Neuer „Tatort“ aus Wien Ein Krimi für die kalte Jahreszeit

Wien · Ein Obdachloser wird tot aufgefunden. Kommissar Moritz Eisner vermutet den Täter zunächst im Milieu, doch Kollegin Bibi Fellner erkennt einen alten Informanten. Solide Krimikost aus Wien, die zur rechten Zeit kommt.

 Kommissar Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) ermittelt im „Tatort“ nach dem Mord an einem ehemaligen Journalisten im Obdachlosenmilieu von Wien.

Kommissar Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) ermittelt im „Tatort“ nach dem Mord an einem ehemaligen Journalisten im Obdachlosenmilieu von Wien.

Foto: dpa/Philipp Brozsek

Das Penthouse ist in diesem „Tatort“ eine Bruchbude. Aus ein paar Planen und Brettern auf der Galerie einer verfallenen Fabrikhalle zusammengezimmert, hauste darin Gregor Aigner. Doch zu Beginn dieses vorweihnachtlichen Wiener Krimis, der so gar keine weihnachtliche Stimmung verbreitet, liegt der Obdachlose ein paar Meter weiter unten tot auf dem Boden. Verstorben an inneren Blutungen, zudem war er stark alkoholisiert, und an seiner Jacke finden sich Rückstände von Crystal Meth. Aufgefunden wurde Aigner zudem von Indy (Michael Steinocher) und Tina (Maya Unger), die ebenfalls auf der Straße leben und mit dem Toten befreundet waren. Kein Wunder also, dass Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) zunächst einen Mord im Obdachlosenmilieu vermutet.

Doch Kollegin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) mag daran nicht so recht glauben. Sie erkennt in dem Toten einen ehemaligen Informanten, der früher erfolgreich als Journalist gearbeitet hat. Und zudem wenige Tage vor seinem Tod plötzlich dringend mit ihr reden wollte. „Sehr zuverlässig“, sagt sie, „bis er angefangen hat, immer ärger zu trinken.“ Abwärts ging es offenbar ganz schnell: Erst verlor er seinen Job, dann ging die Ehe in die Brüche – und am Ende wollte er nicht einmal mehr im Wohnungslosenheim „Lebensraum“ bleiben, in dem er ein Zimmer hatte.

In diesem Heim spielt sich der zweite Erzählstrang des „Tatort“­-Debüts von Regisseur Daniel Prochaska und den Drehbuchautoren Thomas Christian Eichtinger und Samuel R. Schultschik ab. In dem Heim, das neben einer Notschlafstelle auch eine Kantine und feste Zimmer für Menschen wie Aigner bereithält, werden bis zu 20.000 Klienten pro Jahr betreut. Dazu gehören auch eine junge Mutter und ihr Sohn (die das Zusammenspiel übrigens nicht lange üben mussten: Sabrina Reiter und Sohn Finn), die aus purer Not einziehen müssen. Und Micha Schmidt (Klaus Huhle), mit dem sich Aigner noch vor Kurzem heftig gestritten hat.

Bald stoßen die Ermittler aber nicht nur auf den seltsamen Umstand, dass Aigner vor Kurzem seine Lebensversicherung auf Tina umgeschrieben hat – sondern auch auf den Blog des Verstorbenen, auf dem dieser vom rätselhaften Verschwinden Dutzender Menschen berichtet. Sind das bloß die Aufzeichnungen eines verwirrten Alkoholikers, oder steckt doch mehr hinter dem vermeintlichen Milieumord?

Es ist bereits der dritte Fall für das Team nach der Sommerpause und die 25. gemeinsame Ermittlung für Fellner und Eisner. Und wie immer ist auf das charmante Wiener Gefrotzel der beiden Verlass, das immer wieder auch einen herzlichen, nahezu anrührenden Unterton hat. Für Fans des Duos und des Sonntagabendkrimis an sich also eine durchaus lohnenswerte Folge – wer es richtig spannend mag, wird hier aber vermutlich enttäuscht.

„Unten“ ist zwar bis auf wenige Ausnahmen angenehm klischeefrei geraten, die Auflösung kann am Ende allerdings kaum überraschen. Dennoch ist das Sozialdrama gerade in der kalten Jahreszeit und in einer Zeit, in der die Corona-Pandemie die Probleme vieler Obdachloser noch verschärft, sehenswert.

„Tatort: Unten“, Das Erste, 20.15 Uhr

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