"Bauer sucht Frau" Republik der Voyeure

Düsseldorf (RP). Jeder vierte TV-Zuschauer in Deutschland – das sind mehr als acht Millionen – hat zuletzt die RTL-Serie "Bauer sucht Frau" gesehen. Ist das der Untergang des Abendlandes oder ein Phänomen der Zeit?

Die Bauern empfangen ihre Auserwählten
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Düsseldorf (RP). Jeder vierte TV-Zuschauer in Deutschland — das sind mehr als acht Millionen — hat zuletzt die RTL-Serie "Bauer sucht Frau" gesehen. Ist das der Untergang des Abendlandes oder ein Phänomen der Zeit?

Der Unbedarfte fühlt sich beim Intro der RTL-Sendung irgendwie auch ans legendäre "Shaun, das Schaf" erinnert. So heil ist diese Welt zur sanften Country-Musik, ein Hund kläfft freundlich, der Mais steht prächtig, der Himmel ist blau, die Ähren wiegen sich sanft im Wind, und ein Bauer streichelt auf seinem Schoß wahrscheinlich das Lieblingshuhn. Der Auftakt zu "Bauer sucht Frau" stimmt uns ein in eine Welt, die die meisten Deutschen nicht kennen (nur 15 Prozent leben in einer ländlichen Region) und die so auch gar nicht existiert, sondern nur noch in der Vorstellung der Städter: Es ist der Traum vom reinen Landleben, von einem guten Ort unserer Grundversorgung, einer Stätte ehrlichen Schaffens, und das bitte auch noch ohne ständiges Genöle über zu mickrige EU-Fördermittel.

Dabei muss und sollte man wissen: "Bauer sucht Frau" ist nichts anderes als eine Kuppelshow von RTL. Neun einsame Bauern dürfen aus einem Korb voller Zuschriften jeweils zwei Bewerberinnen aussuchen; man lernt einander bei einem großen Scheunenfest kennen, wählt eine aus für eine Probewoche des Zusammenlebens auf dem Hof oder nimmt gleich beide mit. Dann läuft das ab, was das Leben im Zwischenmenschlichen für uns vorrätig hält: Liebe und Hass, Zuneigung und Gleichmut, Zickenkrieg und Schweigen. Der ganze Schlamassel, der die Existenz im Allgemeinen nie wirklich langweilig werden lässt.

Millionen Zuschauer können nicht irren?

Eigentlich müsste oder sollte man darüber gar nicht sprechen. Zumal etliche Kandidaten sich mit einer Einfachheit zur Schau stellen, gegen die das Dschungelcamp mitsamt seinen versammelten C-Promis wie ein philosophisches Kolloquium daherkommt. Aber: Die RTL-Serie "Bauer sucht Frau", die gerade mit ihrer siebten Staffel über uns hereinbricht, wird mittlerweile von jedem vierten Fernsehzuschauer in Deutschland verfolgt. In der nicht unwichtigen Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen waren es zuletzt sogar 26,5 Prozent.

Man könnte nun entweder sagen, dass über 8,2 Millionen Menschen hierzulande sich gar nicht irren können; oder aber behaupten, dass der Untergang des Abendlandes endgültig bevorstehe. Auf jeden Fall kann man nicht dazu schweigen, weil wir vor einem Phänomen stehen, das uns möglicherweise mehr über uns verrät als manch großangelegte Studie aus Allensbach.

Zu bedenken ist, dass unser grenzenloser Voyeurismus mit — sagen wir mal: handfesten Typen gestillt wird. Von Staffel zu Staffel wurden die Bauern skurriler und auf finstere Weise "bäuerlicher". Mit "einsamen Trotteln" hat sie Bauernpräsident Gerd Sonnleitner einmal verglichen. Das hat einen Grund: Die Kluft zwischen Stadt und Land kann für dieses Ehe-Anbahnungs-TV gar nicht tief genug sein.

Hinzu kommt, dass die meisten Teilnehmer und Akteure eher kräftig gebaut sind und — um uns das Schubladen-Denken vollends zu erleichtern — mit Attributen versehen werden. Also stellt uns Moderatorin Inka Bause (42) in rot-weiß kariertem Hemd nicht nur den Rolf, den Thomas und den Friedrich vor — nein: Es ist natürlich der Ackerbauer Rolf, der Pfundskerl Thomas und der einsame Niedersachse Friedrich. Ein Wort reicht aus für das Bild, das wir uns von ihnen machen sollen und werden.

Kulturgeschichtlich brisant ist das Ziel der Serie: die Initiierung eines Zusammenlebens, einer Hofgemeinschaft, einer Ehe. Dass dabei der Bauer die Vorauswahl hat, erinnert nicht nur an den florierenden Markt der Frauensuche in asiatischen Ländern. Auch fehlt es peinigenderweise nicht an schlüpfriger Diktion, wenn etwa immer wieder erwähnt wird, dass nun der Bauer alle Hände voll zu tun habe.

Pragmatik versus Ideal

Der Vorgang der Partnerwahl weist aber auch zurück in eine Zeit, in der Ehe vor allem zweckmäßig zu sein hatte. Denn es war einst überlebenswichtig, dass die Frau anpacken und ordentlich schaffen konnte. Auch nach diesen Kriterien wird in der Serie oft ausgewählt und vorsortiert. Die kecke Anwärterin, die im Schweinestall Schweinebauer Uwe fragt, wie denn die Schweine heißen, hat sich so gut wie disqualifiziert. Zurecht verdiente sie darum folgende unmissverständliche Antwort: "Die Schweine heißen alle nur Schwein."

Solche Agrar-Pragmatik widerspricht unserem heutigen Ehe-Ideal, das seit der Romantik allein auf Liebe gründet. Diese Gefühlsauslebung ist ein Luxus, den wir uns tatsächlich erst seit dem 19. Jahrhundert mit Beginn der Industrialisierung leisten können: Seither ist die Ehe nicht mehr ausschließlich dem Überlebenskampf geschuldet.

"Bauer sucht Frau" schwankt zwischen Tradition und Moderne, zwischen rauer Arbeitswelt und lieblicher Romantik. Das sind die Gefühlsverstärker, aus denen Träume und Dokusoaps gestrickt sind. Aber bei aller Intoleranz gibt sich "Bauer sucht Frau" bisweilen auch ein bisschen tolerant: Ja doch, mit Pferdebauer Philipp und Zahntechniker Veit gibt es in der aktuellen Staffel ein erstes schwules Paar, das den Titel der Serie renovierungsbedürftig macht. Niveauvoller ist es mit dem neuen Personal allerdings auch nicht geworden: Wie sagte doch Veit nach der gemeinsamen Kutschfahrt? Er habe Flugzeuge im Bauch. Mann, o Mann!

(RP)
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