Review Picard Staffel 2, Folge 4 „Wächter“ Picard: Reißt die Staffel nun das Ruder?

Die vierte Folge der 2. Picard-Staffel bei Amazon überrascht: Zwei Teile der Episode sind gar nicht schlecht und sogar gut. Ein Part dagegen bleibt immer noch im lächerlich Schlechten stecken.

 Es ist überraschend: Aber die Drehbücher für Picard werden zumindest teilweise tatsächlich besser ab Folge 4.

Es ist überraschend: Aber die Drehbücher für Picard werden zumindest teilweise tatsächlich besser ab Folge 4.

Foto: Trae Patton/Paramount+/Trae Patton

Was war denn das? Haben die zwei neuen Drehbuch-Autorinnen Julianna James und Jane Maggs tatsächlich Handlungslücken der vergangenen Episode gestopft? Mal eben so im Vorbeigehen. Ja, das haben sie. Die „La Sirena“ hat plötzlich doch ein Tarnsystem, wie Picard aus dem Nichts heraus feststellt – und es einschaltet. Das hatten wir in unserer Review vergangene Woche noch bemängelt. Wir hatten die Kurzsichtigkeit und Unfähigkeit der damaligen Autoren dafür verantwortlich gemacht. Die beiden neuen Drehbuch-Schreiberinnen indes haben den Fehler erkannt und ihn korrigiert. Natürlich wäre es überzeugender gewesen, wenn Captain Rios das Tarnsystem schon vor einer Woche entdeckt hätte. Schließlich kennt er sein Schiff und hätte die Unterschiede in der neuen Konföderierten-Version schnell bemerkt. Zumal er mehr Zeit an Bord verbracht hat als Picard. Aber wir können damit leben. Auch wenn wir nicht verstehen, warum ein neues Autorenteam Fehler des anderen ausbügelt. Gibt es keine internen Besprechungen?

Auch die Kommunikatoren sind nun tatsächlich nicht in der Lage, eine Verbindung zwischen dem Team in Los Angeles und dem Schiff aufzubauen. Doch sehen wir jetzt nur Picard an Bord der „La Sirena“, der erfolglos versucht, das „Außenteam“ zu kontaktieren – bis Jurati noch einmal erklärt, warum das nicht möglich ist. Vergangene Woche gab es leider durchaus eine Verbindung, Rios konnte den Ruf nur nicht annehmen. Haben da verschiedene Leute im Drehbuch-Team unterschiedliche Auffassungen?

Wie auch immer: Die beiden Autorinnen der Episode 4 scheinen sehr viel mehr Wert auf glaubhafte Handlung und überzeugende Charaktere zu legen als alle ihre Vorgänger. Und weil wir so oft in unseren Reviews in den vielen offenen Wunden der Sinnlosigkeit und des Schlechten gebohrt haben, starten wir mit dem Guten. Mit „Home“ hatte Picard tatsächlich das Familien-Château in Frankreich gemeint. Wir wissen zwar immer noch nicht, warum man das in der vergangenen Episode buchstäblich im Dunklen ließ und nicht einfach gesagt hat. Nun ist es indes klar. Und als der alte Captain und Jurati das verlassene und heruntergekommene Landgut besucht, erfahren wir nicht nur einige Details über die Familie Picard. Die Chemie zwischen Patrick Stewart und Alison Pill stimmt einfach. Und das schafft eine innige Atmosphäre in den spärlich beleuchteten Räumen. Es führt zudem halbwegs überzeugend auf eine neue Spur, wann die Zeitlinie verändert worden ist: am 15. April 2024 oder in drei Tagen in dieser Geschichte. Das alles wird tatsächlich hergeleitet und fällt nicht plötzlich in den Schoss der Protagonisten. Das ist neu in dieser Staffel.

Und das Datum erklärt dann auch, warum wir nicht Benjamin Sisko, Dr. Bashir und Jadzia Dax aus „Deep Space 9“ treffen werden: In der Doppelfolge „Past Tense“ (1995) finden sie sich erst zwischen Ende August und Anfang September 2024 nach einem Transporterzwischenfall in der Vergangenheit wieder.

Danach trennen sich die Wege von Picard und Jurati – eben wegen der Kommunikationsprobleme mit dem Außenteam. Er beamt nun auch nach Los Angeles zu den erbeuteten Koordinaten und landet vor der Tür von Guinans Bar, die nun von einer jüngeren Schauspielerin als Whoopi Goldberg gespielt wird. Das ergibt alles mehr oder weniger Sinn und leitet sich aus den gezeigten Ereignissen ab. Das müssen wir betonen, weil so etwas Selbstverständliches leider in der 2. Staffel ein Novum ist.

Die junge Guinan reagiert mit Misstrauen auf den ihr unbekannten Picard im Jahr 2024. Sein Versuch, sie zunächst von sich zu überzeugen und dann von seiner Mission, ist tatsächlich gut geschrieben. Zugegeben, es ist nicht immer sonderlich tiefsinnig. Aber es bleibt in sich stimmig. Da ist der immer noch hoffnungsvolle alte Mann, der daran glaubt, den Fehler in der Zeitlinie korrigieren zu können. Auf der anderen Seite ist ein junge, frustrierte, enttäusche Außerirdische, die den Glauben an die Menschheit verloren hat und den Planeten verlassen möchte. Optimismus gegen Pessimismus, Alter gegen Jugend. Und die Diskussion findet statt vor der bitteren, düsteren Wirklichkeit, in der kleine Gesten von Hoffnung künden: Mit wenigen Mitteln wird da tatsächlich eine Geschichte erzählt und prallen zwei Sichtweisen aufeinander, die sich auch auf unsere Realität übertragen lassen.

Und Picard kann das nur lösen, weil er Guinan entgegen der eigenen Zeitreise-Regel seinen Namen nennt. Gerade das aber weckt etwas in ihr. Wie das Echo einer alten Verbundenheit, die erst Jahrhunderte später entsteht. Sie führt ihn am Ende gut inszeniert zu dem Wächter. Warum konnte die zweite Staffel nicht von Anfang an dieses Niveau haben? So wirken die ersten drei Episoden erst recht wie stümperhaft und lustlos abgefertigt.

Auch die Entwicklung an Bord der „La Sirena“ überzeugt uns. Die Borg-Königin setzt ihre Verführung von Jurati fort. Sie bohrt in den Schwachstellen der Wissenschaftlerin und nutzt ihre Sehnsüchte. Und sie merkt, dass ihre Worte die Wirkung nicht verfehlen. Dabei ist sie stets selbstbewusst, arrogant bis zynisch, niemals schmeichelnd, aber immer ein wenig verlockend. Annie Wersching spielt die Borg-Königin mit einer gewissen Innigkeit. Und das ist umso beeindruckender, weil sie kaum ihren Körper einsetzen kann – und ihr Gesicht unter der Maske der Königin steckt.

Aber auch Alison Pill kann erneut zeigen, dass sie mehr als nur der Pausenclown ist. Man sieht der Schauspielerin an, wie irritiert Jurati ist – die am Ende fluchtartig den Raum mit der Borg-Königin verlässt. Vermutlich auch, weil sie von ihren eigenen Gefühlen verwirrt ist. Etwas in ihr gibt langsam der Verlockung der Borg nach. Das ist tatsächlich gut und spannend. Und es wirft leider eine Frage auf: Wie großartig hätte die zweite Staffel sein können?

Auf jeden Fall sehr viel besser als das bislang Gezeigte. Denn leider hält auch in dieser Episode das Lächerliche und Belanglose Einzug – mit Seven, Raffi und Rios. Ohne jeden Grund wird in einem Bus eine Szene aus dem Film Star Tek IV „The Voyage Home“ kopiert, als „der“ Punk laut Musik hört. Es ist tatsächlich derselbe Darsteller, Kirk R. Thatcher, und darum wohl auch derselbe Punk wie aus „Voyage Home“. Selbst das Musikstück klingt ähnlich.

Seven fordert ihn wie einst Kirk auf, den „Lärm“ leiser zu stellen – aber anders als im Film entschuldigt der sich kleinlaut. Vermutlich aus der Erfahrung im Film heraus. Was soll das? Welchen Sinn hat das? Er ist immer noch der Punk, er hört immer noch die gleiche Musik, aber eine Erfahrung vor knapp 40 Jahren hat sein Verhalten geändert. Fand das jemand witzig? Wollte man deutlich machen, dass nun alles anders ist in „Picard“ als früher? Wir verstehen es nicht. Zumal man sich selbst so in einer Logikfalle gefangen hat: Wenn der Punk sich an die Begegnung mit Kirk und Spock erinnert, dann war die Enterprise-Besatzung tatsächlich in der Vergangenheit. Das geht aber nur, wenn die Föderation Jahrhunderte später existiert und nicht die Konföderation. Die Zeitlinie wurde also nie geändert? Oder aus dem Punk ist einfach so ein rücksichtsvoller Mensch geworden.

Fast könnte man vermuten, dass die Autorinnen dazu gezwungen wurden, diese Reminiszenz zu schreiben. Und sie haben sie absichtlich völlig sinnbefreit geschrieben. Dazu würde passen, dass Jeri Ryan als Seven und Michelle Hurd als Raffi ihre Rollen so dermaßen lustlos spielen. Als wüssten sich auch nicht mehr, was das alles soll. Zumal zwischen den beiden Ex-Geliebten nicht ein Funke überspringt und kein Hauch von Chemie existiert. Das zieht sich durch alle ihre Szenen. Seven sieht meistens so aus, als ob sie auf Zitrone gebissen hätte. Eine sehr saure Zitrone. Und Raffi hat auch fast nur noch einen Gesichtsausdruck: ziemlich wütend.

Sie suchen Rios. Und Raffi hat natürlich einen Phaser dabei – obwohl in der vergangenen Episode Jurati erklärt hat, warum sie solche Waffen nicht mitnehmen dürfen. Das interessiert Raffi nicht. Sie wird als zornig, ungeduldig, gedanken-, verantwortungs- und rücksichtslos gezeigt, die das Grundkonzept von Zeitreisen nicht verstanden hat. Echt jetzt? Wir reden aber immer noch über eine qualifizierte Sternenflotten-Offizierin!? Also jemand, der sich in den Weiten des Weltalls schnell auf neue Situation einstellen kann, der im Notfall überlegt handelt und den Überblick behält? Nun, die Anforderungen scheinen nicht mehr so groß zu sein.

Sie hackt sich dann auch noch innerhalb von Sekunden in das Netzwerk der Polizei und darüber in die Datenbank der Einwanderungsbehörde. Das ist so glaubhaft wie der irdische Computervirus im Film „Independence Day“, der ein ganzes Alien-Raumschiff lahmlegt. Die Autorinnen geben sich noch nicht einmal die Mühe, das zu inszenieren. Sie haken es schnell ab: Raffi nimmt den Computer und ist einfach drin.

Schließlich stiehlt sie einen Polizeiwagen mit Seven. Die wiederum hat Probleme, das Auto zu fahren. Beide reden sich dann ständig rein, was wohl witzig sein soll. Das ist es aber nicht. Zumal das alles so lahm, uninspiriert, lustlos und billig (wo ist das angeblich höhere Budget geblieben?) inszeniert ist, dass man sich erneut fragen muss: Wollten die Autorinnen und Darstellerinnen das nur möglichst rasch hinter sich bringen? Weil sie keinen Weg aus der Sackgasse entdeckt haben, in die sie die anderen Episoden manövriert haben? Oder weil einer der übergeordneten Serienmacher seine eigene Idee so toll fand, dass man das jetzt umsetzen musste? Wir wissen es nicht. Aber die anderen Teile dieser Episode sind im Vergleich so viel besser, dass man auch glauben kann: Da hat jemand leider etwas zu spät die Handbremse gezogen und ändert nun mit Vollbremsung die Richtung der Staffel.

Denn Rios taucht zwar auch noch auf. Aber der wurde von der Einwanderungsbehörde festgesetzt und wird nun abgeschoben. Er selbst bleibt darum recht passiv. Dafür wird noch einmal etwas eindringlicher gezeigt, wie inhuman die aktuelle Situation in den USA ist. Vielleicht sogar noch schlimmer als in der Realität: Rios wird mit anderen Illegalen zu einem Lager gefahren - was eins der Internierungscamps aus den Deep Space 9-Folgen „Past Tense“ sein könnte. Vielleicht führt das noch zu etwas. Vielleicht auch nicht. Die Spannung hält sich da arg in Grenzen, weil Rios selbst so dermaßen belanglos ist und nicht aus der Rolle des Han-Solo-Abklatsches herausfindet. Und in dieser Staffel hat er genau genommen so gut wie gar nichts zur Handlung beigetragen - außer da zu sein.

Dafür gibt es zum Schluss endlich auch einen Auftritt von Q, der tatsächlich eine neue Entwicklung einläutet: Das Überwesen hat Probleme, seine Macht zu nutzen. Eine Frau, die in der Nähe ein Buch liest, lacht dabei plötzlich laut auf. Das hat eine gewisse Ironie. Picard hatte zwar in der 2. Episode bereits angedeutet, dass er schwächelt. Aber nun sehen wir es. Und es erinnert an die Next-Generation-Folge „Deja Q“ (1990), in der er ebenfalls seine Fähigkeiten verloren hatte. Wir hoffen inständig, dass man nun nicht auch noch diese alte, damals gefeierte Episode nur einfach schlecht kopiert.

Hier finden sich die Reviews zu Folge 1Folge 2 und Folge 3 der zweiten Staffel von Picard.

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