So wird der neue „Tatort“ aus Köln Und ’n Ei ausm Konsum

Köln · Im Kölner „Tatort“ weckt ein bürgerliches Wohnquartier Begehrlichkeiten. Da fliegt schon mal eine Handgranate. Für einen großen Fall reicht das leider nicht.

 Wer entschärft die Fliegerbombe? Maiwald senior (Ralph Herforth, l.) und sein Sohn Joachim Maiwald (Adrian Topol) arbeiten beim Kampfmittelräumdienst. Der Vater traut seinem Sohn nicht sonderlich viel zu.

Wer entschärft die Fliegerbombe? Maiwald senior (Ralph Herforth, l.) und sein Sohn Joachim Maiwald (Adrian Topol) arbeiten beim Kampfmittelräumdienst. Der Vater traut seinem Sohn nicht sonderlich viel zu.

Foto: dpa/Martin Valentin Menke

Die Zeiten, in denen Handgranaten zur Problemlösung herangezogen wurden, gehören gottlob der Vergangenheit an. Jedenfalls im realen Köln. Die Handgranaten machen schließlich großen Lärm, ziemlich viel Dreck und sind recht gefährlich. Der „Tatort“ mit dem Titel „Bombengeschäft“ nimmt, wie der Name schon sagt, auf die zeitgemäße Missbilligung von Kriegswaffen im Hausgebrauch keinerlei Rücksicht.

Der Kampfmittelbeseitigungsdienst der Bezirksregierung Düsseldorf rückt zur Entschärfung einer AN M57, einer US-amerikanischen Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg, aus. Mehr als 70 Jahre lang lag das Gerät im Boden, bei Bauarbeiten wurde die Bombe gefunden. So weit, so gewöhnlich. Als die beiden Entschärfer, Katharina Vostell (Isabel Thierauch) und Peter Krämer (Beat Marti), die Bombe zum Bunker bringen, geschieht das Vorhersehbare: Sie explodiert. Weil Vostell schon im Büro ist, stirbt bloß Krämer. Es bleibt nur ein Stück Unterkieferknochen von ihm übrig.

Die Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär), die in ihren 22 Jahren „Tatort“-Tätigkeit freilich bereits alles erlebt haben, werden von „Doc“ Joseph Roth (Joe Bausch) auf Splitter einer Handgranate hingewiesen. Kein Unfall, kein Selbstmord, sondern Mord. Warum also musste der Bombenentschärfer Krämer sterben? Und wer war es? Der 75. Fall mit Ballauf und Schenk ist ein klassischer „Whodunit“.

Es ist kein großer „Tatort“, kein Fall, der viel Diskussionsstoff liefert oder für längere Zeit im Gedächtnis bleibt. Es ist ein eher durchschnittlicher „Tatort“, der viele traurige Geschichten aufreißt, aber nicht zu Ende erzählt.

Vordergründig berichtet der Film von der „traurigen Gewissheit“, wie Schauspieler Behrendt sagt, dass in NRW eine ganze Menge Sprengmaterial im Boden schlummert. Eine Bombenlast von schätzungsweise 675.000 Tonnen soll im Zweiten Weltkrieg über Nordrhein-Westfalen abgeworfen worden sein. Immer wieder werden diese Bomben gefunden, Wohnquartiere während der Entschärfung geräumt, Bahnverkehr umgeleitet. Auch im Jahr 2019. Doch der „Tatort“ wäre nicht der „Tatort“, wenn er nicht eigentlich von etwas ganz Anderem berichten würde.

Ein bürgerliches Neubauviertel, das „Floraquartier“, in Köln weckt nämlich einige Begehrlichkeiten. In beinahe jeder deutschen Großstadt sprießen derartige Quartiere und Carrees aus den Böden. Gut ausgestattet, schick, schweineteuer. Der gestriegelte Investor Raimond Gebel (Marco Hofschneider) hat mehrere Millionen Euro in das „Floraquartier“ gesteckt und ist nun sehr darauf bedacht, dass dort keine Vorbestraften einziehen oder der gute Ruf beschmutzt wird. Von ihm stammt die soziologische Einschätzung: „Die Leute wollen in der Stadt leben und auf dem Land wohnen.“ Wo viel Geld steckt, haben viele Leute gewichtige Interessen und mitunter auch ein Mordmotiv.

Eine etwas eigenartige Rolle spielen zudem die Frau des Toten, die sich überraschend schnell zu einem früheren Kollegen und Freund ihres Mannes hinwendet. Und Joachim Maiwald (Adrian Topol), der Sohn des Chefs des Kampfmittelbeseitigungsdienstes Maiwald senior (Ralph Herforth). Es zeichnet sich ein für Krimis typisches Vater-Sohn-Drama ab, worin der Vater den Sohn für inkompetent hält und der Sohn den Vater für viel zu hart. Maiwald junior jedenfalls hat auch noch Spielschulden.

Das Buch von Thomas Stiller will gleich mehrere Dramen zu einem großen Drama verdichten, scheitert aber letztlich an der fehlenden Liebe zum Detail. Man kommt den Personen des Films immer mal wieder ein bisschen nah, aber nicht nah genug, um mitzufühlen oder gar mitzufiebern. Dieser „Tatort“ will zu viel gleichzeitig und verliert das Ziel, Fliegerbomben im NRW-Boden zu thematisieren, etwas aus den Augen.

Einer der Verdächtigen verwendet die wunderbare Redewendung: „Und 'n Ei ausm Konsum“. Heißt: „Sonst noch was?“ Besser nicht.

„Tatort: Bombengeschäft“, Das Erste, So., 20.15 Uhr

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