TV-Nachlese Maischberger "Nicht Religion spaltet die Welt, sondern der Missbrauch dieser"

Düsseldorf · Angesichts von Terroranschlägen durch Islamisten fragt Sandra Maischberger an Fronleichnam: "Spaltet Religion die Welt?" Zu hören bekommt der Zuschauer jede Menge unterschiedliche Meinungen ohne wirklich neue Erkenntnisse. Öl ins Feuer gießt immer wieder einer: Ex-CDU-Generalsekretär Heiner Geißler.

Londoner gedenken mit Schweigeminute der Opfer des Anschlags
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Londoner gedenken mit Schweigeminute der Opfer

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Darum ging's:

"Kann man heute unbefangen über Glauben und Religion sprechen in Zeiten, in denen sich Terroristen im Namen Gottes in die Luft sprengen und Menschen töten?", fragt Maischberger zu Beginn der Sendung, um direkt selbst zu antworten: "Nein! Und deshalb fragen wir ganz ketzerisch: Wäre die Welt ohne Religion ein besserer Ort?"

Darum ging's wirklich:

Die Gäste, vom Katholiken über die Muslima bis hin zum Atheisten, machen ihre Sicht der Dinge deutlich, wobei die Frage, ob Religion die Welt spaltet, nur oberflächlich beantwortet wird. Natürlich geht es zunächst vor allem um die Glaubenskriege von Islamisten, aber auch um einen Vergleich zu den Kreuzzügen der katholischen Kirche. Doch mit zunehmender Stunde zerfasert die Sendung angesichts dessen, dass plötzlich noch ganz viele Themen angesprochen werden müssen.

Die Gäste:

  • Margot Käßmann, Theologin und ehemalige EKD-Ratsvorsitzende
  • Heiner Geißler, ehemaliger CDU-Generalsekretär
  • Angelika Kallwass, Atheistin und Diplom-Psychologin
  • Martin Lohmann, katholischer Publizist
  • Khola Maryam Hübsch, Journalistin und Muslima
  • Philipp Möller, Autor und Atheist

Frontverlauf

Die Sendung beginnt mit einer Umfrage, wonach 55 Prozent der Befragten das Christentum für eine friedliche Religion halten, aber nur sieben Prozent den Islam. Und schon ist die Sendung mittendrin in der Debatte rund um den Islam. Die Muslima Hübsch kann diese Werte nachvollziehen angesichts der aktuellen Lage mit zunehmenden Terroranschlägen. Katholik Lohmann sagt: "Ich glaube, dass der islamistische Terror, wie es ihn heute gibt, vor allem dem Islam schadet."

Schnell kommt die Runde aber weg von der Diskussion um den Islam allein, sondern konzentriert sich auf das Thema Religion an sich. So sagt etwa Käßmann, Religion lasse sich verführen, Öl ins Feuer von Konflikten zu gießen, das habe es immer wieder gegeben. Aber die Christin ist auch der Meinung, "Religion kann zum Frieden beitragen, wenn Menschen ihre Religion ernst nehmen". Katholik Lohmann sagt wiederum: "Ich glaube nicht, dass Religion die Welt spaltet, sondern der Missbrauch von Religion", da hätten auch Katholiken und Protestanten Fehler gemacht, aber: "Das Christentum ist eine Religion des Friedens".

Heiner Geißler, der einst an einem Jesuitenkolleg war und zugibt, den Glauben verloren zu haben an den Gott, "den die evangelische und katholische Kirche präsentiert", sagt wiederum: "Wir leben in einer Welt, die vollkommen in Unordnung ist." Die Frage sei, was die Religionen und Kirchen dafür tun würden, um diese Unordnung zu beseitigen. Sein Fazit: Der Islam richte doch nur Unordnung an. Aber er verweist darauf, dass das Christentum einst nicht besser war, überhaupt gibt es von ihm immer wieder Seitenhiebe gegen die evangelische und die katholische Kirche. Er ist der Ansicht, der Glaube habe "viele große Löcher". Muslima Hübsch wiederum nennt es völlig logisch, dass in einer Welt mit großer sozialer Ungerechtigkeit Menschen anfällig seien für Ideologien.

Aufreger des Abends

Hübsch wird mit der Frage konfrontiert, ob sich Muslime nicht von den Islamisten und ihrem Terror distanzieren und klarer machen müssten, dass der Islam eine friedliche Religion sei. Das regt die Muslima auf. Es sei schwer, sich von etwas zu distanzieren, "wo es keinen Zusammenhang gibt", denn schließlich verlange man von den Deutschen ja auch nicht, auf die Straße zu gehen, wenn Flüchtlingsheime angezündet würden. Atheist Möller kontert: "Jetzt wollen sie uns weismachen, dass der Islamismus nichts mit dem Islam zu tun hat?" Hübsch: "Das habe ich doch gar nicht gesagt."

Nur wenige Minuten später sagt Kalwass, dass sie nicht verstehe, dass es keinen Versuch der Mehrheit der Muslime gebe zu zeigen, dass sie eine Religion hätten, die nicht islamistisch geprägt sei. Hübsch daraufhin: "Was glauben Sie denn, was Muslime wie ich Tag und Nacht seit dem 11. September machen?" Und dann wird sie ungehalten: "Egal, wo ich bin, privat oder öffentlich, ich muss mich für den Islam rechtfertigen, ich muss den Islam erklären. Und ich denke dann, was habe ich mit diesen verrückten, durchgeknallten Vollidioten zu tun, die da irgendwelche Menschen in die Luft sprengen?"

Als Lohmann dann fragt, was dagegen spreche, wenn die Muslime mal ein Zeichen setzten, sagt die Journalistin, "das ist so öde", dass es in jeder Talkshow die Forderung nach einer Distanzierung gebe, "das ist erbärmlich". Woraufhin sich Möller ereifert und die Bezeichnung "öde" als herablassend bezeichnet. "Wir haben weltweit Opfer zu beklagen und sie sprechen von öde", sagt er.

Satz des Abends:

"Mit Gott wird so viel Missbrauch betrieben." (Heiner Geißler)

Fazit:

Eigentlich ist das Thema der Sendung spannend, doch bleibt die Diskussion an der Oberfläche haften, ohne wirklich Neues zu Tage zu befördern. Vielleicht ist auch das der Grund, warum die Moderatorin dann noch jede Menge Themen auf den Tisch bringt, die im zweiten Teil der Sendung quasi im Schnelldurchlauf diskutiert werden: Abtreibung, ein Gerichtsprozess gegen einen Muslimen in Cottbus, dessen Urteil empörte, das geplante Kreuz auf dem Stadtschloss in Berlin, Kirchensteuer. All das hätte es nicht gebraucht, sondern lässt die Sendung derart zerfasern, dass sich der Zuschauer am Ende wirklich nur fragen kann, was der Talk ihm nun gebracht hat.

(das)
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