlich Abgefahrenes passiert ist und weshalb. Die angeblich neu entdeckte Lebenslust, die Erkenntnis, dass jeder Tag ein Geschenk sei – alles nur gespielt.

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