EU-Richtlinie Product Placement - Nichts für Deutsche?

Frankfurt/Main (rpo). Ob der Kommissar nun in einen Duplo-Riegel beißt, James Bond BMW fährt oder Soap-Stars mit der TUI in Urlaub fliegen - die offensichtliche Verwendung von Markennamen im Fernsehen ist heftig umstritten. In vielen Ländern ist das so genannte Product Placement ganz normal. Nur dass deutsche Medienwächter dagegen angehen, kann die zuständige EU-Kommissarin nicht verstehen.

Diesen Marken vertrauen die Deutschen
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Foto: AP

Die Freigabe des Product-Placements, die in der neuen EU-Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" vorgesehen ist, trifft bei deutschen Medienwächtern und Politikern auf Ablehnung. Reding reagierte darauf mit Unverständnis. "Nur in Deutschland wird über Product-Placement diskutiert", sagte EU-Kommissarin Viviane Reding bei einer Veranstaltung der Landesmedienanstalt Saarland in Nennig.

Für die EU-Kommissarin aus Luxemburg ist nichts dabei, wenn Produktnamen in Unterhaltungsprogrammen oder Ratgebermagazinen auftauchen. "Warum soll ein deutscher James Bond nicht BMW fahren?", sagte Reding. In Fernsehproduktionen außerhalb Europas, vor allem aus den USA, sei Product-Placement gang und gäbe. Wenn dies nicht auch für europäische Produktionen erlaubt würde, machten zum Beispiel die Amerikaner das Geschäft, das sich mit der Verschmelzung der Medien Fernsehen, Internet und Telefon zu einem stark wachsenden Markt entwickelt.

Reding betonte, ihre Ziele mit der Richtlinie seien Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Jobs. Die Zahl der Sender sei in den vergangenen 15 Jahren in Europa von 50 auf 1.500 gestiegen.

Das Thema Product-Placement mache nur ein Hundertstel der neuen Richtlinie aus. Außerdem solle die Platzierung von Werbeprodukten "restriktiv und wohl dosiert" gehandhabt werden. Frei von Werbung bleiben sollen Kinderprogramme, Nachrichten und andere Informationssendungen wie verbraucherkritische Magazine und Sendungen religiösen Inhalts.

Mit dem Geld, das für die Platzierung von Produkten gezahlt würde, sollen die Sendungen mitfinanziert werden. Der in Deutschland verbotenen Schleichwerbung würde auf diese Weise der Boden entzogen.

Die deutschen Privatsender befürworten Product-Placement. Ihre Aufsicht, die Landesmedienanstalten, sind dagegen. Der Direktor der Landesmedienanstalt Saarland, Gerd Bauer, argumentierte bei dem Symposium in Nennig: "Die Freiheit des mündigen Verbrauchers setzt Entscheidungsfreiheit und damit auch Transparenz der Trennung von Werbung und Programm voraus. Das Gebot zu dieser Trennung habe "für den freiheitlich-demokratischen Willensbildungsprozess grundlegende Bedeutung: Es stärkt die Verteidigung der Unabhängigkeit der Programminhalte und ihrer Macher gegenüber den Wünschen der Werbungtreibenden."

Die Landesmedienanstalten haben auch auf die Erfahrungen mit Schleichwerbung wie in der ARD-Serie "Marienhof" verwiesen. Dort kamen Werbebotschaften bereits im Drehbuch vor. Für Authentizität und Glaubwürdigkeit des Mediums habe so etwas verheerende Folgen.

Auch der Chef der Staatskanzlei des Saarlands, Karl Rauber, äußerte sich kritisch zum Product-Placement. Die Fernsehrichtlinie bildet, wie Reding betonte, nur den Rechtsrahmen. Wenn sie verabschiedet sein wird, steht in Deutschland eine Änderung des Rundfunkstaatsvertrags der Länder an.

Fernsehen gehört zu linearen Diensten

Die EU-Kommissarin für Informationsgesellschaft und Medien will die Vorschriften für die "audiovisuelle Inhaltsdienste" - den Hörfunk hat sie ausgenommen, weil er nicht grenzüberschreitend sei - auf das ihrer Ansicht nach Notwendigste beschränken und der Selbstregulierung mehr Spielraum einräumen.

Werbung soll nicht mehr in Blöcken gesendet werden müssen. Die Sender könnten frei über die Platzierung der erlaubten zwölf Minuten pro Stunde entscheiden und auch Einzelspots ausstrahlen. Reding sagte, eine Ausnahme solle für Kinofilme gelten. "Die will ich nicht zerstückeln." Neue technische Möglichkeiten wie der geteilte Bildschirm (Split Screen) sollen der Werbung generell erlaubt werden.

Die EU-Richtlinie hat zwar noch "Fernsehen" in ihrem Namen, schließt aber alle Verbreitungsplattformen ein. Unterschieden wird zwischen linearen und nicht-linearen audiovisuellen Diensten. Reding sagte, entscheidend sei dabei, ob der Nutzer an der Fernbedienung aktiv sein Programm bestimme. Zu den linearen Angeboten gehören Fernsehen, Web-Übertragung, Streaming (Nutzung des Internets als Übertragungsmedium) und Video-Übertragung mit individueller Anfangszeit (Near Video-on-demand). Zu den nicht-linearen Angeboten werden alle Abrufdienste gezählt wie zum Beispiel Video-on-demand oder Web-Nachrichtendienste.

Für die nicht-linearen Dienste soll es nach dem Willen der EU-Kommissarin eine geringere Regulierungsdichte geben. Das könnte dazu führen, dass ein per Video-on-demand bezogener Film nicht den Jugendschutzvorschriften unterläge, im frei empfangbaren Fernsehen jedoch schon.

(ap)
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