Review Star Trek Picard 3. Staffel, Episode 1 Ein guter Start für Picard

Am 17. Februar startet die 3. und finale Staffel von Picard bei Amazon. Und die beginnt überraschend gut und spannend. Die deutliche Neuausrichtung weckt sogar nostalgische Gefühle. Achtung: Diese Review der ersten Episode enthält Spoiler.

 Patrick Stewart spielt erneut die Star-Trek-Legende Jean-Luc Picard.

Patrick Stewart spielt erneut die Star-Trek-Legende Jean-Luc Picard.

Foto: Trae Patton/Paramount+/Trae Patton

Wir geben es zu. Unsere Erwartungen an die 3. Staffel von Picard waren nicht sehr groß, sondern minimal. Dafür waren die vergangenen zwei Staffeln zu uninspiriert, zu unlogisch und oft sogar billig gemacht. Zumal Patrick Stewart eher darum bemüht war, die Figur des Jean-Luc Picard zu zerstören, als sie noch einmal aufleben zu lassen.

Umso überraschter waren wir, als mit der Folge „The Next Generation“ die dritte Staffel von Picard begann. Das gesparte Geld aus den vergangenen Episoden ist offenbar hierhin geflossen. Vom ersten Moment an sieht es nicht nur aus wie eine Weitererzählung der Geschichte von Star Trek „The Next Generation“ (TNG). Es klingt auch so und fühlt sich so an. Und die offensichtliche Liebe für Computerspiele hat erneut ihren Weg gefunden. Wir erinnern uns: Die erste Staffel war stellenweise – nun, sagen wir sehr stark inspiriert von der Computerspielreihe „Mass Effect“. Die erste Folge der dritten Staffel beginnt mit dem Lied „I don’t want to set the world on fire“ samt der ruhigen Kamerafahrt durch das Schiff Eleos. Und das ist eine Hommage an eine andere Spiele-Reihe: Fallout. Allerdings ohne es platt abzukupfern. Dafür sind die Wurzeln der „Next Generation“ zu stark.

Und die kommen dann auch schnell zum Vorschein: Wir sehen einen Logbuch-Eintrag aus „The best of both Worlds Part I“, als sich die Enterprise vor den Borg versteckt – und hören Picards Stimme. Dann sehen wir eine Auszeichnung für Dr. Beverly Crusher und ihren Einsatz auf Cor Caroli V. Das wurde in der alten TNG-Folge „Allegiance“ tatsächlich nur erwähnt. Es folgt eine Kiste mit der Hinterlassenschaft von Lieutenant Commander Jack R. Crusher: Das war der erste Ehemann von Beverly, ebenfalls ein Sternenflotten-Offizier und ein Freund von Captain Picard, der sich lange Zeit Vorwürfe machte – weil er unter seinem Kommando gestorben ist.

Das ist nostalgisch und stimmungsvoll inszeniert. Und nichts davon ist überflüssig. Picards Vergangenheit mit den Borg wurde in den beiden Staffeln zuvor zwar schon durchgekaut, aber das scheint nun ein Neustart zu sein. Und auch wenn das nicht die Hauptrolle spielt, es erklärt die Dynamik zwischen Figuren in der ersten Episode: Picards Nähe zur Ex-Borg Annika „Seven of Nine“ Hanson und die Abneigung von Captain Shaw, auch wenn dahinter noch mehr zu stecken scheint. Der Verweis auf Cor Caroli V zeigt, dass Beverly eine kompetente Ärztin ist. Und Jack Crusher: Sein Tod ist Teil der etwas komplizierten Beziehung von Picard und Beverly in „TNG“. In knapp einer Minute wird mit Bildern das Grundgerüst gelegt für die dritte Staffel. Ein solches Niveau hat man zuvor nie erreicht.

Und dann sehen wir Beverly, die sich mit einer Art Phaser-Schrotflinte vehement gegen Eindringlinge verteidigt. Das passt so gut wie gar nicht zu ihr. Bevor wir aber beim Abspann den Kopf schütteln können: Riker stellt im Verlauf der Episode selbst fest, dass „das nicht die Beverly ist, die ich kannte“. Allerdings wird mehrmals betont, dass sie vor mehr als 20 Jahren jeden Kontakt zur alten TNG-Crew abgebrochen hat und quasi verschwunden ist. Eine mögliche Erklärung dafür erhalten wir dann auch in der ersten Episode: Die Person, die sie unbedingt schützen wollte, ist ihr erwachsener Sohn.

 Gates McFadden taucht wieder in die Rolle von Dr. Beverly Crusher ein.

Gates McFadden taucht wieder in die Rolle von Dr. Beverly Crusher ein.

Foto: Trae Patton/Paramount+/Trae Patton

So oft wir Patrick Stewart kritisieren: dieser Moment, sein Gesichtsausdruck, der Blick zwischen ihm und Riker – das ist schon grandios. Zumal jeder die eine Vermutung hat: Das ist nicht nur der Sohn von Beverly, sondern auch von Picard. Schauspieler Ed Speleers ist zudem ebenfalls Brite und sieht ein wenig Marcus Nash ähnlich, der in der TNG-Folge „Tapestry“ einen jungen Picard spielte.

Allerdings macht Patrick Stewart in dieser Episode auch für den letzten Fan deutlich, was er von dem legendären Enterprise-Captain hält. Als er sich mit Laris darauf vorbereitet, die Erde offenbar für längere Zeit oder sogar für immer zu verlassen, möchte er alle Andenken an die TNG-Zeit abgeben. Am Ende sei nichts davon mehr als eine Erinnerung. Er lehnt es ab, von der Vergangenheit definiert zu werden. Und „ich möchte kein Vermächtnis hinterlassen“. Das passt zu dem Schauspieler, der in diversen Interviews mit der Rolle mal mehr, mal weniger haderte. Auch Leonard Nimoy tat sich lange Zeit schwer mit der Figur Spock, bis er dann seinen Frieden damit schloss. Stewart dagegen scheint es zu gefallen, Picard zu dekonstruieren und das Bild der Fans einzureißen. In den vergangenen zwei Staffeln erinnerte kaum noch etwas an den gebildeten, nachdenklichen, tiefsinnigen Offizier, der mit sich selbst weitgehend im Reinen war. Vielmehr erlebten wir bislang das genaue Gegenteil. Und das geht leider erneut so weiter, allerdings wurde es etwas zurückgenommen und wirkt nun ein wenig nachsichtiger.

Da scheint hinter den Kulissen etwas passiert zu sein nach der zweiten Staffel. Oder liegt es daran, dass nun alte Weggefährten wie Jonathan Frakes als Riker dabei sind? Die Chemie zwischen ihm und Picard stimmt sofort und führt zu einigen witzigen Dialogen. Die passen zwar nicht immer zu den Möglichkeiten des 25. Jahrhunderts, aber wir lassen es durchgehen.

Frakes hat sichtbaren Spaß daran, einen älteren, etwas verbitterten Riker zu spielen, dessen große Tage vorbei sind. Zumal er offenbar auch privat einige Probleme hat. Seine Frau Deanna und ihre Tochter Kestra seien froh, ihn nicht um sich zu haben, sagt er. Und nur zu gern und eilig macht er sich mit Picard zu einem Abenteuer auf, nachdem Beverly Crusher einen Notruf geschickt hat. Auch da gefällt uns die lang vermisste Liebe der Autoren zum Detail: Die Ärztin benutzt einen antiquierten Code. Picard dagegen muss seinen alten Kommunikator erst aus einer Kiste kramen und sich dann mit dem Computer auseinanderzusetzen. Wie ein alter Mann eben. Passend dazu hat er einst für Beverly eine Art „Mixed Tape“ aufgenommen – eine Zusammenstellung von Songs, die in der Episode anklingen. Das wäre selbst für unsere Zeit altmodisch und ist eine liebevolle Idee der Serienmacher.

Die Hauptgeschichte selbst wirkt wie der Beginn eines Thrillers: Beverly und ihr Sohn sind auf der Flucht. Die unbekannten Verfolger tragen Masken und machen seltsame Laute. Ihr Flaggschiff hat es etwas Insektoides bis Spinnenhaftes und wirkt inspiriert von der Narada des Star-Trek-Reboots aus dem Jahr 2009. Und diese „Jäger“ sind hartnäckig, aber es steckt noch mehr dahinter. Beverly warnt Picard in ihrem Notruf: „Keine Sternenflotte und vertraue niemanden“. Das ist ein Klischee aus unzähligen Verschwörungsfilmen. Es funktioniert dennoch.

Und es hat etwas mit der verdeckten Ermittlung von Raffi Musiker zu tun. Ja, sie ist immer noch da, aber sie geht einem nicht mehr so auf die Nerven wie zuvor. Wahrscheinlich auch, weil sie nun eher eine Randfigur und ihr Part besser geschrieben ist. Bei ihren Ermittlungen arbeitet Raffi mit jemanden zusammen, der gut informiert ist, aber sich nicht zeigen will und nur per Text-Nachricht kommuniziert. Der Auftritt der Figur soll offenbar eine Überraschung sein.

Auf jeden Fall: Sie suchen nach den Drahtziehern eines Diebstahls aus der Daystrom-Forschungsbasis. Offenbar geht es um eine Waffe, die Kurzstrecken-Portale schafft. Da ist sie wieder: Die Liebe zu Computerspielen und offensichtlich die Portal-Reihe. Man erlebt den Einsatz der Waffe sogar bereits in der ersten Episode. Und das sieht tatsächlich besser aus als die gesamte zweite Staffel. So ganz nebenbei hat man da eine Reminiszenz an Rachel Garrett eingebaut. Die war der Captain der Enterprise C in der TNG-Folge „Yesterday’s Enterprise“.

Nach dem sehr schönen Abspann voller Details – dafür gibt es zum Glück kein ausladendes Intro mehr – sind wir trotzdem etwas verwirrt. Es sind fast die gleichen Leute - bis auf ein, zwei Neuzugänge - beteiligt wie bei der zweiten Staffel. Und dennoch wirkt es nun durchdachter und liebevoller inszeniert. Nostalgische Momente und Anspielungen auf Vergangenes sind besser eingebaut und nicht mehr wahllos oder bedeutungslos verstreut. Nur um Social-Media-Reaktionen zu provozieren oder um zu beweisen, dass man sich auskennt. Alles sieht auch besser und stimmiger aus. Die Story selbst ist zwar noch nicht wirklich mitreißend. Aber es ist spannend genug. Wir wollen wissen, wie es weitergeht und ob Picard nun wirklich Vater ist. Schließlich hatte er sich längst damit abgefunden, keine Nachkommen zu haben.

Selbst die Schauspielleistung scheint besser zu sein. Man sieht wie Jeri Ryan als erster Offizier der Titan mit sich kämpft: Sie fühlt sich Picard verbunden, aber ist auch ihrer neuen Aufgabe verpflichtet. Captain Shaw (Todd Stashwick) wirkt arrogant und unfreundlich. Seine Einführung erinnert indes ein wenig an Denethor in „Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs“. Dann ist er vielleicht doch nicht so eindimensional? Und wenn die Titan die Raumstation verlässt, ist das zwar auch eine Anspielung auf „Star Trek VI: Das unentdeckte Land“, aber vor allem auf „Star Trek II: Der Zorn des Khan“. Und in dem Film trifft Captain Kirk auf seinen Sohn David Marcus, von dem er bis dahin nichts wusste. Da gibt es Parallelen zur Picard-Episode.

Und die ist ein guter Start in die dritte Staffel. Tatsächlich ist er sogar sehr viel besser, als wir geglaubt und befürchtet haben. In den nächsten Episoden wird sich dann zeigen müssen, ob das nur Zufall war. Oder ob die Autoren und Serienmacher von einer Last befreit wurden und jetzt beweisen können, dass sie mehr als sinnbefreite, oberflächliche Geschichten lustlos schreiben können.

Unsere nächste Review folgt zur Staffel-Halbzeit nach fünf Episoden.

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