So war der Zürich-„Tatort Schoggiläbe“ Umgetopft am Millionärshügel
Im Züricher Fall „Schoggiläbe“ geht es ums große Geld. Die Welt der Reichen offenbart dysfunktionale Familien, dynastische Zwänge und den Drang aller, aus diesem Milieu rauszukommen – Sozialkritik der oberen Zehntausend.
Worum ging es? Ein Millionär wird ermordet, die dilettantische Ausführung weist drauf hin, dass es kein Profi gewesen sein kann. Die Mutter des Opfers sieht seinen Tod als „Erleichterung“, der Sohn und Erbe einer Schokoladendynastie war in ihren Augen wegen seiner Depression und seiner Homosexualität eine Enttäuschung. Die Züricher Ermittlerinnen Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) und ihre Partnerin Tessa Ott (Carol Schuler) treffen auf eine Familie des Grauens: Die Mutter des Toten fürchtet um ihr Lebenswerk und ist voller Verachtung, dessen Tochter Claire hat eigene Pläne für das Unternehmen und will es in eine Genossenschaft umwandeln. Für Tessa Ott ist der Mord auf dem Zürichberg, wo die Millionäre wohnen, eine Rückkehr in ihre Jugend. Sie ist dort in einer der reichsten Familien des Landes aufgewachsen und hat sich dann ein eigenes Leben aufgebaut.
Worum ging es wirklich? Um die Last eines Lebens in einem privilegierten Milieu, das für andere jedoch als der absolute Traum wirkt. „Wie hast du es geschafft, hier rauszukommen?“, fragt Claire Tessa in einer Szene – als ginge es darum, einem Elend zu entfliehen. Das ist in diesem Fall aber nicht materiell gemeint, sondern emotional. Die Familie hat keinerlei Bindung zueinander, zu Empathie ist niemand fähig. Und so gibt es noch ein weiteres Todesopfer, das aber nicht ein Fall für die Polizei wird. „Er hatte alles und wollte doch sterben“, sagt der Mörder am Ende. Auch „Schoggiläbe“ zeigt, Geld allein macht nicht glücklich.
Wie war es? Interessant. Im zweiten Fall des Züricher Duos gibt es noch viel über die beiden Ermittlerinnen zu erfahren, das Gleichgewicht zwischen persönlichen Informationen und Vorantreiben des Falls stimmt. So kämpft Tessa mit ihrer Angst vor einer Waffe, Isabelle fühlt sich in Zürich nicht wohl und hat Heimweh nach der Provinz. Ob sie sich aufeinander verlassen können, wird zur spannenden Frage. Das Ende des Falls mit der überraschenden Auflösung gerät dann aber etwas abrupt.
Der Zürichberg Die Wohngegend ist das teuerste Pflaster in der Schweizer Metropole. Laut einem Immobilienbericht startet der Preis für Villen am Zürichberg bei rund 5,7 Millionen Euro. Der Quadratmeterpreis für Eigentumswohnungen beginnt bei 15.400 Euro. Zum Vergleich: In Düsseldorf liegt der Durchschnittspreis bei knapp 4000 Euro pro Quadratmeter.
Der beste Dialog „Wurzeln geben einem Halt, ob man will oder nicht“, sagt Isabelle in einer Szene. „Ich habe mich umgetopft“, entgegnet Tessa.
Besonderer Kniff Regisseurin Viviane Andereggen arbeitete mit interessanten Perspektiven, die einen jedoch noch etwas ratlos zurücklassen. So sprechen beide Protagonistinnen sowie Staatsanwältin Anita Wegenast (Rachel Braunschweig) in jeweils einer Szene frontal den Zuschauer an und reden über das Leid der Obdachlosen, ein Geburtstagsgeschenk zugunsten von Amnesty International und – in Tessa Otts Fall – über die Abstammung aus einer der reichsten Familien des Landes. Interessant, aber gewöhnungsbedürftig.