Der „Tatort“ aus München Die Party ist vorbei

München · Passend zum Karnevalssonntag ist der „Tatort“ im Münchner Fasching angesiedelt. Doch mit freudig-närrischem Treiben hat der neue Fall der Kommissare Batic und Leitmayr herzlich wenig zu tun.

 Silke Weinzierl (Nina Proll) fühlt sich auf der Verliererseite des Lebens gefangen.

Silke Weinzierl (Nina Proll) fühlt sich auf der Verliererseite des Lebens gefangen.

Foto: Luis Zeno Kuhn/BR

„Wer um viel spielt, kann auch viel verlieren“, sagt Silke Weinzierl (Nina Proll) zu den Kommissaren Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl), als diese sie nach einer Nacht in der Ausnüchterungszelle als Zeugin in einem Mordfall befragen. Die Mutter eines halbwüchsigen Sohnes will mehr vom Leben als eine spießige Münchner Vorort-Reihenhaus-Existenz mit geregeltem Einkommen und vermeintlicher Familienidylle. Und sie rechnet immer noch mit dem großen Durchbruch, der ihr einen Platz unter den oberen Zehntausend sichert. Um dort hinzukommen, ist sie bereit, alles auf eine Karte zu setzen, denn: „Das ganze Leben ist ein Spiel.“

Was weiß Rotkäppchen?

Und zwar eines, das das Leben kosten kann: In einer Faschingsnacht in München stirbt ein älterer Herr, er war in halbseidene Geschäfte verstrickt – und mit Weinzierl gut bekannt. Auch in der Mordnacht sollen sich die beiden noch gesehen haben, in „Irmis Stüberl“, wo Weinzierl als Rotkäppchen verkleidet gefeiert und mit Faschingsgästen „umeinander g’schmust“ hat. Doch Silke Weinzierl streitet alles ab, behauptet, das Opfer gar nicht zu kennen.

Spätestens jetzt ist den beiden Kommissaren klar, dass sie es nicht mit einer gewöhnlichen Zeugin zu tun haben – und nicht mit einem gewöhnlichen Mord. Der Todesfall wird sogar immer mehr zur Nebensache, stattdessen dreht sich in diesem „Tatort“ alles um Silke Weinzierl, die den Kommissaren immer neue Lügen auftischt und sich auch partout nicht beschützen lassen will, obschon sie sich offensichtlich in großer Gefahr befindet – denn dieses Mal, so scheint es, hat sie zu hoch gepokert.

„Kehraus“ heißt der neue Münchner „Tatort“, und das ist im doppelten Sinne zu verstehen. Traditionell bezeichnet das Wort das Ende eines Festes, den letzten Tanz, bevor es Zeit ist, nach Hause zu gehen. In diesem Fall hat der graue kalte Faschingsmorgen nicht nur das Ende der Party, sondern auch noch eine Leiche gebracht. Und auch für Silke Weinzierl ist das Fest vorbei, und damit ist nicht nur das Faschingstreiben vom Vorabend gemeint.

Zwei Diven, die ihre besten Tage hinter sich haben

Weinzierl spürt mehr und mehr, dass ihre große Chance auf ein gutes Leben nicht mehr kommen wird, dass sie tatsächlich permanent auf der Verliererseite festzustecken droht, doch sie stemmt sich weiterhin trotzig gegen diese Erkenntnis und wechselt die Geschichten über ihr angeblich erfolgreiches Leben so oft wie ihre Faschingskostüme, in denen sie sich versteckt. Immer noch will sie beweisen, dass sie es schaffen kann: ihrem Ex-Mann, ihrem Sohn – und vor allem sich selbst.

Nina Proll spielt Silke Weinzierl mit einer intensiven Mischung aus Traurigkeit und verlebter Würde, die an die Nieren geht und es unmöglich macht, auf ein Happy End zu hoffen. Zweite Hauptdarstellerin in diesem „Tatort“ ist die Stadt München, die sich einmal nicht als die Schicki-Micki-Metropole des Südens präsentiert, sondern angegangen und abgeschabt wie eine Diva, die – wie auch Weinzierl – ihre besten Tage längst hinter sich hat.

Drogenkrieg am Hofbräuhaus

Leider fällt neben diesen beiden Stars (und den verlässlich überzeugenden Kommissaren) der Kontrast zu alldem besonders deutlich auf, was in diesem „Tatort“ weniger gelungen ist. Dabei hätte es ein richtiger guter werden können – wäre ihm nicht der eigene Anspruch in die Quere gekommen. Denn neben Krimi und Gesellschaftskritik will „Kehraus“ noch mehr sein: Thriller, Beziehungsdrama und irgendwie auch ein bisschen Komödie. Im Bestreben, dieses Ziel zu erreichen, fährt Regisseurin Christine Hartmann einfach zu viel auf: Geldwäsche, Drogenkrieg, Erpressung rund um das Hofbräuhaus. Das wirkt arg an den Haaren herbeigezogen und lenkt eher ab, als dass es zur Spannung beitrüge, zumal die Nebenfiguren und -handlungsstränge – von wenigen Ausnahmen abgesehen – ärgerlich lieblos gestaltet sind und entsprechend blass bleiben.

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