Kritik zum "Tatort" aus Köln Letzter Ausweg Selbstjustiz

Düsseldorf · Selbstjustiz aus Wut, ein bösartiges, mordlustiges Kind großgezogen zu haben, dem sich auf normalem, juristischen Weg offenbar keine Grenzen setzen lassen. Das Ende des Kölner "Tatorts" lässt den Zuschauer fassungslos und aufgewühlt zurück.

Szenenbilder aus dem Tatort "Ohnmacht"
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Szenenbilder aus dem Tatort "Ohnmacht"

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Ein solide und vernünftig wirkender Vater sieht keinen anderen Ausweg mehr, als seine Tochter zu ermorden, die zuvor aus purer Langeweile mit Freunden einen unbeteiligten jungen Mann totgeprügelt hat. Und deswegen wird er selbst verurteilt werden. Das erscheint in diesem Moment nicht unbedingt gerecht, wenn auch juristisch gesehen natürlich keine andere Möglichkeit bestehen wird.

Das Ende ist wie der gesamte Fall "Ohnmacht" herausragend. Die Geschichte: Zwei Jugendliche verprügeln einen Musikstudenten in einer U-Bahn-Station: Sie traktieren ihn mit Tritten, schlagen ihn mit seiner Geige. Ein dritter filmt das ganze. Es ist Zufall, dass Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) nach einem Feierabendbier vorbeikommt und sofort einschreitet. Der Kommissar wird mit einem Schlag gegen den Kopf ausgeknockt. Und als er gerade wieder zu Bewusstsein kommt, wird er auf die Gleise gestoßen. Eine einfahrende U-Bahn kann nicht mehr rechtzeitig bremsen.

Tatort: Teams mit den besten Quoten
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Die quotenstärksten "Tatort"-Teams von November 2011 bis Dezember 2015

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Foto: dpa, Sven Hoppe

Sekundenlang bleibt der Kommissar unter der Lok verschwunden. War es das für den Kölner Ermittler? Natürlich nicht. Er krabbelt kurz darauf mit einer heftig blutenden Platzwunde am Kopf, aber ansonsten unversehrt, aus dem Gleisbett. Die anderen Passanten schauen bei den Taten weg, keiner hilft, es setzt noch nicht mal jemand einen Notruf ab. Lebensgefährlich verletzt wird der junge Mann ins Krankenhaus gebracht und stirbt dort.

Das Thema Jugendgewalt ist gesellschaftlich relevant und wird spannend aufgearbeitet. Die Spannung ergibt sich weniger aus der Tätersuche, sondern vielmehr daraus, Jugendlichen eine gemeinschaftliche Tat so nachzuweisen, dass sie auch verhaftet und verurteilt werden können. Ballauf und Schenk kämpfen mit dem milden deutschen Jugendstrafrecht wie Don Quichotte und Sancho Pansa gegen Windmühlen. Mehrfach müssen die Kommissare die Verdächtigen, die sich mit ihren persönlichen Rechten sehr gut auskennen, laufen lassen.

Tatort – diese Teams ermitteln
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"Tatort" – diese Teams ermitteln

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Da Ballauf Zeuge war, darf er die Ermittlungen nicht leiten — kann es aber trotzdem nicht lassen, mitzumischen. Er rastet mehrmals aus, setzt die Verdächtigen unter Druck, macht Beweise somit unbrauchbar und wird dabei selbst zur Zielscheibe in Internetforen. Staatsanwalt von Prinz schaltet sich ein. Gespielt wird er von Christian Tasche — es ist der sehenswerte, vorletzte Auftritt des im November gestorbenen Schauspielers.

Drehbuchautor Andreas Knaup gibt der Geschichte immer neue Wendungen — und das ist bemerkenswert. Denn das Sujet ist nicht neu, es gibt inzwischen viel zu viele reale Vorbilder. Auf dieser Grundlage einen spannenden Fall zu entwickeln, ist ein kleines Kunststück. Das gelingt, indem Knaup der juristischen Ebene die zentrale Bedeutung gibt. Vor allem die jungen Darsteller — Nadine Kösters als Janine Bertram und Robert Alexander Baer als Kai Göhden — sind brillant. Sie spielen ihre Figuren so überzeugend, dass sie dem Zuschauer in Erinnerung bleiben.Temporeich bleibt die Folge "Ohnmacht", die ursprünglich "Mordswut" heißen sollte, über die ganzen 90 Minuten.

Tatort: Die Abschiede der Kommissare
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"Tatort": So verabschiedeten sich Kommissare

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Foto: dpa, bsc

Nach dem Abschied von Tessa Mittelstaedt als Assistentin Franziska Lüttgenjohann vergibt der WDR den "Job" von Folge zu Folge neu. Im zweiten Kölner Fall nach "Franziska" spielt Lucie Heinze als Miriam Häslich die Assistentin. Die Kollegin gibt "den Jungs", wie sie Ballauf und Schenk nennt, Nachhilfe in Sachen Beweissicherung mit Computern. Sie ist als kesse und kluge IT-Expertin eine gelungene Ergänzung des eingespielten Kölner Duos. Es wäre wünschenswert, wenn die Stelle mit ihr besetzt bliebe. Sie könnte eine unterhaltsame Franziska-Nachfolgerin werden.

(rap)
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