Der "Musikantenstadl" wird 30 Schunkeln, jodeln, Dirndl tragen

München (RPO). Entweder man liebt oder man hasst ihn: der "Musikanten-Stadl". Regelmäßig schalten Millionen Menschen ein, um deutschsprachige Schlager- und Volksmusik zu genießen. Am Samstag feiert der TV-Evergreen einen runden Geburtstag. Der langjährige Moderator Karl Moik wird allerdings keine Aufwartung machen.

2011: Der "Musikantenstadl" wird 30
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Als sich österreichische Wissenschaftler vor ein paar Jahren aufmachten, das Phänomen "Musikantenstadl" zu erkunden, stießen sie auf eine in Wien lebende Türkin. Sie klagte darüber, dass in ihrer alten und wie in ihrer neuen Heimat Werte und Traditionen gleichermaßen rasant verloren gingen. "Der Mensch sucht immer bestimmte Werte und will auch nach diesen leben. Ohne Werte fühlt man sich leer", sagte die als Frau C. bezeichnete Migrantin den Forschern. Ist das das Geheimnis des Erfolgs des "Musikantenstadl", dass er seit nun 30 Jahren die Sehnsucht nach einer längst vergangenen, vermeintlich noch heilen Welt befriedigt?

Am Samstag findet im Schweizer Fribourg - wegen des Erdbebens in Japan mit zweiwöchiger Verspätung - die Jubiläumssendung des "Musikantenstadl" statt. Allerdings konnten nur die österreichischen Zuschauer von der ersten Stunde an dabei sein. Als der Erfinder und Moderator der Sendung, Karl Moik, im März 1981 in Enns vor die Kameras trat, war der "Musikantenstadl" zunächst ein reines ORF-Projekt. Und für dieses hatte Moik einen eher schlichten Unterhaltungsanspruch formuliert: "Wir wollen beweisen mit Schwung und mit Scherz, dass jugendlich bleibt nur ein fröhliches Herz", reimte er in seiner Begrüßung zur ersten Sendung.

Der Zuspruch in Österreich war so stark, dass die ARD sich 1983 der Übertragung anschloss. Zunächst unter der Woche, ab 1986 zur besten Sendezeit am Samstagabend lief ganz nach Moiks "Schwung mit Scherz"-Motto die Sendung ab. An Moiks Seite stand der Hias, ein singender und witzelnder Bauernbursche, dazu kam Dackel Wastl und zur musikalischen Begleitung die Wolfgang-Lindner-Band. 24 Jahre änderte Moik fast nichts an diesem Konzept und fuhr damit bestens: Die Einschaltquoten waren trotz allem Spott der Kritiker über die jodelnden und schunkelnden Dirndl- und Lederhosenträger top, und die Sendeanstalten ließen ihn mit dem "Stadl" um die Welt reisen.

Welttournee der Volksmusik

In Moskau, Dubai, Melbourne und Kapstadt war Moik mit seinem singenden Tross zu Gast und galt bald als Österreichs Visitenkarte für die Welt. Absoluter Höhepunkt der weltreisenden alpenländischen Musikkultur war ein Gastspiel in China im Oktober 1999: 812 Millionen Chinesen sollen vor dem Fernseher gesessen haben, als Moik als weltweit erster Fernsehmoderator aus der verbotenen Stadt senden durfte, die etwa zehn Millionen Zuschauer in Europa wirkten dagegen verschwindend wenig.

Dass ein André Rieu, ein Florian Silbereisen oder ein Stefan Mross durch den "Musikantenstadl" berühmt wurden, blieb vielen verborgen. Denn trotz aller Erfolge war die Show stets auch das Synonym für Spießigkeit. Macher Moik machte es mit Witzchen in Altherren-Manier den Kritikern auch immer wieder leicht. Doch zermürben ließ er sich davon nie - ARD und ORF mussten Moik 2005 regelrecht aufs Altenteil drängen. Die Quoten ließen nach, Moik hatte gesundheitliche Probleme und obendrein für einen Skandal gesorgt, als er in einer seiner letzten Sendungen Italiener als "Spaghettifresser" beschimpfte.

Keine Trennung im Guten

Wenn nun am Samstag Moiks Nachfolger, der als Sänger bekannt gewordene Andy Borg, in der Schweiz Hansi Hinterseer, Semino Rossi, Stefan Mross, DJ Ötzi, Stefanie Hertel, die Jungen Zillertaler und noch weitere Stars der Szene begrüßt, wird Moik fehlen. Bis heute hat er seinen Abschied nicht verwunden- "Ich wurde links liegen gelassen wie ein dreckiges Tuch", sagte der 72-Jährige erst kürzlich.

Doch Andy Borg will Moik trotzdem zeigen, in Filmausschnitten mit den besten Szenen aus 30 Jahren "Musikantenstadl". Wenn dann am Sonntag die Einschaltquoten veröffentlicht werden, dürfte sich die regelmäßig bei über fünf Millionen Zuschauern liegende Volksmusik-Show ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit "Deutschland sucht den Superstar" um den Tagessieg liefern. Die Gefahr ist gering, dass sich Borg und Dieter Bohlen gegenseitig die Zuschauer abjagen - während vornehmlich die älteren die Sehnsucht nach der heilen Welt pflegen, stehen die Jungen mehr auf den Traum vom rasanten Aufstieg.

(AFP)
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