So war der Polizeiruf „Black Box“ Wenn die Erinnerung aussetzt
Magdeburg · Die Beste kommt zum Schluss: Schauspielerin Claudia Michelsen überragt alles im Magdeburger „Polizeiruf: Black Box“. Im letzten Sonntagskrimi vor der Sommerpause geht es um die Frage, wie das menschliche Gehirn Erlebnisse verarbeitet, verdrängt und verfälscht.
Worum ging es? Adam Dahl (Eloi Christ) ist mit seinem Freund Tomi unterwegs mit der Bahn, als er im Bahnabteil unvermittelt auf einen Fremden mit einem Notfallhammer einschlägt. Christof Oschmann, ein Mann, den Adam nie zuvor getroffen hat, wird regelrecht massakriert. Fingerabdrücke, ein blutbesudelter Täter, ein Moment der Raserei – für die Polizei ist der Fall klar. Nicht aber für Doreen Brasch (Claudia Michelsen), die das Motiv finden will. Dabei hat sie genügend eigene Probleme: Seitdem sie von einem mörderischen Pärchen angegriffen wurde („Der Verurteilte“, ausgestrahlt 2020), leidet sie unter Klaustrophobie, Angstzuständen, Ticks. Eigentlich ist sie kaum dienstfähig, doch die Kommissarin mit der verwundeten Seele findet einen besonderen Zugang zu Adam und seinem Fall. Denn der junge Mann, so stellt sich am Ende heraus, hat in der Vergangenheit Schreckliches mitansehen müssen.
Worum ging es wirklich? Um die Manipulierbarkeit des menschlichen Gehirns und der Erinnerungen. Der Fall „Black Box“ macht deutlich: Wahrnehmungen lassen sich verändern, Eindrücke so verzerren, dass Erleben und Wirklichkeit nichts mehr miteinander zu tun haben. Das wird in einer Szene deutlich, in der an der psychologischen Hochschule eine junge Frau von peinvollen Mobbingerfahrungen spricht, die sie allerdings nie selbst erlebt hat, sondern dafür Fiktion und Erleben miteinander verflochten hat. Auch Adams Eltern scheinen ihre eigene Geschichte nicht nur mit Fakten geschrieben zu haben und haben sich an diese neue Erzählung so gewöhnt, dass ihnen Braschs Nachfragen völlig absurd erscheinen. Die Kriminalistik unterscheidet bewusst zwischen Beweisen, Indizien und Aussagen. Schon vor Jahren haben Experten in den USA herausgefunden, dass zum Beispiel Augenzeugen nicht unbedingt gute Zeugen sein müssen. Wenn Aufregung oder Faktoren wie Dunkelheit oder Regen in der Wahrnehmung Lücken hinterlassen, neigt das Gehirn dazu, diese Lücken zu füllen – meist mit Dingen, die den Menschen zwar plausibel erscheinen, aber nicht passiert sein müssen.
Was war stark? Die Folge „Black Box“, mit der das Erste seinen Sonntagskrimi in die Sommerpause verabschiedet, ist wahrlich sehenswert. Regisseurin Ute Wieland und Drehbuch-Autorin Zora Holtfreter verweben die Geschichte der beiden Charaktere, die als Kommissarin und als junger Mensch ganz unterschiedliche Voraussetzungen haben, mit einem Traum umzugehen. Eloi Christ spielt Adam stark, aber Claudia Michelsen überragt alle als angeschlagene Polizistin, die mit den Folgen einer Attacke auf sie zu kämpfen hat. Ein kleiner ernsthafter Running Gag ist, wie sie mit immer wechselnden Ausreden, Türen offen stehen lässt. Mal schiebt sie dem Tatverdächtigen ihre Angst vor geschlossenen Räumen unter, mal verweist sie auf ihre angebliche Katzenhaar-Allergie.
Der skurrile Moment Der Dorfpolizist, der bei den alten Fällen weiterhelfen könnte, konzentriert sich lieber auf sein Intervallfasten und seinen Blutzuckerspiegel. Herrlich, wie er seine Lebensmittel liebevoll in Form schnitzt und dann mit dem ersten Signal des Weckerklingelns ins Brot beißt.
Der beste Spruch „Nüscht, niente, nada“, sagt der Dorfpolizist zu den Ermittlungsergebnissen der alten Fälle. Da hat aber auch noch nicht Doreen Brasch mitgemischt.