„Tatort“ mit Batic und Leitmayr Ein Mörder mit Demenz?

MÜNCHEN · Batic und Leitmayr müssen einen dementen Mann in die Zange nehmen. Doch ist er nur Zeuge - oder der Mörder? Ermittelt wird in einem irre innovativen Institut.

Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, l-r), Ivo Batic (Miroslav Nemec), Laura Lechner (Anna Grisebach) und Prof. Ralph Vonderheiden (Andre Jung) in einer Szene des "Tatort: Flash".

Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, l-r), Ivo Batic (Miroslav Nemec), Laura Lechner (Anna Grisebach) und Prof. Ralph Vonderheiden (Andre Jung) in einer Szene des "Tatort: Flash".

Foto: dpa/Hendrik Heiden

Vor gut einem halben Jahr erst hatten Batic und Leitmayr mit Klarträumen zu tun, also Menschen, die so intensiv träumen, dass Fantasie und Realität verschwimmen. Im neuen Fall „Flash“ ist manches ähnlich - ermittelt wird etwa erneut in einem irre innovativen Institut -, das Thema aber ist sehr viel delikater, weil in der Lebensrealität vieler verankert: Es geht um Demenz

Auf einem Schrottplatz wird eine Studentin getötet – und ein grausiges Detail (im Zweifel sehe man bei der Kamerafahrt um den Kopf der Leiche am Flussufer zu Beginn lieber weg) deutet enorm auf einen Mann hin, der erst jüngst wieder auf freien Fuß kam. Nach lebenslänglicher Haft plus anschließender Sicherheitsverwahrung. Alois Meininger (Martin Leutgeb), ein psychisch kranker, linkischer Automechaniker, hatte 1987 nach einer wilden Disco-Nacht die Schönheit Sandra Kühn (Patricia Ivanauskas) ermordet.

Batic und Leitmayr verschanzen sich mit den Akten von damals in ihrem Büro und verscheuchen die Putzkolonne („Total lieb, aber… heute nicht. Die ganze Woche nicht.“). Doch an diesem „Cold Case“ drohen sie zu scheitern; ihre einzige Hoffnung ist Meiningers damaliger Therapeut. Der soll ihnen das alte und mutmaßlich auch neue Versteck des Verdächtigen nennen – doch Dr. Norbert Prinz (Peter Franke) ist von seiner Demenz schwer gezeichnet.

Da kommt das eingangs erwähnte Institut ins Spiel, in dem Professor Ralph Vonderheiden (André Jung) die - im Grundsatz auch real existierende - Reminiszenztherapie anwendet. „Wir verfügen über vier ‚Erinnerungs-Räume‘, die wir sehr individuell gestalten können“, erläutert der Neuropsychologe stolz. „Da sind wir europaweit führend.“

Gemeint ist die Konfrontation von Patienten mit Sinneseindrücken aus der Vergangenheit, um ihr Langzeitgedächtnis zu aktivieren und sie auf diese Weise wieder an die ihnen abhanden gekommene Identität heranzuführen. Im echten Leben bezieht sich das meist auf einzelne Fotos oder Gegenstände. Im Film bauen sie anhand von ein paar vergilbten Schnappschüssen flugs Prinz‘ komplette alte Praxis wieder auf und feudeln sie zur Sicherheit nochmal mit dem damaligen Putzmittel durch.

Die Bühne ist bereitet für das Rollenspiel, in dem Leitmayr dem Greis die Informationen entlocken soll. Nach exakt 30 Film-Minuten betritt der Fahnder die potemkinsche Praxis, und die kriminologische Gratwanderung beginnt. „Der demente Mensch sucht permanent nach Brücken, über die er gehen kann“, erklärt der Professor. Batic erwidert müde: „Ja, die suchen wir auch.“

Zum Punkt: Der Umgang mit dem so unendlich emotional aufgeladenen Thema ist den Machern von „Flash“ durchaus gelungen; die Dramen für Betroffene, Angehörige sowie die Ermittler werden angemessen angedeutet. Leitmayr (Udo Wachtveitl) zweifelt zunehmend daran, ob das Schauspiel zulasten des dementen Dr. Prinz ethisch zu rechtfertigen ist – Mörder-Suche hin oder her. Obwohl oder gerade, weil der Kommissar etwas weiß, das wir kaum ahnen können.

Durch die Bank toll besetzt ist dieser Film, liebevoll in Szene gesetzt (die Klamotten und Frisuren der späten Achtziger!) auch und spannend dazu. Wie glaubwürdig der Schluss ist, muss wie so häufig jeder für sich selbst entscheiden. Überflüssig aber ist eine komplette Figur, was deshalb so ärgerlich ist, weil ihre Auftritte von der Zeit abgehen, die dem arg übers Knie gebrochenen Finale sehr gut getan hätte.

„Tatort: Flash“, Das Erste, So. 20.15 Uhr

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