Starker Rostocker „Polizeiruf“ am Sonntagabend Kommissare am Abgrund

Rostock · Das Rostocker „Polizeiruf“-Team König und Bukow wird von einer alten Geschichte eingeholt, die die Ermittlerin fast in den Wahnsinn treibt. Der Fall „Der Tag wird kommen“ ist wie ein amerikanischer Thriller.

 Kommissar Bukow (Charly Hübner) erreicht einen Tatort und wird dort eine Entdeckung machen, die ihn aus der Bahn wirft.

Kommissar Bukow (Charly Hübner) erreicht einen Tatort und wird dort eine Entdeckung machen, die ihn aus der Bahn wirft.

Foto: dpa/Christine Schroeder

Hautausschlag, Schlaflosigkeit, zitternde Hände und leichte Wahnvorstellungen: LKA-Profilerin Katrin König (Anneke Kim Sarnau) dreht langsam durch, und als ihr alles zu viel wird, fährt sie mit ihrem Mercedes-Schiff rechts ran. Sie ist fix und fertig, das Telefon klingelt, sie geht dran und glaubt, es sei ihr Kollege Sascha Bukow (Charly Hübner). Prompt bricht alles aus ihr heraus: Dass ihr alles zu viel wird. Dass sie nicht mehr sie selbst ist. Dass sie Hilfe braucht. Auch von ihm. Doch nicht Bukow ist am anderen Ende der Leitung, sondern nur ein Mitarbeiter eines Callcenters, der mit ihr die Kundenbeziehung erörtern will.

Diese Szene tut beim Zuschauen weh, weil König sich endlich öffnet und doch verzweifelt zurückbleibt. Der Fall „Der Tag wird kommen“ des Rostocker „Polizeiruf“-Teams ist der 22. und löst unter großen Schmerzen der Beteiligten das Dilemma, in dem König und Bukow seit ihrer 18. Ermittlung stecken. In „Für Janina“ hatte König Beweise in einer aktuellen Mordermittlung gefälscht, um einen bislang nicht belangten Mädchenmörder ins Gefängnis zu bringen. Bukow hat sie gedeckt, seitdem steht diese Tat zwischen ihnen. Mörder Guido Wachs macht König aus dem Gefängnis heraus das Leben schwer, setzt sie unter Druck und will, dass sie die Wahrheit sagt. Genau das will Bukow verhindern, weil es beide den Job kosten würde.

Der aktuelle Fall schildert im Stile eines amerikanischen Thrillers, wie König langsam, aber sicher den Verstand verliert. Sie wird morgens beim Joggen von zwei Typen – „einer blond, einer dunkel, beides Wichser, Fahndung läuft“, wie Bukow es formuliert – attackiert, weil sie einer Frau helfen will, die von den Männern angegriffen wird. Sie wird erst im Krankenwagen wach und erfährt später, dass die Frau erstochen wurde. Sie macht sich Vorwürfe, weil sie sich wie immer für alles verantwortlich fühlt. Guido Wachs belagert sie, säuselt von Vergebung. Als Folge gleitet sie immer mehr in eine Psychose ab. Bukow will ihr helfen und kann es nicht. Weil sie alle wegstößt und wie das Mordopfer eine Einzelkämpferin ist. „Sie stellen bescheuerte Fragen, entziehen Sie mir doch den Fall“, herrscht sie ihn an, als er ihr Unterstützung anbietet.

Obwohl es zwischen den Ermittlern seit mehreren Folgen knistert, siezen sie sich beständig. In „Der Tag wird kommen“ geht es wieder um ihre Beziehung und um Guido Wachs, der die Kommissare wie Marionetten steuert. Die Mordermittlung läuft so am Rande mit. Aber das macht überhaupt nichts. Sarnau und Hübner gehören zu Deutschlands besten Schauspielern und zeigen, was sie können: aggressiv, verletzlich, berührend. Dieser „Polizeiruf“ ist für seine Fans ein starkes Stück Krimi mit einem dramatischen und schmerzvollen Finale. Es lohnt sich. Und vielleicht wird doch noch alles gut an der Ostsee.

„Polizeiruf: Der Tag wird kommen“, Das Erste, So., 20.15 Uhr.

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