Am Sonntag in der ARD Schweizer "Tatort" im Sekten-Milieu

Luzern · Am Sonntag beginnt die neue "Tatort"-Saison. Die Folge "Geburtstagskind" zeigt einen tödlichen Konflikt zwischen Vater-Rollen.

Dass die ARD die neue "Tatort"-Saison mit einem "Tatort" aus der Schweiz startet, bedeutet vor allem, dass sie steigerungsfähig bleibt. Die Folge "Geburtstagskind" beginnt bereits völlig unlogisch. Warum setzt eine Familie sich erst am späten Abend mit der 14-jährigen Tochter zur Geburtstagstorte an den Kaffeetisch? Immerhin startet die Handlung mit dem zentralen Konflikt. In die traurige Feier der 14-jährigen Amina platzt der leibliche Vater des für die Folge namensgebenden Geburtstagskinds.

Das Schweizer Fernsehen (SF) und der deutsche SWR wären besser bei dem Arbeitstitel "Vaterpflichten" geblieben, den die bereits im Oktober 2012 gedrehte Folge ursprünglich haben sollte. Denn genau darum geht es: Auf der einen Seite steht Beat Halter (Oliver Bürgin), der Adoptivvater, der Amina und ihre kleine Schwester nebst Mutter Ursula (Sarah Spale) einst aus dem Drogensumpf gezogen hat und einer christlichen Sekte vorsteht, deren Ideologie das Leben der Familie im erdrückend frommen Griff hat. Auf der anderen Seite steht Kaspar Vogt (Marcus Signer), Aminas leiblicher Vater, ein haltloser Querulant und Ex-Junkie, der von Diebstählen lebt und zu Gewaltausbrüchen neigt.

Die Sekten-Stelle kommentiert live

In der Nacht nach ihrem Geburtstag wird Amina ermordet. Die Obduktion ergibt, dass das Mädchen im dritten Monat schwanger war. Die Kommissare Reto Flückinger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) ermitteln nun in den Umfeldern der beiden Väter und zeigen jeweils deutliche Sympathien für eine bestimmte Seite. Reto Flückinger schlägt sich auf die Seite des leiblichen Vaters, Liz Ritschard zeigt dagegen Verständnis für den Sekten-Hintergrund des Adoptivvaters.

So richtig spannend ist das nicht, und das Ende ist nicht wirklich überraschend. Geübte Krimi-Zuschauer dürften auf halber Strecke wissen, wer der Mörder ist. Möglicherweise wird es lehrreich, wenn man sich nicht nur auf das TV-Gerät beschränkt. Die Zürcher Sektenberatungsstelle "infoSekta" will während der Ausstrahlung twittern, wie glaubwürdig die Figuren der obskuren Glaubensgemeinschaft dargestellt sind (zu verfolgen über die Twitter-Seite der katholischen Kirche in der Schweiz).

Auch nach dem fünften Schweizer "Tatort" (bei "Geburtstagskind" führt zum zweiten Mal Tobias Ineichen Regie) bleibt die Frage, ob das Schweizer Fernsehen wirklich "Tatort"-fähig ist. Sekten-Krimis hat man in der Reihe schließlich immer schon, aber besser (zum Beispiel 2010 "Glaube, Liebe, Tod" vom österreichischen ORF oder die Schimanski-Folge "Doppelspiel" von 1985) gesehen.

Das SF schraubt weiter an der Entwicklung. Ab Folge sechs wird das Personal des Schweizer "Tatorts" deutlich reduziert, fünf Nebenrollen der Luzerner Polizei wurden gestrichen und die Schauspieler gekündigt. Das SF spart Kosten, Drehtage und Erzählstränge, ob die Fokussierung auf die Figuren Flückinger und Ritschard aber wirklich funktioniert, bleibt abzuwarten.

"Tatort: Geburtstagskind", ARD, So., 20.15 Uhr

(RP)
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