Drama über Geiselnahme Sieben Stunden Todesangst

München · Ein Frauenmörder nimmt in der JVA eine Gefängnispsychologin als Geisel, vergewaltigt sie mehrfach. Die Geschichte dieser Frau und ihrer Bewältigung der Tat zeigt der einfühlsame Arte-Film „Sieben Stunden“.

 Bibiana Beglau spielt die Gefängnispsychologin Hanna Rautenberg eindrücklich und intensiv.

Bibiana Beglau spielt die Gefängnispsychologin Hanna Rautenberg eindrücklich und intensiv.

Foto: dpa/Barbara Bauriedl

Es ist eine wahre Geschichte, die von Susanne Preusker: Im April 2009 nimmt ein verurteilter Frauenmörder die Cheftherapeutin im Hochsicherheitsgefängnis im niederbayerischen Straubing in ihrem Büro als Geisel, vergewaltigt sie mehrmals brutal. Sieben Stunden lang. Ein Spezialeinsatzkommando wartet vor der Tür. Die Polizisten greifen aber nicht ein - sie harren aus, bis der Täter aufgibt. Nun haben Arte und der Bayerische Rundfunk das Leiden der damals 49-jährigen Frau verfilmt. „Sieben Stunden“ ist eine wahre Geschichte über ein wahrhaftes Martyrium.

Nichts für schwache Nerven

Es ist ein erschütternder Film, der zwar manche schrecklichen Szenen ausspart, aber dennoch nichts für schwache Nerven ist. Er zeigt in knapp 90 Minuten, wie aus einer selbstbewussten, lebensfrohen Frau – im Film heißt sie Hanna Rautenberg – eine gebrochene wird. Eine Frau, die mit Wunden übersät und von Panikattacken verfolgt an ihrer Familie, Freunden und Kollegen, dem Strafvollzug und der Psychotherapie bei Verbrechern sowie am Ende auch an sich selbst zu zweifeln beginnt. Eindrucksvoll spielt Bibiana Beglau diese Rolle.

Kurz vor ihrer Hochzeit geht Hanna gut gelaunt zur Arbeit: Sie kennt Urlaubspläne von Wärtern, schenkt der Kollegin einen Schal. Als Peter Petrowski (Till Firit) in der Gruppentherapie erstmals über Gefühle spricht, erzählt sie am Abend stolz, der einst psychisch schwer gestörte Mann sei nach vier Jahren kontrolliert. Ein Trugschluss.

Todesangst im eigenen Büro

Nach einer Sitzung will er nochmal mit einer Freundin telefonieren – doch Hanna möchte Feierabend machen. Da bedroht der Häftling sie mit einem Messer, raubt den Schlüssel, sperrt den Raum zu. „Wenn Sie schreien, klebe ich Ihnen den Mund zu“, sagt er zu der Gefesselten - Flüssigkleber in der Hand. „Jetzt will ich was haben von der Sache.“ Er reißt ihr die Kleider vom Leib, malt Sexposen mit Strichmännchen an die Wand. Die Kollegen draußen denken, Hanna habe alles im Griff.

Die lässt in Todesangst alles über sich ergehen, wie es im Prozess heißt. Die Verhandlung und auch die Geiselnahme selbst nehmen relativ wenig Raum in dem Film ein. Der Schwerpunkt liegt auf den Folgen für Hanna: Sie bildet sich zum Beispiel ein, der Täter verfolge sie.

Trotzdem heiratet sie Stephan (Thomas Loibl, wie Beglau, Firit und andere aus dem Film Ensemblemitglied im Münchner Residenztheater). Es wird nicht gelacht. Hanna steht traumatisiert neben sich. Beim Essen danach droht ein Streit mit ihrer Mutter zu eskalieren. Die Flitterwochen ebenfalls, weil Stephan ihr Vorwürfe macht: „Wenn man angegriffen wird, wehrt man sich doch. Jedes Tier wehrt sich doch.“

„Ich will kein Opfer sein“

Hannas Aussagen sind gleichermaßen eindrucksvoll und deutlich: „Er hat mich zu seiner Nutte gemacht“, sagt sie. „Ich bin beschmutzt. Es klebt an mir.“ Und: „Ich will kein Opfer sein. Als Opfer ist man das Letzte.“ Sie wolle wieder leben, „richtig leben“, wie sie sagt.

Sie wird wieder zu einer starken Frau - jedoch nicht mehr mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht, sondern mit zusammengepressten Lippen. Sie fokussiert sich auf die Aufarbeitung ihrer Erlebnisse. Neben Fragen zu Lücken im Sicherheitssystem in Gefängnissen und der Therapierbarkeit von Sexualstraftätern dreht sich immer mehr um sie: Gefällt ihr die Rolle des Opfers? Will sie Gerechtigkeit oder Rache?

Die Geschichte im Film endet weniger tragisch als die in der Realität: Stephan kommt zurück, setzt sich im Garten zu Hanna, nimmt ihre Hand. Susanne Preusker hat sich am 13. Februar dieses Jahres das Leben genommen.

„Sieben Stunden“, Arte, 20.15 Uhr

(dpa)
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