TV-Kritik "Erwachsen auf Probe" RTL macht nur das, was es immer macht

Düsseldorf (RP). Die Aufregung war enorm: 60 Verbände haben Alarm geschlagen, die Bundesfamilienministerin hob mahnend den Zeigefinger. Kritiker haben sich erbost, dass das Privatfernsehen alles zeige, "nur nur keine Verantwortung für sein Programm und die Gesellschaft.” Warum? Weil RTL das macht, was es seit 25 Jahren macht. Marktfähige Unterhaltung.

Szenen aus "Erwachsen auf Probe"
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Szenen aus "Erwachsen auf Probe"

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Dafür war die erste Folge von "Erwachsen auf Probe” ein Paradebeispiel, zumindest handwerklich: Verhaltensauffällige Jugendliche ("Ich habe meine Freundin einmal geschlagen und danach war Ruhe.”) werden Extremsituationen (Rund-um-die-Uhr-ErwachsenSein samt Job und Kleinkind) ausgesetzt.

Wo ihr Überfordert-Sein nicht automatisch in Dramatik abgleitet, helfen die richtigen Schnitte und passende Musik ­ und das pädagogisch korrekte Einschreiten nachsichtiger "Experten” (Katja Kessler, Autorin eines "Mama-Ratgebers” und Vierfachmutter). Diese schreiten bei drohender Eskalation (Probe-Vater legt sich im Schlaf auf Baby-Test-Puppe) verhindernd ein ("Ihr seid leider noch nicht reif für ein Baby!”).

Bis zu 3,7 Millionen Zuschauer sahen am Mittwoch den Auftakt zu "Erwachsen auf Probe”, für RTL ein respektabler Marktanteil von gut 19 Prozent bei den 14-49-Jährigen. Das direkt folgende "Stern-TV” zum Thema sahen sogar 23 Prozent dieser Altersgruppe.

Die nachgeschobene Scheindebatte war vermutlich noch das Ungewöhnlichste an der Einführung eines neuen Unterhaltungsformats. RTL-Star Günther Jauch, eine Psychologiestudentin, die bei den Dreharbeiten über Sicherheit der Teilnehmer wachte, und eine der "Leihmütter” erklärten einer Kinderschützerin beharrlich, wie RTL jede Gefahr für die Babys von vornherein ausgeschlossen hatte.

Schließlich konzipiert der Sender seine Formate nicht als risikoreiche Experimente, sondern erfolgsversprechende Quotenbringer ­ was natürlich niemand deutlich formulierte, als die Kinderschützerin in die Runde fragte, was die Sendung denn eigentlich bringe soll.

Dass die Nachbearbeitung bei Jauch trotzdem so viele Zuschauer interessieren würde, damit dürfte selbst RTL nicht gerechnet haben. Immerhin führt der Sender, und nicht nur dieser, seit Jahren Menschen vor. Seien es glücklose Landwirte, die ihre Partnerin im Fernsehen suchen, Ehefrauen, die sich an einen anderen Haushalt vermieten lassen, talentfreie Jugendliche, die ihren Traum vom Star-Dasein in Castingshows ausleben um dann fallen gelassen zu werden, bereits gefallene Stars, die sich im Dschungel in Madenbäder setzen, um ins Rampenlicht zurück zu kehren, sei es auch nur für kurze Zeit.

Auch Kinder sind längst Bestandteil dieses Programms: Was es mit labilen Teenagern macht, sich vor ganz Fernsehdeutschland von einer Super-Nanny erziehen zu lassen statt von den eigenen unfähigen Eltern, hat genau so viel Skandalpotenzial wie das Schicksal von Schulkindern, die sich in "Erwachsen auf Probe” demnächst anstelle der Leihbabys von Teenagern betreuen lassen müssen. Aber bis es so weit ist, wird sich über wieder eine Unterhaltungssendung wohl keiner mehr aufregen.

(RP)
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