„Tatort“-Nachlese Mit der Wahrheit ist es kompliziert

Berlin · Großes Kino aus Berlin: „Das Opfer“ war ein selten gelungener Mix aus Drama und Krimi mit überraschender Auflösung. So kann es weitergehen – auch wenn Kommissar Karow demnächst nicht mehr allein ermittelt.

Der junge Robert Karow (Jona Levin Nicolai, r.) lernt den gleichaltrigen Maik (Laurids Schürmann) kennen – und eine zarte Romanze entwickelt sich.

Der junge Robert Karow (Jona Levin Nicolai, r.) lernt den gleichaltrigen Maik (Laurids Schürmann) kennen – und eine zarte Romanze entwickelt sich.

Foto: rbb/Stefan Erhard

Darum ging es Der verdeckte Ermittler Maik Balthasar (Andreas Pietschmann) wird erschossen im Wald aufgefunden, zuvor hatte sich ins Umfeld von Rotlichtgröße Mesut Günes (Sahin Eryilmaz) eingeschleust, dessen Fingerabdrücke sich auch auf der Tatwaffe finden. Das ist dem diesmal allein ermittelnden Kommissar Robert Karow (Mark Waschke) aber zu einfach – wenig überraschend zu recht, wie sich am Ende herausstellt. Doch die Auflösung kann trotzdem überraschen und der Weg dorthin ist spannend und zugleich melancholisch.

Denn „Das Opfer“, wie dieser Fall heißt, war ein Jugendfreund von Karow und dessen, wie sich herausstellt, einzige große Liebe. Zarte, flirrende Bilder prägen diese kurze Romanze, die genauso schnell endet, wie sie begonnen hat. Weil für den Vater von Karow die Wahrheit über allem steht und der Sohn spurt. Zwar ist, wie sich herausstellt, Karows Vater für den weiteren Verlauf eher unabsichtlich, aber eben doch verantwortlich – und Karow schleudert ihm beim Frühstück die Enttäuschung von Jahrzehnten entgegen: „Das war das einzig Gesunde, was ich gefühlt hab für einen Menschen in meinem ganzen Leben und du hast es zerstört.“

Der Zuschauer taucht also erstmals tief ein in die Geschichte des sonst so verschlossenen Kommissars – das berührt und ist zu keiner Zeit zu dick aufgetragen. Und nebenbei kommt auch der Krimi nicht zu kurz: Mit der Hilfe der Prostituierten Carola findet Karow heraus, dass Maik für Günes dessen Geliebten Sami zum gemeinsamen Treffpunkt fuhr – und sich dabei ebenfalls in Sami verliebte. Auch der Gangsterboss liebt also einen Mann, geradezu beiläufig und damit so wohltuend anders als andere deutsche Fernsehfilme.

Dass in der Liebe drei oft einer zu viel sind, ist eine weitere schwierige Wahrheit: Maik will Sami helfen, Günes zu entkommen, doch der findet das Versteck der beiden – und erschießt Sami. Maik lässt er am Leben und für sich arbeiten, bis der sich entschließt, Günes ans Messer zu liefern und sich selbst auf komplizierte Art und Weise umbringt.

Und Karow? Der kennt diese komplizierte Wahrheit – und setzt Günes damit unter Druck, den Mord an Sami zu gestehen. Und lässt sich am Ende ein Tattoo mit einem Symbol seiner großen Liebe stechen.

Das war gut Dieser Sonntagabendkrimi war ein echtes Highlight – interessanter Fall, spannende Hintergrundgeschichte, toll gespielt und inszeniert. Hier stimmte eigentlich alles; selbst in der an starken Fällen nicht armen Geschichte des Duos Karow/Rubin herausragend. Der RBB macht mit dem Berliner „Tatort“ derzeit schlichtweg vieles richtig.

Das bleibt Für Karow in jedem Fall sein neues Tattoo und vielleicht ein Weg zu etwas weniger Schroffheit auch im Umgang mit sich selbst, für den Zuschauer viele neue Erkenntnisse über den einsamen Kommissar. Und darüber, wie angenehm es ist, wenn Krimi und Drama so kombiniert werden, dass keines zu kurz kommt und trotzdem beides auserzählt und stimmig wirkt.

So geht es weiter Ein spektakuläres Solo für Karow – aber dass es so nicht weitergeht, steht ja bereits fest. Und in diesem Fall muss man darüber nicht traurig sein: Neue Partnerin an der Seite von Mark Waschke ist die großartige Corinna Harfouch. Rein darstellerisch wohl das stärkste Team derzeit, man darf sich auf 2023 freuen.

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