„Persuasion“ bei Netflix Ist dieser Film wirklich so schlimm?

In der Jane-Austen-Verfilmung „Persuasion“ spielt Dakota Johnson eine Frau, die ihrem Ex acht Jahre lang nachtrauert. Dann steht er wieder vor ihr. Die Reaktionen auf die Netflix-Produktion sind verheerend. Aber warum eigentlich?

Dakota Johnson spielt Anne Elliot.

Dakota Johnson spielt Anne Elliot.

Foto: AP/Nick Wall

Wer diesen Film sieht, wird sich zwei Fragen stellen: Warum hat die Hauptdarstellerin immerzu ein Karnickel im Arm? Und was findet sie bloß an Admiral Frederick Wentworth? Der wirkt wie von einer künstlichen Intelligenz errechnet, er redet wie ein Automat, und den Mund schließt er ausschließlich dann, wenn er es nicht soll, nämlich zum Küssen. Seine Bräsigkeit ist so offensichtlich, dass sie sich nicht mehr als Stoizismus tarnen lässt. Es sagt einiges über diese Produktion aus, dass beide Rätsel nicht gelöst werden.

„Persuasion“ heißt die Verfilmung von Janes Austens letztem vollendeten Roman, der auch unter dem Titel „Anne Elliot“ bekannt ist. Schon als der Trailer veröffentlicht wurde, gab es hämische Reaktionen. Nun, nach Ansicht des Films, kann man das Gros der Reaktionen mit dem Fazit des US-Magazins „Slate“ zusammenfassen: „Persuasion“ heißt es da, sei nicht nur die schlimmste Jane-Austen-Verfilmung, sondern der schlimmste Film der jüngeren Geschichte. Der Satz ist gemein und ungerecht, aber nur ein bisschen.

Eigentlich hat das Regie-Debüt von Carrie Cracknell alles, was ein Kostümdrama braucht. Von fast jeder Einstellung könnte man einen Screenshot machen, ihn ausdrucken und als Postkarte versenden. Die Cottages lassen Anglophile seufzen, überall stehen Blumensträuße, an denen noch der Morgentau glitzert. Und die pastelligen Naturaufnahmen etwa von dem südenglischen Städtchen Lyme verschwimmen zu hinreißenden Aquarellen. Mit anderen Worten: Es ist alles sehr instagramable.

Und das ist vielleicht das Problem dieses Films. Denn er sorgt zwar für schöne Oberflächen und Effekte. Für den zugrundeliegenden Stoff und die Verheerungen im Innern der Charaktere interessiert er sich indes nicht. Im Gegenteil. Dakota Johnson (aus „Fifty Shades Of Grey“) als Anne Elliot verwendet einige Anstrengung darauf, zu zeigen, wie doof sie das frühe 19. Jahrhundert findet und wie weit sie über seinen Konventionen steht. Sie tut das, indem sie spöttische Kommentare in die Kamera spricht und das Publikum zur Komplizenschaft verdonnert. Man kennt das aus der grandiosen englischen Serie „Fleabag“. Dort indes ist das Prinzip neu und aufregend.

In dem 1817 veröffentlichen Roman „Persuasion“ erzählt Jane Austen von Anne Elliot, die sich in den Matrosen Frederick Wentworth verliebt hat. Auch er ist in love, es könnte also alles gut sein, nur leider ist er außerdem arm. Also lässt sich Anne überreden, die Verlobung zu lösen – diese „Überredung“ stiftet den Titel. Acht Jahre später hadert Anne noch immer mit dem Entschluss. Sie ist inzwischen 27 und ledig, was sie nach den ungeschriebenen Gesetzen jener Zeit zur alten Jungfer macht. Der Text ist der stillste der sechs Austen-Romane, er will die Leserschaft zum Weinen bringen. Der Film akzeptiert diese Grundvoraussetzung seiner Vorlage nicht. Er versucht, die karge Fabel zur schnellen Komödie aufzuporschen. Und das geht schief.

Anne Elliot wirkt nun wie eine Gesandte aus der Zukunft, die ein fremdes Land erkundet, ohne die Gewohnheiten der Heimat abzulegen und sich auf die neue Situation einzulassen. Sie trinkt Rotwein aus der Flasche gegen den Frust, sie vergibt „eine Zehn“ für besonders attraktive Männer und prägt Sätze, die sich gut als Bildunterschriften in sozialen Medien eignen. Sie inszeniert sich als progressiver Widerspenst, der über den Dingen steht. Sie schafft es aber nicht, dem zurückgekehrten und zu Vermögen und Ansehen gekommenen und außerdem akut heiratswilligen Wentworth (Cosmo Jarvis) zu sagen, dass er immer noch ihr Crush ist. Das nimmt man ihr nicht ab.

So ist denn das Zentrum dieser Geschichte leer, und der Blick fällt auf das Strickmuster des Films. Er soll offensichtlich an die Popularität Jane Austens und den Erfolg der Serie „Bridgerton“ anschließen und mutet dabei wie eine Persiflage an, bisweilen wie Travestie. Dabei hat die „Emma“-Verfilmung von Autumn de Wilde kürzlich gezeigt, wie man ein Epochendrama zeitgemäß und lustig inszeniert. „Clueless“ verpflanzte Jane Austen bereits 1995 erfolgreich in eine High School in Beverly Hills, und „Fire Island“ bietet Austen in der queeren Variante. Der Unterschied der genannten Produktionen zu „Persuasion“: Sie zweifeln nicht an Aktualität und Güte des Stoffs.

So bleibt nur, sich über einen Satz von Anne Elliots Vater zu freuen, der mit seiner Verschwendungssucht die Familie in den Ruin zu stürzen droht. Er gibt das Geld, das er nicht hat, mit diesen Worten aus: „Was nützt irgendwas, wenn man es sich erst verdienen muss.“

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