“Tatort“ aus Bremen Die Heimat umarmt sie wie ein böser Tiger
Bremerhaven/Düsseldorf · Der Bremer Fall „Donuts“ ist ein Solo für Jasna Fritzi Bauer als Liv Moormann. Dem Film gelingt längst nicht alles, aber sehenswert ist er schon wegen der imposanten Bilder vom gigantischen Auto-Umschlagplatz.
Fernab der allgemeinen Aufmerksamkeit werden in Bremerhaven absurd viele Autos in den Bauch seltsamer Schiffe verladen – mehrere Tausend, Tag für Tag für Tag. In manchen Jahren waren es mehr als zwei Millionen. Sie ähneln einander, wie Autos einander heutzutage eben ähneln, weil sie alles sein sollen – geräumig und schnittig, komfortabel und sportlich, etwas aggressiv, aber doch voll familientauglich. Alle gleich also. Bis auf eines. An dessen halb mit weißer Schutzfolie beklebtem Heck zeichnet sich eine Blutspur ab.
So schmissig gefilmt, montiert und mit Musik unterlegt ist dieser Einstieg, dass er fast zu schön ist, um wahr zu sein. Aber dann kommt er doch noch, der völlig überflüssige Schnitt zur blutigen Leiche. Nur für den Fall, dass eine Handvoll unter Millionen Menschen sich fragen, ob dieser maximal prominent gezeigte etwas unregelmäßige, glänzende rote Strich nicht vielleicht doch Tomatensoße war.
Leider ist das symptomatisch für diesen Film: Manchen guten Ansatz demolieren die Macher per Holzhammer gleich selbst. Wie bei dem ersten Auftritt des Trio infernale aus der Autoschrauber- und Rennszene in einem offensichtlich geklauten Wagen: Gheorghe (Adrian But) ist ein schwer tätowierter Feinripp-Fan. Wenn er mit seiner Freundin Marie (Luisa Böse) Händchen hält, ergänzen sich ihre Tattoos zum Wörtchen „Love“. Sein geistig zurückgebliebener Bruder Oleg (Jonas Halbfas) ist vor allem mit dabei, weil sich herumgesprochen hat, dass eine solche Figur alles zugleich emotionaler und komplizierter macht.

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Die „dreifaltige Schrulligkeit“ („Süddeutsche Zeitung“) der Bremer Ermittler ist diesmal arg dezimiert: Andersen (Dar Salim) ist in Brüssel und holt Selb (Luise Wolfram) bald nach. Stattdessen wird Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer; „Rampensau“) von einem ortskundigen Kollegen unterstützt. Petersen (Patrick Güldenberg) aber ist in erster Linie dazu da, um Moormann in Szene zu setzen. Die inzwischen in der großen Stadt erfolgreiche Kripo-Frau hat nämlich nicht nur mit den Bremerhavener Schmuddelkindern gespielt, sondern ist selbst eines.
So geht es vor allem um die Rückkehr der Tochter in die Trümmer ihrer Patchwork-Familie. „Die Heimat umarmt mich“, sagt Moormann einmal, aber der Satz geht noch weiter, nämlich so: „wie ein böser Tiger“.
Bremerhaven ist eine seltsame Konstruktion; ein ausgegliederter Hafen des stolzen Bremen mit viel Know-how und noch mehr strukturschwacher Großstadt drumherum, ein kruder Verschnitt also aus Hamburg, Rostock und Gelsenkirchen. Zu den größten Söhnen der Stadt gehören Felix Magath und Christoph Maria Herbst, und zu den stolzesten Momenten der, als hier am 1. Oktober 1958 um 9.22 Uhr Elvis Presley an Land ging, um seinen Wehrdienst abzuleisten. Das Filetstück der Stadt übrigens, der Überseehafen mit dem Autoterminal nämlich, gehört nicht ganz zufällig eben nicht zu Bremerhaven, sondern zum fast 70 Kilometer entfernten Bremen.
Ähnlich unübersichtlich verhält es sich mit diesem Film, weil der Bremerhavener Sebastian Ko (Regisseur und Co-Autor) zu viel wollte. Das Gemisch aus Autotuner-Gedöns, Industriehafen-Einblicken und dick aufgetragenem Sozialdrama ist zu unentschieden und überkandidelt, frei von jeder Überraschung und teils zu gewollt rotzig. Sehenswert bleibt „Donuts“ dennoch, wegen der Bilder aus dem Hafen und des Spiels etwa von Luisa Böse als Marie und Angelika Richter als Moormanns Mutter.
„Tatort – Donuts“, Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr