Review Staffel 2, Folge 7: Monster Picard in der Ödnis der Mittelmäßigkeit

In einer recht billig inszenierten Folge soll es um Picards Kindheit gehen. Doch diese Charakter-Episode versinkt im Mittelmaß und in den geringen Ansprüchen der Serienmacher.

 Wir reisen in Jean-Luc Picards Unterbewusstsein. Leider ist das am Ende allas andere als faszinierend.

Wir reisen in Jean-Luc Picards Unterbewusstsein. Leider ist das am Ende allas andere als faszinierend.

Foto: Trae Patton/Paramount+/Trae Patton

Es ist ein ernstes Thema, das ein gewisses Maß an Empathie und Fingerspitzengefühl verlangt: die Folgen einer offenbar bipolaren Störung der Mutter für einen kleinen Jungen. Doch wir bekommen in der 2. Staffel von Picard bei Amazon Prime eine recht platte Darstellung, die sich nicht wirklich um die psychische Erkrankung und die Auswirkungen auf die Familie schert. Im Unterbewusstsein von Jean-Luc erlebt der ein traumatisches Erlebnis. Nein, es ist keine Abfolge diverser Ereignisse, die seine Kindheit geprägt haben. Es ist nur ein Erlebnis. Und als er widerwillig einem zu Beginn noch unbekannten Schiffscounselor davon erzählt, stellt er seine Mutter als Königin dar. Er ist der kleine Prinz. Der Vater ist offenbar ein Monster, das insbesondere seine Mutter verfolgt. Auf diesem einem Ereignis reitet die Episode nun rum.

Das offenbart nicht nur, dass ein alter Picard tatsächlich immer noch ein Muttersöhnchen ist. Es zeigt auch, dass er trotz der Psychatrie und Möglichkeiten des 24. Jahrhunderts nie die Wahrheit erfahren hat oder die Diagnose kannte. Was ist mit der fortschrittlichen Medizin und einer weiterentwickelten Gesellschaft, die psychische Erkrankungen nicht stigmatisiert!? Er hat offenbar auch nie mit seinem Bruder geredet. Und er merkt nicht, dass die Projektion des Schiffscounselors wie sein Vater Maurice aussieht – obwohl der junge Picard ihn dann sofort erkennt. Offenbar ist der Geist von Jean-Luc ziemlich durcheinander.

Schlussendlich kommt raus, dass nichts so war, wie er geglaubt hat. Seine Mutter, die offenbar tatsächlich sehr kreativ sein konnte, hat eine manische Phase oder Wahnvorstellungen. Wir bewegen uns da in Vermutungen, weil nie explizit gesagt wird, was mit ihr ist. Es sind nur Andeutungen. So muss sich die Autorin Jane Maggs nicht festlegen oder gar Recherche betreiben und mit Experten reden, um die Störung möglichst glaubhaft zu beschreiben. Diese vage Darstellung würde eher zu einer Geschichte aus dem späten 19. oder den Anfängen des 20. Jahrhunderts passen. So wie die Kleidung des jungen Picard und seiner Familie in seinem Unterbewusstsein. Aber zum 24. Jahrhundert!?

Die Mutter zerrt mehr oder weniger den Jungen in die dunklen Tunnel unter dem Château Picard, wo er in einer Holzplanke mit dem Fuß stecken bleibt. Seine Mutter Yvette dagegen läuft einfach weiter. Nach Stunden befreit ihn dann sein Vater und versucht, die aufgebrachte Mutter zu beruhigen. Das löste bei dem Kind den Glauben aus, sein Vater hätte sie misshandelt. Doch nun klärt sich alles auf. In sehr wenigen Minuten. Man scheut sich offenbar davor, zu tief in das Krankheitsbild einzusteigen, für das es offensichtlich im 24. Jahrhundert keine Behandlung mehr gibt. Viel lieber konzentrieren sich die Autoren und die Serienmacher auf die verdrehte, eingebildete Erinnerung. Da kann man ja auch nichts falsch machen.

Als dann die große Enthüllung kommt, quittiert das Picard mehr oder weniger ausdruckslos und mit einem Schulterzucken. Sein Vater hat nie seine Mutter geschlagen, sie war krank. Das große Kindheitstrauma, das sein Leben bis ins hohe Alter beherrscht und seine Beziehungen zu Menschen bestimmt, beruht zum Teil auf eine Einbildung. Seine Wut auf seinen Vater war fehlgeleitet. Und Picard sagt mehr oder weniger: Okay. Tallinn ist die ganze Zeit dabei. Und auch da kommt kein Satz von ihm dazu. Vielmehr scheint es ihn ein wenig peinlich zu sein, dass sie sein Unterbewusstsein kennt. Star Trek ist es in vergangenen Serien die „Next Generation“ und „Deep Space 9“ sehr viel besser gelungen ist, solche Charakter-Episoden umzusetzen, mit einem Trauma umzugehen oder in die Tiefen des Unbewussten einzutauchen. So bleibt das alles im Mittelmaß hängen. Wie auch der Rest der Episode. Das Autorenteam und die Serienmacher – sie haben nicht die höchsten Ansprüche und das beweisen sie leider immer wieder.

Nachdem Tallinn sich ein Gerät anheftet, mit dem sie ein spitzes Ohr hat – Wink mit dem Zaunpfahl – offenbart sie später, dass sie tatsächlich eine Romulanerin ist. Sie versteckt es bei ihrem Einsatz auf der Erde nur. Den Supervisoren sind offenbar die Menschen ausgegangen, obwohl sie laut dem bereits erwähnten Gary Seven im 4. Vorchristlichen Jahrtausend Menschen entführt und auf ihren Heimatplaneten angesiedelt haben. Das sind leider alles Erklärungen mit der Brechstange dafür, dass Tallinn wie Laris aus Picards eigentlicher Gegenwart aussieht. Die Gage für die Schauspielerin Orla Brady war vermutlich so hoch, dass man sie in vielen Folgen einsetzen musste. Das erklärt dann auch, wo das Budget geblieben ist. Denn diese Folge wirkt nicht gerade teuer. Dieser Eindruck zieht sich aber bereits durch die gesamte zweite Staffel.

Ebenfalls mit der Brechstange gehen die Autoren bei der jungen Guinan ran: Die soll einen Vertreter des Q-Kontinuums herbeirufen. Das endet nicht nur wie bei einer Poltergeist-Szene mit wackelnden Tischen, Schränken und zerberstenden Flaschen. Es erinnert auch an Aladdin und dem Flaschengeist. Die El-Aurianer, zu denen Guinan gehört, haben einen Waffenstillstand mit dem Q-Kontinuum. Dass die beiden eine Fehde haben, wissen wir seit „Next Generation“. Die junge Guinan stellt auch die Geste aus der Serie nach, mit der El-Aurianer offenbar einem „Q“ drohen können. Um aber einen Vertreter des Kontinuums zu rufen, benötigt sie eine Flasche, die beim Waffenstillstand dabei war. Zufällig hat sie die in ihrer Bar. Gab es so viele Flaschen? Oder nur eine? Warum hat Guinan sie dann? Und warum bewahrt sie die einfach in ihrer Bar auf? Nur für den Fall, dass mal jemand fragt?

Dann kommt die große Esoterik-Erklärung: Flasche und Wasser haben die Schwingung des Ereignisses aufgenommen, also quasi die Erinnerung daran bewahrt. Sind wir immer noch bei Star Trek? Ist es Science Fiction? Oder ist es mittlerweile egal? Es passiert beim „Aladin-Anruf“ indes nichts. Klar, es wurde in dieser Staffel ja auch noch nie gesagt oder gezeigt, dass Q schwächelt oder einen Großteil seiner Kräfte verloren hat. Mit für diese Episode viel Aufwand wurde also etwas inszeniert, dass wir ohnehin schon wissen.

Zwanghafter Fan-Service an jeder Ecke

Am Ende wird Picard vom FBI verhaftet. Es ist dann doch aufgefallen, dass er auf eine zu dem Zeitpunkt glücklicherweise verlassenen Straße gebeamt ist. Oder ist das kein Bundesgesetzeshüter? Der Schauspieler Jay Karnes spielte in der Star-Trek-Voyager-Episode „Relativity“ (1999) Lieutenant Ducane, der im 29. Jahrhundert Eingriffe in die Zeitlinie überwacht und damals Kontakt mit Seven hatte. Vielleicht hat ihn Picards Erscheinen auf den Plan gerufen. Vielleicht spielt das alles auch gar keine Rolle und er ist nur Opfer des Autorendrangs, möglichst viele Referenzen unterzubringen.

Rios beispielsweise sagt zu Dr. Teresa Ramirez auf die Frage, ob er aus dem Weltraum sei: „Ich komme aus Chile. Ich arbeite nur im Weltraum.“ Das ist fast der gleiche Satz, den Kirk bei seiner Zeitreise in das Jahr 1986 zu Dr. Taylor in Star-Trek-IV „The Voyage Home“ sagt. Dort heißt es: „Ich komme aus Iowa. Ich arbeite nur im Weltraum.“ Es könnte ein Hinweis sein, dass Dr. Ramirez und ihr Sohn mit Rios in die Zukunft reisen. So wie es Dr. Taylor getan hat. An Bord seines Schiffes sind die beiden ja am Ende bereits.

Vielleicht bringt Rios sie aber auch nach Chile und Ramirez ist seine Vorfahrin. Mittlerweile überrascht uns nichts mehr. Oder der Satz ist nur eine der vielen zwanghaften Referenzen in der 2. Staffel. So wie der Sohn, der mit dem Modell eines OV-165-Shuttles spielt. Das wurde auch schon in der vergangenen Episode genannt und gezeigt. Eigentlich stammt es aus dem Intro der Serie „Star Trek Enterprise“ (2001-2005). Die Serienmacher wiederholen sich langsam. Gehen ihnen bald die Referenzen aus? Wir hätten da noch etwas im Angebot: Zefram Cochrane wird 2063 den Warp-Antrieb erfinden. Das könnte man bestimmt irgendwie einbauen. Denn offenbar denken die Serienmacher, dass sich die gesamte Sternenflotten-Geschichte auf ein paar wenige Namen reduzieren lässt. In einer der vergangenen Episode gab es auch schon einen Rozhenko. So hießen die Adoptiveltern von Worf aus „Next Generation“.

Ein wenig stimmiger sind die Wortfetzen aus „Next Generation“, die man in Picards Unterbewusstsein hört. Wir meinen, sie stammen aus den Episoden „Best of Both Worlds“ (1990), als Picard von den Borg assimiliert wurde und zu Locutus wurde. Dazu kommt ein Satz aus „Tapestry“ (1993): In der Folge stirbt Picard, wird aber von Q zurückgebracht. Die hatten wir bereits in der Review zur ersten Episode der 2. Staffel erwähnt. Und wir meinen auch einen Fetzen aus „The Hunted“ (1990) vernommen zu haben. Darin geht es um gentechnisch veränderte Soldaten. Die Themen dieser Folgen haben eine Verbindung zu Elementen in der 2. Staffel. Das ist tatsächlich sogar gelungen. Doch trotz aller Liebe zu Referenzen haben die Serienmacher eine kleine Unstimmigkeit eingebaut. In der Episode „Tapestry“ wurde uns bereits ein Maurice Picard mit schütterem Haar gezeigt. In dieser Folge macht sich sein Vater in Jean-Lucs Unterbewusstsein darüber lustig, dass er anders als sein Sohn keine Glatze bekommen habe.

Jurati dagegen spielt keine große Rolle in dieser Folge. Um die Endorphin-Produktion weiter in die Höhe zu treiben, geht sie in eine Bar und schlägt von innen ein Fenster ein. Von außen hätte das offenbar nicht den gewünschten Effekt gehabt. Es gibt ja auch keine anderen Möglichkeiten wie Sport oder Medikamente. Die Frau, die in dieser Bar singt, ist übrigens Sunny Ozell - die Ehefrau von Patrick Stewart.

Raffi und Seven haben auch nicht viel mehr zu tun. Die Computersysteme der „La Sirena“ wurden von der Borg-Königin verschlüsselt, was Seven mit nur einem Blick feststellt. Das wird begleitet von einem seltsamen Dialog. Raffi sagt zu ihr, die anderen seien nur Statisten. Sie beide aber wären die Hauptfiguren. Wir kommen nicht umhin, da eine Meta-Ebene zu vermuten. Fast könnte man meinen, jemand macht sich über die Serienmacher lustig. Denn auch Picard meint an einer Stelle über seinen Charakter, dass es ein Klischee sei. Und: „Es ist nicht meine Aufgabe, interessant zu sein.“ Leider liegt er damit alles andere als falsch. Seine Aufgabe ist vor allem Fan-Service.

Was ist mit Renée Picard? Tallinn behauptet, ihr gehe es gut. Das muss nun reichen. Rios hat aus dem Nichts seinen Kommunikator wieder, dafür hat nun Picard seinen in Guinans Bar versteckt. Und sein großes Trauma? Wir kennen noch nicht die ganze Geschichte. Eine Offenbarung steht noch aus. Wir erwarten da aber nicht mehr viel von den Autoren.

Die Reviews zu den vergangenen Episoden findet man hier: Folge 1, Folge 2, Folge 3, Folge 4, Folge 5, Folge 6.

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