„Tatort: Liebeswut“ aus Bremen Auf der Suche nach dem Teufel
Bremen · Eine Frau stirbt, ihre Kinder verschwinden: ein vertrackter Fall für die Bremer Ermittlerinnen, der einer von beiden auch noch ziemlich nahegeht. Dazu prägen schräge Figuren diesen „Tatort“.
In diesem „Tatort“ verbirgt sich Entscheidendes meist hinter geheimen Türen – es ist ein für Ermittlerinnen wie Zuschauer rätselhafter Fall, den das Team aus Bremen in „Liebeswut“ zu lösen hat. Schon in den ersten Szenen haben es Linda Selb (Luise Wolfram) und Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) mit einer dieser Türen zu tun: Erst sieht am Tatort nämlich alles nach einem Wohnungsbrand aus – verrußte Tristesse, aber keine Opfer. Doch da ist ja noch diese Tür, und hinter dieser liegt die Leiche einer Frau. Im Hochzeitskleid aus rotem Tüll liegt sie mit Kopfschuss im Bett. War es Suizid? Oder Mord? Über ihr an den Wänden prangen Sätze wie aus einem Horrorfilm: „Der Teufel spricht zu ihnen durch die Wände. Er will sie holen. Ich kann nix mehr tun.“
Eine gruselig anmutende Angelegenheit, mit der Drehbuchautorin Martina Mouchot und Regisseurin Anne Zohra Berrached den Ton für den gesamten Film setzen. Immer wieder bedienen sie sich sicht- und hörbar am Psychothriller- und Horror-Genre. Was schon in manchem „Tatort“ danebengegangen ist, gelingt hier ziemlich passabel. Das liegt auch an den Figuren, die teilweise zwar arg überzeichnet sind, dadurch aber gut in diesen immer wieder surrealen Film passen.
Da ist zum Beispiel der aufdringliche Nachbar, der pausenlos Eis zu schlecken scheint – Aljoscha Stadelmann überzeugt mit Rauschebart und dickem Bauch im fleckig-weißen Feinripp auf ganzer Linie. Schnell gerät er ins Visier der Ermittlerinnen, die nicht nur den Todesfall aufzuklären haben, sondern auch das Verschwinden der beiden Töchter der Toten. Eine Falltür aus der Wohnung oben öffnet sich nämlich genau über seinem Wohnzimmer. Ist er der Teufel, der durch die Wände spricht – und auch derjenige, der die Kinder entführt hat?
Hier kommen auch noch andere in Betracht: der Ex-Mann der Toten und Vater der Mädchen zum Beispiel, der mit seiner neuen Freundin Zwillinge erwartet und von der Gesamtsituation ziemlich überfordert scheint. Diese junge Frau ist im Übrigen ein weiteres Beispiel für das skurrile Figurentableau in diesem „Tatort“: Sie kommt komplett im Anime-Look und mit Pieps-Stimme daher, in ihrer Wohnung flirren die Farben nur so um die Wette. Auch die Eltern der Toten, die von ihrer Tochter nicht allzu viel hielten, fallen den Kommissarinnen auf. Und dann ist da noch der Hausmeister der Schule, die die Kinder besuchen, der nur ausweichend antwortet und etwas zu verbergen scheint.
Ziemlich viel zu klären also für die beiden so unterschiedlichen Ermittlerinnen, die in diesem Fall im Übrigen unter sich bleiben. Kollege Mads Andersen (Dar Salim) ist in Kopenhagen, beim nächsten Fall soll er aber wieder dabei sein. Dadurch wachsen die beiden Frauen – in den ersten Folgen noch etwas arg auf anders getrimmt, diesmal aber auch in ihren Eigenheiten durchaus überzeugend – als Team enger zusammen.
Nicht zuletzt macht auch eine dritte rätselhafte Ebene diesen Fall spannend: Das Haus und der eisschleckende Nachbar wecken bei Ermittlerin Moormann unschöne Erinnerungen an ihre Kindheit. Immer wieder zucken diese albtraumhaft durchs Bild. Kennen die beiden sich? So gewinnt nicht nur dieser Fall an Tiefe, sondern auch die junge Kommissarin. Eine Entwicklung, die dem Bremer Team nur zugutekommen kann.
„Tatort: Liebeswut“, Das Erste,
Sonntag, 20.15 Uhr