TV-Talk mit Sandra Maischberger "De Maizière will Rassisten für die CDU gewinnen"

Düsseldorf · Sandra Maischberger diskutierte mit ihren Gästen über die Frage: "Beethoven oder Burka – braucht Deutschland eine Leitkultur?" Verbale Angriffe auf Bundesinnenminister Thomas de Maizière kamen vor allem von zwei Gästen.

 Maischberger im Gespräch mit Joachim Herrmann, Motsi Mabuse und Hans-Ulrich Jörges.

Maischberger im Gespräch mit Joachim Herrmann, Motsi Mabuse und Hans-Ulrich Jörges.

Foto: Yotutube / Mediathek Politik

Sandra Maischberger diskutierte mit ihren Gästen über die Frage: "Beethoven oder Burka — braucht Deutschland eine Leitkultur?" Verbale Angriffe auf Bundesinnenminister Thomas de Maizière kamen vor allem von zwei Gästen.

Darum ging's

Bereits 1996 prägte der Göttinger Politologe Bassam Tibi den Begriff der Leitkultur. CDU-Politiker Friedrich Merz machte ihn vier Jahre später in Deutschland bekannt. Seither ist die Leitkultur für die Union ein dauerhaftes Thema. Ausgerechnet im Superwahljahr nun hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière zehn Thesen einer deutschen Leitkultur formuliert. Mit welcher Intention?

Die Gäste

Joachim Herrmann, CSU (Bayerischer Innenminister), unterstützte die Thesen de Maizères.

Sawsan Chebli, SPD (Berliner Staatssekretärin), bezeichnete die Leitkultur als Stimmungsmache.

Motsi Mabuse (Profi-Tänzerin und Schauspielerin) blieb weitgehend stumm.

Hans-Ulrich Jörges ("Stern"-Autor) kritisierte den Bundesinnenminister heftig.

Birgit Kelle (Publizistin) hielt die Diskussion über eine Leitkultur für längst fällig.

Scheindebatte oder wichtiges Thema?

Bereits die Einstiegsfrage nach der Relevanz der zehn Thesen spaltete die Runde. Motsi Mabuse und Hans-Ulrich Jörges glaubten nicht, dass es der Debatte überhaupt bedarf. Sawsan Chebli sah das ähnlich. Statt einer "Scheindebatte" sehe sie dennoch massive Probleme bei der Integration. Autorin Birgit Kelle sagte: "Dass wir seit fast zwei Jahrzehnten diskutieren zeigt, dass es Gesprächsbedarf gibt." Sie glaube, dass die Deutschen Regeln festlegen müssten, die nicht verhandelbar seien und an die sich "jeder, der kommt" anpassen müsse. "Ich will nicht akzeptieren, dass jemand einer Frau aus kulturellen Gründen den Handschlag verweigert", sagte Keller. CSU-Politiker Herrmann sprach von "unseren Mindestanforderungen an Immigranten." Der Bayer insistierte, dass Unterricht in einer deutschen Schule nicht denkbar sei, bei dem die Lehrerin ihren Schülern nicht die Augen schauen könne. Damit führte er zum Aufreger-Thema — dem Islam in Deutschland.

Aufreger des Abends

Schnell ließ Moderatorin Maischberger über den plakativsten Satz der zehn Thesen diskutieren: "Wir sind nicht Burka." Kelle bezog gleich Stellung: "Kopftuch ist für mich in Ordnung. Die Burka ist aber ein Symbol der Unterdrückung der Frau." Sie wolle sich nicht an den Anblick von Burkas im deutschen Straßenbild gewöhnen. Chebli widersprach ihr und behauptete, in Deutschland noch nie eine Frau mit Burka gesehen zu haben. Cheblis Kritik richtete sich gegen Thomas de Maizière, der politische Stimmungsmache betreibe. Dem schloss sich Journalist Jörges an. Zwar hätte man auch ihm Hintergedanken vorwerfen können, weil er in gefühlt keinem Statement ohne den Begriff "biodeutsch" auskam. Jörges bekräftigte jedoch, dass er die Leikultur-Thesen für ein Wahlkampfpapier halte, mit dem de Maizière gezielt Rechte und Rassisten ansprechen und für die CDU gewinnen wolle. "Leitkultur sollte vereinigen. Aber Thomas de Maizière spaltet die Gesellschaft."

Der interessanteste Gast

Sawsan Cheblis Eltern kamen Ende der 1960er aus Palästina nach Deutschland. Jahrzehntelang in Berlin nur geduldet, wird Chebli erst mit 15 Jahren deutsche Staatsbürgerin, studiert dann und wird 2014 stellvertretende Sprecherin von Frank-Walter Steinmeier. "Ich fühle mich integriert", sagte sie. Doch die Generation, der beispielsweise ihre jungen Cousinen und Cousins angehörten, hätte andere Gefühle: "Ihnen wird das Gefühl vermittelt, dass sie keine echten Deutschen sind und es nie sein werden." Die Deutschen sagten zwar, dass das Land ein Einwanderungsland ist. "Aber es ist nicht in den Köpfen angekommen."

Laut einer Studie der Uni Münster sind 47 Prozent der Türkeistämmigen in Deutschland die Gesetze der Religion wichtiger als die des Landes. Maischberger stellte die Frage nach einer Lösung für dieses Problem direkt an Sawsan Chebli: "Das Problem löst sich jedenfalls nicht, wenn wir Abgrenzungsdebatten führen." Publizistin Kelle hingegen fühlte sich in ihrer konservativen Ansicht bestätigt: "Das Grundgesetz reicht nicht aus!". Für Kelle sei die Frage, ob man sich als Deutscher fühlt, eine Frage der Haltung. Sie sprach No-Go-Areas und Parallelgesellschaften an, in denen Menschen lebten, "die sich selbst ausschließen und keine Lust auf die deutsche Gesellschaft haben."

Fazit des Abends

Wertedebatten sind gut und wichtig. Zumindest darüber stimmte die Runde am Schluss überein. Dass die neue Leitkultur-Debatte aber für eine politische Instrumentalisierung ungeeignet ist, machte Journalist Jörges deutlich, der das Thesenpapier de Maizières als "reines Wahlkampfpapier" bezeichnete. Er verwies auf zwei längst bestehende, bessere Orientierungspunkte in Sachen Identität: das Grundgesetz und die Inhalte in den Integrationskursen. Chebli ist dennoch der Satz des Abends zuzuschreiben, weil er an die eigenen Reihen gerichtet war: "Unsere Verantwortung als Politiker ist es, auf unser Wording zu achten."

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