Review Star Trek Picard Staffel 3, Halbzeit-Bilanz Picard: Star Trek ist wieder zurück

Die dritte Staffel von Picard ist eine Überraschung: Das Star-Trek-Gefühl ist zurück und die Story ist bislang spannend. Es gibt zwar noch ein paar Kritikpunkte, aber das ändert nichts daran: Die dritte Staffel ist nach den ersten fünf Folgen tatsächlich gut.

 Patrick Stewart (l.) als Picard und Jonathan Frakes als Riker: Die Serie ist auf einem guten Kurs.

Patrick Stewart (l.) als Picard und Jonathan Frakes als Riker: Die Serie ist auf einem guten Kurs.

Foto: Paramount+/Trae Patton

Etwas muss passiert sein zwischen den ersten beiden Staffeln und der dritten von Picard. Haben die Autoren damit gedroht, geschlossen zurückzutreten? Liegt es daran, dass Terry Matalas nun alleine die Verantwortung für die Serie trägt? Hat jemand Patrick Stewart gesagt, dass Fans die Figur des Jean-Luc Picard verehren und es nicht unbedingt um den Schauspieler selbst geht? Wir wissen es nicht. Aber die dritte Staffel von Picard erfüllt endlich die Erwartungen, die viele „Trekkies“ hatten. Nachdem Patrick Stewart im August 2018 verkündet hatte, dass er noch einmal die Rolle des legendären Starfleet-Captains übernehmen werde.

Und das gelingt der Serie in den ersten fünf Folgen unter anderem mit einem ganz einfachen Trick: Die Autoren achten auf die Logik ihrer eigenen Geschichten. Als auf dem Raumschiff Titan dringend Energie gespart werden muss, funktioniert dennoch das Holo-Deck noch. Weil es über eine eigene Energiezelle verfügt, wie Picard erklärt. Und als er Transporter stört, muss er erst die ganzen dafür benötigten Gerätschaften zerstören – bevor er gebeamt werden kann. Das sind nur Kleinigkeiten. Aber in den vergangenen zwei Staffeln hat man sich um so etwas nicht geschert. Die Geschichten wurden da lustlos runtergeschrieben. Nun aber erklären dieselben Autoren mögliche Inkonsistenzen. Und zwar bevor Kritiker wie wir nörgeln, wie wenig durchdacht das alles ist.

Diese Liebe zum Detail spiegelt sich auch in der gesamten und anders als in der zweiten Staffel nicht billigen Ausstattung wider. Die Titan scheint so echt, weil Abkürzungen und Texte, die erscheinen, mit Absicht platziert wirken. Und da taucht dann plötzlich in der Kabine eines verdächtigen Crew-Mitglieds ein vulkanisches Kal-toh-Spiel auf, das wir in der Serie Voyager gesehen haben. Das ist nicht wirklich bedeutend, aber es ist eine liebevolle Hommage an die lange Star-Trek-Geschichte.

Doch das alleine würde die Serie nicht gut machen. Das liegt an der Story und vor allem an den Charakteren. Beverly Crusher wirkt so energisch und dickköpfig wie früher. Vielleicht sogar noch mehr, seit sie sich um ihren Sohn kümmert. Zwar stellt sie Picard wie einen Actionhelden in ständig lebensbedrohlichen Situationen dar, als sie sagt, warum sie dem Captain nie etwas von Jack erzählt hat. Da zucken wir kurz zusammen. Denn das war Picard tatsächlich nie. Aber als sie dann erklärt, wie sie ihren Mann und ihren ersten Sohn Wesley verloren hat, fühlen wir wieder mit ihr. Zumal der frühere Picard tatsächlich dazu neigte, seine Bestimmung in seiner Aufgabe zu sehen – und weniger in einer Familie. Vielleicht, um die verpassten Chancen zu rationalisieren. Dass es aber arrogant, selbstgefällig und selbstgerecht wirken kann, ist ihm nie in den Sinn zu kommen. Und im Verlauf der dritten Staffel hat ihm das dann auch in einer Rückblende den Kontakt zu seinem Sohn verbaut – während er es genießt, von jungen Kadetten hofiert zu werden und seine Weisheiten mit ihnen zu teilen. Sein Blick, als ihm das in Folge vier bewusst wird, ist tatsächlich grandios gespielt von Patrick Stewart. Zumal er erkennt, dass Beverly nicht ganz im Unrecht war. Zuvor hatte er ihr vorgeworfen, für ihn eine Entscheidung gefällt zu haben. Dabei hatte er sie längst unbewusst selbst getroffen. Und zwar gegen eine Familie.

Auch Ed Speleers als Jack Crusher hat in einer Sekunde mehr vom durchtriebenen Charme eines Schlitzohren als Möchtegern-Han-Solo Cristobal Rios (Santiago Cabrera) in den zwei vorherigen Staffeln. Zumal die Figur im Vergleich zu Jack Crusher regelrecht naiv wirkte. Und dennoch sehen wir auch, wie Jack sich sofort um Verletzte kümmert und Mitgefühl zeigt. Man nimmt ihm einfach ab, dass er der Sohn von Beverly ist – der sich sogar schützend vor seinem fremden Vater stellt, als er von Captain Shaw angegangen wird.

Ed Speleers als Jack Crusher.

Ed Speleers als Jack Crusher.

Foto: Paramount+/Trae Patton

Jonathan Frakes dagegen geht völlig in der Rolle eines gealterten Riker auf, der alle Qualitäten eines kompetenten Sternenflotten-Captains zeigt. Und die Momente zwischen ihm und Picard sind meistens überragend. Michael Dorn als gealterter, mehr in sich ruhender Worf hat eine so starke Präsenz, dass Raffi Musiker kaum noch eine Rolle spielt. Sie wird von ihm geradezu in den Hintergrund gedrückt. Das macht sie zur Stichwortgeberin und Nebenfigur. Und wir sind darüber nicht unglücklich. Das liegt nicht an der Schauspielerin Michelle Hurd, sondern an der Figur. Die war von Anfang an schlecht geschrieben, litt unter sprunghaften Charakterisierungen und bewegte sich zu oft in emotionalen Extremen ohne jeden Subtext. Gerade das machte Raffi Musiker wenig überzeugend, platt, flach, nervig und unbeliebt.

Mit der Rückkehr der Next-Generation-Crew aber haben die Autoren das bewiesen, was wir lange vermisst haben: Feingefühl und Charakterzeichnung. Als ob das Team erst jetzt Lust hatte, die Geschichte zu schreiben. Vielleicht aber ist es so, wie Picard selbst es in der dritten Staffel sagt. Nur mit der richtigen Crew ist man zu viel mehr fähig, als man alleine schaffen kann. Vielleicht hat dem Captain die alte Besatzung in den ersten beiden Staffeln ganz einfach gefehlt – die ihn erst zu der legendären Figur gemacht hat.

Ein wenig zweifeln wir daran, weil man es jetzt auch schafft, echte Typen zu etablieren wie Captain Shaw. Hinter seiner schroffen Ablehnung von Picard steckt tatsächlich eine traumatische Geschichte. Aber er ist auch selbstreflektiert genug, um seine Schwächen zu erkennen. Gepaart mit Sarkasmus. Da könnten die Autoren eine Figur geschrieben haben, die tatsächlich das Zeug zu mehr hat. Zumal die Chemie zwischen dem großartigen Schauspieler Todd Stashwick und Jeri Ryan als Seven of Nine passt und immer leicht explosiv wirkt. Die wiederum fügt sich zwar nicht so ganz in die Next-Generation-Crew ein, aber erinnert in ihrer unterkühlten, direkten, harschen Art jetzt sehr viel mehr an die Ex-Borg aus Voyager als über die gesamten zwei Staffeln zuvor.

Todd Stashwick (r.) als Captain Liam Shaw mit Ecken und Kanten.

Todd Stashwick (r.) als Captain Liam Shaw mit Ecken und Kanten.

Foto: Trae Patton/Paramount+/Trae Patton

Was den Autoren ebenfalls gelingt: Sie bauen langsam eine größere Geschichte auf. Anfangs sind es nur Kleinigkeiten. So wie der Moment, als Jack Crusher erzählt, dass sie von vielen verschiedenen Organisationen verfolgt worden sind. Später stoßen Worf und Musiker bei ihren Ermittlungen auf einen Wechselbalg. Das Volk hatte in der Serie „Deep Space Nine“ eine tragende Rolle gespielt als Führer des Dominion, gegen das die Sternenflotte in einen verlustreichen Krieg getrieben wurde. Nun sind sie wieder da. Auch an Bord der Titan. Tatsächlich haben sie sogar mehrere Schlüsselstellen in der Föderation übernommen. Und das sickert langsam und tröpfchenweise in die Serie ein – und mündet in den heldenhaften Tod von Ro Laren. Das ist tatsächlich spannend geschrieben.

Daneben erfahren wir schrittweise, dass auch etwas mit Jack Crusher nicht stimmt. Die leider etwas enttäuschende Vadic, die selbst ein Wechselbalg ist, jagt ihn nicht nur, weil ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt ist. Und das erste, was uns dazu einfällt, sind seine Gene. Oder besser, die von Picard. Der Captain selbst besitzt seit der ersten Picard-Staffel einen Androiden-Körper. Sein Sohn aber könnte noch genau das haben, was die Wechselbälger suchen.

Und das hängt eventuell mit dem Nexus aus dem siebten Star-Trek-Film zusammen. In dem Energiefeld sah Picard sich selbst mit einer Familie, nun hat er einen Sohn. Und tatsächlich war der Schauspieler Thomas Dekker, der in der dritten Episode einen Wechselbalg spielt, in dem siebten Film auch vertreten: als eins von Picards Kindern im Nexus. Das kann Zufall sein. Aber wir sehen auch im Holo-Deck ein Bild von Picard und Guinan. Und das zeigt die beiden im Nexus. Wie kann es davon ein Bild geben? Bei so viel Liebe zum Detail bislang sind wir uns nicht sicher, ob das nur Zufall ist oder eine Andeutung. Zumal Picard auch von Missionen erzählt, die wir nie gesehen haben: Rigel VII in der ersten Episode und eine Begegnung mit den Hirogen aus Voyager. Einfach nur künstlerische Freiheit? Oder ist das alles nicht real und spielt im Nexus? Steckt da mehr hinter? Wir sind uns nicht sicher. Und das hängt auch damit zusammen, dass leider nicht alles gut ist in der dritten Staffel von Picard:

Am Ende der zweiten Folge schauen sich er und Beverly lange an. Und da weiß der alte Captain dann, dass Jack sein Sohn ist. Das ist zwar sehr gut inszeniert. Aber Captain Shaw ändert plötzlich seine Meinung. Nachdem er vorher immer wieder betont hat, dass er nicht seine gesamte Crew für einen Verbrecher in Gefahr bringt, tut er dann genau das. Weil ja Jack Picards Sohn ist. Das ist nicht sehr überzeugend. Zumal der alte Captain noch in dem Film „Der Aufstand“ eine wichtige Frage gestellt hatte: „Wie viele Menschen sind nötig, Admiral, bevor aus Recht Unrecht wird? 1.000? 50.000? 1 Million? Wie viele Menschen sind nötig, Admiral?“

Bei seinem Sohn ist das alles egal? Da müssen wir bereit sein, die gesamte Besatzung der Titan zu opfern? Das passt nicht zu der Figur, außer sie ist extrem scheinheilig. Vielmehr hätte er von Anfang an darauf drängen sollen, dass niemand Kopfgeldjägern überlassen wird. Mit Verweis auf die Werte der Föderation und einen fairen Prozess. Die Tatsache, dass Jack sein Sohn ist, wäre dann noch dazu gekommen. Da sind die Autoren leider wieder in alte Muster verfallen und haben den leichten, uninspirierten Weg gewählt.

Worf (Michael Dorn) mit einem Verdächtigen. Der wird von Thomas Dekker gespielt. Im 7. Star-Trek-Film (1994) war der eins von Picards Kindern in einer Illusion. Zufall? Absicht?

Worf (Michael Dorn) mit einem Verdächtigen. Der wird von Thomas Dekker gespielt. Im 7. Star-Trek-Film (1994) war der eins von Picards Kindern in einer Illusion. Zufall? Absicht?

Foto: Trae Patton/Paramount+/Trae Patton

Das Gleiche gilt für Beverly. Die hat aus dem Nichts heraus die Eingebung, dass die Energiebeben im Nebel Wehen ähneln. Darum wird da etwas geboren. Das stimmt am Ende auch noch. Es hätte aber besser aufgebaut werden können. So wurde es zufällig und willkürlich einfach reingeworfen.

Und als die Sensoren der Titan ausfallen, lässt man alle aus dem Fenster schauen, um die Gegner im Nebel zu entdecken. Nun ist ein Raumschiff kein Kreuzer auf hoher See. Das würde nur sehr bedingt bis gar nicht im Weltraum funktionieren. Man hätte das leicht vermeiden können. Im Film „Das unentdeckte Land“ haben Spock und McCoy Torpedos umgebaut, um ein getarntes Schiff zu entdecken. Ähnliches hätte auch an Bord der Titan passieren können. Zumal man so Bezug zu einem vergangenen Film hätte nehmen können. Das scheinen die Autoren zu mögen.

Und das ist leider die größte Schwäche der Serie bislang: Man baut viel zu oft Reminiszenzen zu Star-Trek-Filmen und Next-Generation-Episoden ein. Als ob den Autoren manchmal der Mut fehlen würde, eigene Ideen zu entwickeln: Als die Titan das Raumdock verlässt, erinnert das an die Filme „Star Trek VI“ und vor allem „Star Trek II“. In dem Film gibt es zudem ein Katz-und-Maus-Spiel in einem Nebel – so wie bei der dritten Staffel von Picard. Die Geschichte von Shaw ähnelt der von Commander Benjamin Sisko aus „Deep Space Nine“. Und in der Serie gab es bereits einen Versuch der Wechselbälger, die Sternenflotte zu unterwandern. So wie bei Picard. Als der dann die Titan um Asteroiden steuert, denken wir an die Folge „Booby Trap“ aus der dritten Staffel von „Next Generation“. Da hat Picard die Enterprise auch manuell aus einem Asteroiden-Feld manövriert. Wenn dann aus den „Geburtswehen“ interstellare Weltraumquallen entstehen, ist das offensichtlich eine Hommage an die erste Next-Generation-Episode „Encounter at Farpoint“. Es ist zu viel und da würden wir uns wünschen, die Autoren würden sich mehr emanzipieren. Schließlich beweisen sie in der dritten Staffel, dass sie mehr können, als wir in zwei Staffeln zuvor gesehen haben.

Die andere Schwäche ist leider immer noch der Umgang mit der Titelfigur selbst. Vor allem in dritten Folge. Als Picard da immer wieder von Riker den Angriff fordert und das Abfeuern der Waffen, passt das gar nicht zu dem legendären, nachdenklichen, diplomatischen Captain. Als der dann wie ein begossener Pudel von Riker der Brücke verwiesen wird, haben wir fast Tränen in den Augen. Nicht vor Rührung, sondern weil es ein unwürdiger Umgang mit der Figur ist – die gerade nicht für den bewaffneten Konflikt um jeden Preis steht. Auch als er nicht erkennt, dass in Ro Larens Ohrring vielleicht mehr steckt als nur ein Schmuckstück – wirkt er ziemlich inkompetent. Das ist ein Rückfall in die vergangenen zwei Staffeln, in der man eher bemüht war, die Figur zu zerstören. In der dritten Staffel hat man das zwar deutlich zurückgenommen, aber dann kann man es bisweilen doch nicht lassen. Und das ist schade.

Dennoch kann es den positiven Eindruck nicht zerstören, der nach der Hälfte der dritten Staffel zurückbleibt. Das hat selbst die schlechte bis peinliche digitale Verjüngung von Picard und Riker in der dritten Folge nicht geschafft. Die Serie ist tatsächlich gut und spannend geworden. Und die alte Next-Generation-Crew hebt alles in so lange vermisste Höhen. Bei aller Kritik ist das Star-Trek-Gefühl wieder da, wir sehen gerne zu und fiebern mit. Wenn diese dritte Staffel die erste gewesen wäre: Wir hätten sie noch mehr gefeiert und uns auf das gefreut, was kommen wird. So scheint es ein versöhnlicher Abschied zu werden. Wir bleiben indes vorsichtig. Die beiden Staffeln zuvor haben uns zu sehr enttäuscht. Und es gibt noch fünf Episoden.

Die nächste Review folgt nach Abschluss der dritten Staffel.

Star Trek Picard kann man bei Amazon sehen und bei Paramount+.

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