Neue Serie bei Amazon Night Sky: Liebevoll erzählte Mystery-Serie mit großartigen Darstellern
In Amazons neuer Scifi-Mystery-Serie „Night Sky“ brillieren ab dem 20. Mai die Alt-Stars Sissy Spacek und J. K. Simmons. Feinfühlig inszeniert baut sich die Spannung aber langsam auf
Manchmal sind neue Ideen nicht so weit weg, wie es scheint. Und die Serie „Night Sky“ verfolgt tatsächlich einen neuen Ansatz, in dem sie nicht auf belanglose, teure Action-Orgien oder simple Charaktere setzt. Vielmehr rückt sie mit Sissy Spacek (72) und J. K. Simmons (67) zwei Oscar-Preisträger und Altstars in den Mittelpunkt. Die spielen Irene und Franklin York, eine Englisch-Lehrerin und ein Holzarbeiter, im Ruhestand, die in einem beschaulichen Haus leben. In einer Stadt nahe Chicago. Ungeschönt und überaus authentisch zeigt die Serie, wie beiden das Alter zusetzt und wie sie dennoch in Liebe verbunden sind. Trotz aller Schicksalsschläge, die man anfangs nur erahnen kann.
Und recht früh wird auch gezeigt, dass die beiden ein Geheimnis hüten: Unter ihrem Garten befindet sich ein Portal, dass ihnen den Weg zu einem Raumschiff oder Station eröffnet. Weil beide indes nicht wissen, wie genau das alles funktioniert, führt dieses Portal sie immer nur an diesen einen Ort. Und der verliert für Franklin zunehmend seinen Reiz. Während Irene nach wie vor fasziniert von dem Anblick einer fremden Welt ist. Es ist ein eindringlich, fast schon poetisch inszenierter Stillstand, der das Leben der beiden beherrscht - während der körperliche Verfall seinen Tribut fordert. Nur noch ihre Enkelin bringt ab und an etwas Neues in die Existenz des Paars, das auf das Ende wartet und sonst nichts mehr erwarten kann.
Diese Geschichte wird sehr feinfühlig erzählt und vor allem getragen von Sissy Spacek und J.K. Simmons. Beide spielen ihre Rollen so herausragend glaubwürdig und unverkrampft natürlich, dass man einfach gebannt zuschaut. Zumal man ahnt, dass das nicht alles sein kann. Und das ist es auch nicht. Am Ende der ersten Folge wird das statische Leben des alten Ehepaars durcheinandergewirbelt, als plötzlich ein fremder junger Mann auftaucht. Und mit der neuen Figur kann auch Chai Hansen zeigen, dass er mehr ist als ein Darsteller aus Teenie-Serien wie „The 100“ oder „Shadowhunters“. Gegen das Klischee spielt er überaus überzeugend einen freundlichen, zuvorkommenden, teils verloren wirkenden Fremden, der indes viele Geheimnisse hütet. Nur langsam erfahren wir so immer mehr über die Hintergründe des Portals und einer seltsamen Organisation, die damit verbunden ist. Zumal er gejagt wird von einer Mutter aus Argentinien. Und die ist gezwungen, ihre Teenager-Tochter mitzunehmen. Die wiederum lernt langsam, dass ihre seltsame, zurückgezogen lebende Familie tatsächlich eine Bestimmung hat.
Diese Mystery-Story ist indes eng eingebunden in die Entwicklung der Charaktere. Franklin misstraut dem jungen Gast und ist auch ein wenig eifersüchtig, weil seine Ehefrau auf seltsame Weise von dem Fremden angetan ist. Mit der Zeit erst erfahren wir dann die traurigen Hintergründe. Und die harmonische erscheinende Beziehung wirkt am Ende nicht mehr so gegenseitig, wie es zunächst den Eindruck macht. Zumal auch ihre Enkelin in den Strudel der Ereignisse hineingesogen wird und ihr ganzes Leben hinterfragt.
Das alles geht aber auf Kosten des Tempos. Bisweilen sogar zu sehr. Und Andeutungen werden erst mit der Zeit zur Gewissheit. Zudem ist nicht jede Figur wirklich gut ausgearbeitet. Der neue, neugierige Nachbar der Yorks bleibt blass und fällt vor allem dadurch auf, dass er einen auf die Nerven geht – in seinem Drang, irgendwie wichtig zu sein. Man versteht zwar mit der Zeit, dass es sich um Verbindungen dreht mit anderen Menschen. So wie das mysteriöse Portal Verbindungen schafft - und durch die Heimlichkeit einer Schatten-Organisation auch zerstört: Die argentinische Mutter und ihre Tochter müssen im Angesicht der vielen Geheimnisse erst wieder zueinanderfinden.
Die Serie hat ihren eigenen Reiz und Charme. Man versteht langsam die Figuren und ihre Beweggründe. Der Zuschauer gewöhnt sich an sie und entwickelt tatsächlich eine gewisse Sympathie, aber auch Wehmut. Man will wissen, wie es mit ihnen weitergeht. Und man fragt sich, was es mit dem Portal nun auf sich hat, wer es gebaut hat, wie es funktioniert und welche Funktion es hat. So schafft „Night Sky“ eine eigene Spannung. Über die Mystery-Story, aber vor allem über die Charaktere und die teilweise überragende Schauspielleistung.
Die Preview beruht auf den ersten sechs von insgesamt acht Episoden, die Amazon Prime uns vorab zur Verfügung gestellt hat.