So wird der „Tatort“ Der Besuch der alten Dame und die Sache mit der Rache

Ludwigshafen · Der bereits 77. Fall von Lena Odenthal beginnt nach einem kleinen Schock-Effekt locker-leicht mit einem Besuch ihrer Tante. Dann kippt es mutig ins absolut Abgründige. Eines aber stört massiv.

 Drei Frauen gegen das Böse: Lena Odenthal (Ulrike Folkerts, v. l.), ihre zu Besuch gekommene Tante Nikola (Ursula Werner) und Johanna Stern (Lisa Bitter).

Drei Frauen gegen das Böse: Lena Odenthal (Ulrike Folkerts, v. l.), ihre zu Besuch gekommene Tante Nikola (Ursula Werner) und Johanna Stern (Lisa Bitter).

Foto: SWR/Benoît Linder

Wenn man nicht weiß, wo man beginnen soll, weil man das eigentliche Thema dieses eigentlich guten Films nicht verraten kann, dann wohl: am Anfang. Nicht beim ersten Fall von Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) natürlich; der lief – kein Scherz – kurz vor dem Mauerfall. In der Einstiegssequenz ihres aktuellen, inzwischen 77. Falls fährt anstelle einer Polizeistreife zur Abwechslung ein Leichenwagen durch die Stadt. Am Friedhof vorbei, ins Krematorium. Dann kommt, was kommen muss: Die Leiche ist gar keine. Der Mann bewegt, kaum brennt das Feuer, seine Finger aus dem Sarg. Ein starker Einstieg.

Und dann kommt Lena Odenthal und spult dämliche Textzeilen ab. „Was für eine Schlamperei!“, sagt sie, und: „Hat denn keiner gemerkt, dass der Mann noch lebt?“, und: „Sie haben den Mann lebendig ins Feuer geschoben!“

Dass die arme angeschnauzte Bestattungsfachkraft den Mann lebendig ins Feuer geschoben hat, haben wir doch, verdammt noch mal, gerade erst gesehen. Und: Nein, ganz offenkundig hat niemand gemerkt, dass er noch lebte, sonst hätte sich die makabre Szene ja nicht ereignet. Und: Ja, selbstverständlich wurde da geschlampt. Himmelherrgott!

Vielleicht war der Drehbuchautor beim Schreiben jener Zeilen genauso in Eile wie Lena Odenthal selbst. Die muss nämlich sofort wieder weg, ihre Tante vom Bahnhof abholen. Die pensionierte Staatsanwältin ist zu gleichen Teilen patent und penetrant: Ausgiebig bemäkelt sie das Essen ihrer Nichte und kritisiert ihre Karriereplanung: „Zehn gute Jahre haste noch – und hängst hier rum, in der Provinz!“ Entsprechend genervt ist die harte Kommissarin. Ihre zarte Kollegin Johanna Stern hingegen ist ganz hingerissen, und dem Rest der Dienststelle geht es ebenso, zumal die Veteranin ständig Sprüche klopft übers Rauchen und Trinken, über wenig Schlaf und viele Festnahmen.

Stern schwärmt: „Deine Tante hat mich schwer beeindruckt.“ Odenthal offenbart: „Das legt sich schnell wieder.“

Ermittelt wird aber auch, in einem Altenheim. Ein Mord an diesem Ort ist ja besonders unschön. Egal, was nun dahinterstecken mag: Erbschleicherei oder ein Nachspiel von Kassenbetrug oder Schikane des Personals durch einen Bewohner, oder oder oder. Frau Odenthal Senior jedenfalls ermittelt erwartungsgemäß eifrig mit.

Diese beinahe münstereske Rahmenhandlung aber kippt zunehmend ins Düstere – gewagt, aber durchaus gelungen. Der Plot wird nach einer Weile wirklich spannend. Die Figuren wirken zum Glück nur anfangs klischeehaft (die geldgierige Heimbetreiberin, die nette osteuropäische Pflegerin, der eigenbrötlerische Enkel des Opfers). Letztlich sind sie angenehm wenig überzeichnet. Die Darstellerinnen und Darsteller sind, angeführt von Ursula Werner als Odenthals Tante, fast durch die Bank richtig stark. Und das Thema hallt mächtig nach.

Eines aber dürfte viele maßlos ärgern (zum Unverständnis mancher anderer; wie das eben so ist): Es gibt da noch eine Romanze im Til-Schweiger-Stil, die das Kunststück vollbringt, alles auf einmal zu sein: inhaltlich absolut unrealistisch, spielerisch völlig unglaubwürdig und vom Ton her unendlich unpassend.

Sollte sicher Absicht sein; ein großer Zusammenprall aller Facetten des Menschlichen, oder so. Fürchterlich misslungen ist es trotzdem.

„Tatort: Lenas Tante“, Das Erste,
So., 20.15 Uhr

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