Tatort „Die Nacht gehört dir“ Die zwei Seiten der Liebe

Nürnberg · Die Ermittler im Franken-„Tatort“ tauchen ein in die Welt der Datingportale. Ein Film mit fragwürdigen Perspektiven.

 Die Kriminalhauptkommissare Felix Voss (Fabian Hinrichs) und Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) sitzen im Schlafzimmer des Mordopfers.

Die Kriminalhauptkommissare Felix Voss (Fabian Hinrichs) und Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) sitzen im Schlafzimmer des Mordopfers.

Foto: dpa/Hendrik Heiden

Der Chef gerät regelrecht ins Schwärmen über seine Mitarbeiterin: Immobilien-Expertin Barbara „Babs“ Sprenger sei großzügig, lebendig, operativ, mitreißend, immer am Ball, frei und unabhängig – Kommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs) kann ihm nur beim Adjektiv lebendig widersprechen. Denn die attraktive Alleinstehende wurde erstochen in ihrer Wohnung gefunden.

Anna Tenta spielt diese  Frau, und ehe der Zuschauer ihr mal wirklich ins Gesicht schauen kann, sind gut 45 Minuten vergangen. Dafür kennt man ihren Busen und ihren Hintern in Großaufnahme, weil die Kommissare auf ihrem Handy und in ihrem Dating-Profil erotische Videos von ihr gefunden haben, die sich das Team über den Beamer gemeinsam anschaut. Warum Regisseur Max Färberböck den Po derart groß in Szene setzen muss, erschließt sich nicht. Der Zuschauer fühlt sich in dieser Szene wie ein Voyeur. Und unwohl.

Das sind aber die einzigen fragwürdigen Perspektiven, die es in diesem Film gibt. Ansonsten übt das Angedeutete, das Rätselhafte den Reiz dieses Falls aus. „Die Nacht gehört dir“ – der sechste Krimi des Franken- „Tatort“-Teams – beleuchtet die zwei Seiten der Liebe. Liebe suchen und finden, Erfüllung und Schmerz. Barbara Sprenger war sehr aktiv auf Datingportalen, traf sich mit vielen Männern, bis sie sich vor sechs Monaten sehr veränderte. Für Voss und seine Partnerin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) steht fest, dass das nur an der Liebe liegen kann. „Sie wollte zu jemandem gehören, aber am Ende war es ihr immer zu viel“, sagt einer ihrer ehemaligen Geliebten. Nicht nur ihm hat sie das Herz gebrochen, der Kreis der Verdächtigen ist ziemlich groß.

Umso überraschender ist, dass Sprengers Kollegin Theresa Hein (Anja Schneider), mit der das spätere Opfer seinen Geburtstag allein gefeiert hat, den Mord gesteht. Voss und Ringelhahn bleiben aber misstrauisch. Hein fehlt das Motiv, und sie schildert Tatabläufe falsch – so geht die Suche doch weiter. Voss ist ein wenig abgelenkt, weil er selbst verliebt ist und ganz analog auf dem Markt mit einer Honigverkäuferin angebändelt hat. Diese Szenen samt ihren Dialogen sind sehr charmant, der Kommissar leuchtet quasi vor Liebe. Dem gegenüber steht die zerstörerische Kraft von Gefühlen.

So ganz weiß der Zuschauer aber nicht, was der Film sein soll. Voss gerät noch in eine Sinnkrise angesichts der Schlechtheit der Menschen. „Messer, Messer, Messer, jeden Tag etwa mit Messern – da brauchst ja ein Kettenhemd, wenn du zum Einkaufen gehst“, stößt eine Hauswirtschafterin in einer Szene hervor. Ist der Film nun gesellschaftskritisch? Oder politisch? Oder lotet er die Untiefen der Liebe aus? Der Krimi beginnt verheißungsvoll, mit hohem Tempo und zerfasert dann zum Ende, an dem eine seltsame Lösung präsentiert wird und auch noch ein Spezialeinsatzkommando auftreten darf.

Ohne Showdown darf ein „Tatort“ wohl nicht enden. Nicht nur in diesem Fall schade.

„Tatort: Die Nacht gehört dir“, Das Erste, So., 20.15 Uhr

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